Bundesverfassungsgericht: Urteilsverkündung in Sachen automatisierte Datenauswertung durch die Polizei in Hessen und Hamburg am 16. Februar

Datenschutzrheinmain/ Januar 14, 2023/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung/ 0Kommentare

Mit Pressemitteilung vom 13.01.2023 informiert das Bundesverfassungsgericht, dass bereits weniger als zwei Monate nach der mündlichen Verhandlung am 20.12.2022 eine Entscheidung getroffen wird, ob das Hamburger und/oder Hessische Polizeigesetz (§ 25a Hessisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz – HSOG) in teilen verfassungswidrige Regelungen enthält. Die Kläger*innen erklären, dass ihre Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 Grunggesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie ihre Grundrechte aus Art. 13 Abs. 1 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) und Art. 10 Abs. 1 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) unzulässig eingeschränkt wurden.

Die beiden Verfassungsbeschwerden wurden mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) erarbeitet und eingereicht, bezogen auf das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) unterstützt von der Humanistischen Union Hessen, dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung und der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main. Die Verfassungsbeschwerde gegen das HSOG wird von sieben Beschwerdeführer*innen vorgebracht. Darunter sind neben dem HU-Regionalvorsitzenden Franz Josef Hanke auch die Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Klaus Landefeld als Vorstandsmitglied des Verbands der Internetwirtschaft eco und DE-CIX Aufsichtsrat sowie Silvia Gingold, Lehrerin in Ruhestand und Tochter des jüdischen Widerstandskämpfers Peter Gingold, die aufgrund ihres antifaschistischen Engagements seit ihrer Jugend unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht. Die Beschwerde richtet sich gegen eine Gesetzesnovelle, welche die Überwachungsbefugnisse von Polizei und Verfassungsschutz massiv ausweitet. In Hessen dürfen die Behörden nun sogenannte Staatstrojaner einsetzen. Mit der Software Hessendata werden personenbezogene Daten zentral und automatisiert ausgewertet. Diese und weitere Änderungen verletzten die Grundrechte aller Bürger*innen und sind verfassungswidrig. Näheres dazu auf der Homepage der GFF.

Der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Alexander Roßnagel, war als Sachverständiger zur mündlichen Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde gegen das hessische Polizeigesetz (HSOG) vor dem Bundesverfassungsgericht eingeladen. In einer Pressemitteilung vom 21.12.2022 hat er seine Bewertungen der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen im HSOG öffentlich bekannt gemacht:

„… § 25a des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (HSOG). Diese Vorschrift ermöglicht der Hessischen Polizei alle bei ihr gespeicherten Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von schweren Straftaten zu analysieren. In Hessen kommt hierfür seit 2017 die Analyse-Software Gotham der US-Firma Palantir zum Einsatz. Das auf hessische Verhältnisse angepasste Analyse-Tool wird in Hessen hessenDATA genannt. Mit seinem Einsatz sind auch viele datenschutzrechtliche Fragen verbunden. Daher war der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Dr. Alexander Roßnagel, vom Bundesverfassungsgericht als Sachverständiger zur mündlichen Verhandlung geladen und konnte dort seine datenschutzrechtliche Expertise einbringen.

  • Problematisch sieht er die Reichweite des Analyse-Werkzeugs, das auch auf alle Daten von Funkzellenabfragen zugreift, durch die alle Personen, die sich mit einem Handy zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten räumlichen Bereich aufgehalten haben, erfasst werden, und das auch alle Daten des polizeilichen Dokumentationssystems auswertet, in dem alle Vorkommnisse, mit denen die Polizei zu tun hat, dokumentiert sind, von Ermittlungen zu Straftaten, über Zeugenaussagen, Verkehrsunfällen, Verlustanzeigen bis hin zu Nachbarstreitigkeiten und unbelegten Verdächtigungen. Dadurch bestehe das Risiko, dass viele Personen in polizeiliche Ermittlungen einbezogen werden, die dort nicht hingehören. Zugriff auf diese Analyse-Software haben in Hessen über 2.000 Kriminalbeamte, die mit ihr im letzten Jahr über 14.000 Ermittlungen durchgeführt haben.
  • Verfassungsrechtlich problematisch ist…unter anderem, dass die gefahrenabwehrrechtliche Vorschrift des § 25a HSOG zu unbestimmt ist. Roßnagel dazu: „Wenn der Anwendungsbereich so weit formuliert ist, ist es schwer in der Praxis Grenzen einzuziehen. Für die von der Polizei geschilderten Fälle sehr schwerer Kriminalität ist der Einsatz der Analyse-Software in Ordnung, aber sie darf nicht zum Standardmittel für die polizeiliche Arbeit werden.“
  • Ein weiteres Problem sieht Roßnagel im Zusammenhang mit dem Thema der Zweckbindung. Bei der Analyse der bei der Polizei gespeicherten Daten mit hessenDATA werden große Mengen an Daten von „Unbeteiligten“ einbezogen, die davon nichts erfahren und die keine Chance haben, ihre Lebensführung so einzurichten, dass sie nicht erfasst werden. Er führte hierzu aus: „Alle Daten bei der Polizei werden Bestandteile eines Datenpools zur Analyse für weitreichende künftige Ermittlungszwecke“ und sieht diese Einbeziehung eher kritisch. Darüber hinaus betonte er auch, wie wichtig es sei, die Begründung für die konkrete Anwendung der Datenanalyse mit hessenDATA in jedem Einzelfall nachprüfen zu können.“

Hervorhebungen und Gliederung im zitierten Text durch Datenschutzrheinmain.

 

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*