Dank FragDenStaat.de und ZDF Magazin Royale: Informationsfreiheit und Transparenz durchgesetzt, „NSU-Akten“ aus Hessen jetzt zugänglich

Transparenz/ Oktober 30, 2022/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 0 comments

Demonstration in München 2018 (Foto: kubia, CC BY-NC 2.0)

Die Geschichte des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) ist auch eine Geschichte der sogenannten Bundes- und Landesämter für Verfassungs(?)schutz, der Finanzierung ihrer sogenannten V-Leute in der rechtsterroristischen Szene und der jahrelangen Vertuschung der Verschränkungen und Verbindungen zwischen diesen Ämtern und rechtsterroristischen und neofaschistischen Aktivist*innen.

Zwischen 2000 und 2007 wurden nachweislich mindestens 10 Menschen vom NSU umgebracht:

  • Enver Şimşek,
  • Abdurrahim Özüdoğru,
  • Süleyman Taşköprü,
  • Habil Kılıç,
  • Mehmet Turgut,
  • İsmail Yaşar,
  • Theodoros Boulgarides,
  • Mehmet Kubaşık,
  • Halit Yozgat und
  • Michèle Kiesewetter.

Als vor elf Jahren, am 11.11.2011, die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zum NSU aufnimmt, bricht Hektik bei den sogenannten Verfassungsschützer*innen aus. Im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werden hektisch Akten geschreddert. Besonders dubios – so stellt sich im Nachhinein heraus – war und ist die Rolle des Hessischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV). Ein Mitarbeiter des LfV, Andreas Temme, der den Spitznamen „Klein Adolf“ getragen haben soll, war bei der Ermordung von Halit Yozgat aus Kassel zur Tatzeit am Tatort anwesend und zunächst selbst als mutmaßlicher Täter in den Fokus der Ermittlungen geraten, da er sich als einziger Zeuge nicht bei der Polizei meldete und das Internetcafé nur wenige Sekunden nach dem Mord verließ. Inwieweit Temme direkt an der Tat beteiligt war ist unklar – nicht zuletzt, weil seine Vorgesetzten und die gesamte Geheimdienstbehörde Temme schützten. Als sich die Polizei an das hessische Innenministerium wandte, um die V-Männer Temmes direkt zu befragen, lehnte der damalige Innenminister und spätere Ministerpräsident des Landes Volker Bouffier (CDU) dies ab.

Ein Jahr nach der Selbstenttarnung des NSU ordnete Boris Rhein (CDU), der Nachfolger Bouffiers als hessischer Innenminister, eine Aufarbeitung der Aktenbestände des hessischen LfV an. Die offiziellen Ergebnisse der Untersuchung sind bis heute geheim. Teile des Berichts sollten ursprünglich sogar bis zum Jahr 2134 unter Verschluss bleiben. Keiner der Verantwortlichen und kein Mensch, der von der Terrorserie des NSU betroffen ist, wäre dann noch am Leben. Auf Druck der Angehörige der Ermordeten und der demokratischen Öffentlichkeit wurde diese Frist zwar auf 40 Jahre verkürzt; die Forderung von 130.000 Bürger:innen mit der Petition „Geben Sie die NSU-Akten frei!“ wurde von der Koalition aus CDU und Grünen blockierte die Veröffentlichung der Akten aber weiterhin. Zwischenzeitlich sickerten zwar immer wieder einzelne Informationen durch, der Bericht in Gänze aber war nicht zugänglich.

Am 28.10.2022 wurde von FragDenStaat.de und ZDF Magazin Royale der Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen Im Jahre 2012veröffentlicht.

Mit dieser Veröffentlichung haben FragDenStaat.de und ZDF Magazin Royale wesentlich dazu beigetragen, etwas Licht ins Dunkel der Praktiken der sogenannten Verfassungsschützer*innen in Hessen zu bringen.

Das LfV Hessen, aber auch die hessischen Polizeibehörden, sind nach dem Willen der schwarz-grünen Mehrheit im Hessischen Landtag auch nach Inkrafttreten des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) im Mai 2018 im Bezug auf Transparenz ein Schwarzes Loch. Denn in § 81 Abs. 2 HDSIG wird unmissverständlich festgestellt:  „Die Vorschriften des Vierten Teils (dieser regelt den Zugang der Bürger*innen zu amtlichen Informationen) gelten nicht für 1. die Polizeibehörden und das Landesamt für Verfassungsschutz, 2. …“

 

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