Das Bürgeramt Frankfurt und sein „unkonventioneller“ Umgang mit dem Bundesmeldegesetz und dem Datenschutz
Ein Frankfurter Bürger wandte sich an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main. Sein Anliegen: Er hatte unverlangt ein Schreiben des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann (SPD) erhalten, in dem dieser ihn zur Ehrenamtsmesse der Stadt Frankfurt einlud und ihm mitteilte: „Ich möchte mich deshalb mit Ihnen austauschen, wie Sie das Leben in unserem Frankfurt mitgestalten und wie aktiv Sie im Alter sein möchten.“
Auf seine Beschwerde beim Frankfurter Bürgeramt (auch zuständig für die Aufgaben nach Bundesmeldegesetz – BMG) erhiet er von dort folgende Auskunft: „…fordern Sie uns auf, Ihre im Melderegister verzeichneten Übermittlungssperren zu beachten. In der Einladung zur Ehrenamtsmesse sehen Sie eine Missachtung des Bundesmeldegesetzes. Es ist zutreffend, dass bei Ihnen im Melderegister Übermittlungssperren verzeichnet sind. Allerdings tangiert die Nutzung der Meldedaten hier weder das Widerspruchsrecht bei Alters- oder Ehejubiläen (§ 50 Abs. 5 in Verb. mit § 50 Abs. 2 BMG) noch an Parteien und Wählergruppen (Übermittlungssperre nach § 50 Abs. 5 in Verb. mit § 50 Abs. 1 BMG). Sie wurden weder aufgrund eines Geburtstages oder eines Ehejubiläums angeschrieben noch wurde das Schreiben zum Zwecke der Wahlwerbung von einer Partei oder Wählergruppe versandt. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Weitergabe der Meldedaten innerhalb der Stadtverwaltung gem. § 37 Abs. 1 In Verb. mit § 34 Abs. 1 BMG. Um den Belangen des Datenschutzes umfassend Rechnung zu tragen, wurde die Einladung… nicht vom Büro des Oberbürgermeisters, sondern von unserem Rechenzentrum versandt. Es erfolgte also keine Datenweitergabe vom Bürgeramt an das Büro des Oberbürgermeisters. Einen Verstoß gegen Bestimmungen des Bundesmeldegesetzes vermögen wir daher nicht zu erkennen.“
Der betroffene Bürger kann dieser Bewertung nicht zustimmen. Er hat deshalb den behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt zu einer eigenen Stellungnahme aufgefordert. Zudem hat er beim Bürgeramt der Stadt Frankfurt beantragt, ihm gem. § 18 Abs. 3 Hess. Datenschutzgesetz (HDSG) eine gebührenfreie Auskunft über 1. die zu seiner Person gespeicherten Daten, 2. den Zweck und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung sowie 3. die Herkunft der Daten und die Empfänger übermittelter Daten zu erteilen.
Zur Sache selbst stellt der Beschwerdeführer fest: „Aus meiner Sicht ist Ihre Stellungnahme und die Praxis der Stadt Frankfurt datenschutzrechtlich nicht nur unseriös sondern mehr als fragwürdig… Meinerseits bestehen ernsthafte Zweifel, ob der Bezug zu § 34 Abs. 1 BMG zulässig ist. Die entsprechende Rechtsgrundlage lautet: ‚Die Meldebehörde darf einer anderen öffentlichen Stelle im Sinne von § 2 Absatz 1 bis 3 und 4 Satz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes im Inland aus dem Melderegister folgende Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit oder in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden öffentlichen Aufgaben erforderlich ist…‘ Der Bezug auf die Erforderlichkeit setzt meines Erachtens zwingend voraus, dass die Melderegisterdaten zur Erfüllung einer Pflichtaufgabe der Behörde benötigt werden. Dies ist im vorliegenden Fall aus meiner Sicht nicht der Fall, da die beworbene Veranstaltung eine freiwillig eingegangene Selbstverpflichtung der Stadt Frankfurt darstellt. Bei dieser Bewertung stütze ich mich auf einen vergleichbaren Vorgang im Jahre 2015.“
Die dazu ergangene Stellungnahme des behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Frankfurt lautete damals: ‚… Die von Ihnen beantragten Übermittlungssperren nach § 35 HMG wurden im Melderegister vermerkt. Das hiesige Presse- und Informationsamt, welches für den Versand des Materials verantwortlich zeichnet, hatte um Übermittlung der Adressen gebeten. Nach einer internen Prüfung des Bürgeramtes, Statistik und Wahlen wurde dort die Einschätzung vertreten, dass es sich hier um ein sogenanntes ‚Öffentliches Interesse‘ handelt und damit eine Datenübermittlung zulässig sei… Meine datenschutzrechtliche Prüfung hat ein abweichendes Ergebnis zu der Einschätzung des Bürgeramtes, Statistik und Wahlen geliefert. Die Willenserklärung der Stadt Frankfurt am Main, das Jahr 2015 zum ‚Jahr der Senioren‘ zu erklären und mit zahlreichen Aktionen darauf aufmerksam zu machen, stellt aus datenschutzrechtlicher Sicht kein öffentliches Interesse dar. Folglich hätte eine Datenübermittlung an das städtische Presse- und Informationsamt nicht stattfinden dürfen. Die beteiligten Stellen wurden selbstverständlich von mir über dieses Prüfergebnis informiert; dies verbunden mit dem Hinweis, dass bei künftigen Prüfungen des öffentlichen Interesses enge Maßstäbe anzulegen sind und in Einzelfällen das Referat Datenschutz und IT-Sicherheit beteiligt werden kann…“
Zur Feststellung des Bürgeramts „Um den Belangen des Datenschutzes umfassend Rechnung zu tragen, wurde die Einladung… nicht vom Büro des Oberbürgermeisters, sondern von unserem Rechenzentrum versandt. Es erfolgte also keine Datenweitergabe vom Bürgeramt an das Büro des Oberbürgermeisters. Einen Verstoß gegen Bestimmungen des Bundesmeldegesetzes vermögen wir daher nicht zu erkennen“ schreibt der Betroffene: „Auch dieser Argumentationslinie vermag ich nicht zu folgen. Zum Einen ist für mich als betroffener Bürger nicht überprüfbar, ob ‚keine Datenweitergabe vom Bürgeramt an das Büro des Oberbürgermeisters‘ erfolgt ist. Zum Zweiten ändert dies nichts am Sachverhalt, dass Sie meinen beim Bürgeramt vorhandenen Datensatz genutzt haben, um mir unverlangt Werbung zuzusenden. Werbung für Veranstaltungen der Stadt Frankfurt kann auf anderem Wege gerne gemacht werden, aber nicht zielgruppenspezifisch unter Nutzung von Datenbeständen, die zu diesem Zweck weder erhoben, noch verarbeitet und gespeichert wurden. Ich sehe in der Werbeaktion daher einen Verstoß gegen § 13 Abs. 1 HDSG. Dieser bestimmt eindeutig: ‚Personenbezogene Daten dürfen grundsätzlich nur für den Zweck weiterverarbeitet werden, für den sie erhoben oder gespeichert worden sind.‘ Die in § 13 Abs. 2 i. V. m. § 12 Abs. 2 und 3 HDSG genannten Ausnahmetatbestände sind im vorliegenden Fall meines Erachtens nicht berührt.“
Zum Inhalt des Werbebriefs des Frankfurter Überbürgermeisters stellt der Beschwerdeführer fest: „Der Oberbürgermeister teilt mir persönlich mit dem Schreiben mit: ‚Ich möchte mich deshalb mit Ihnen austauschen, wie Sie das Leben in unserem Frankfurt mitgestalten und wie aktiv Sie im Alter sein möchten.‘ Ausweislich der von der Stadt Frankfurt im Internet veröffentlichten Bevölkerungsstatistik lebten 2016 in Frankfurt 729.624 Menschen, 15,9 % davon waren 65 Jahre und älter. Sollte kein weiterer Filter (z. B.: nur Männer ab 65, nur Menschen mit meinem Familiennamen) vor dem Briefversand genutzt worden sein bedeutet dies nach Adam Riese: Herr Feldmann hat nicht nur mir, sondern weiteren 116.009 Frankfurterinnen und Frankfurtern ein persönliches Gespräch angeboten. Um diese Gespräche auch nur ansatzweise führen zu können reicht weder der Rest der gegenwärtigen Wahlperiode von Herrn Feldmann aus noch eine mögliche zweite Amtszeit…“