Bundessozialgericht: Jobcenter dürfen bis zu zehn Jahre Kontoauszüge speichern – aber nicht leistungsrelevante Kontodaten dürfen geschwärzt werden
Die Vorgeschichte: Eine Frau bezog von Mai 2011 bis April 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter Oberspreewald-Lausitz. Anschließend forderte sie das Jobcenter auf, die bei ihr angeforderten Kontoauszüge von Girokonten aus ihrer Leistungsakte zu entfernen. Das Jobcenter lehnte dies ab, soweit die Kontoauszüge Angaben enthielten, die „die Höhe des Leistungsbezuges beeinflussen, insbesondere auch dann, wenn der Zufluss von Geldleistungen nachgewiesen werden muss”. Empfängerinformationen zu Auszahlungen könnten aber geschwärzt werden. Sonstige Kontoauszüge würden gelöscht. Die Frau legte gegen diese Entscheidung Klage ein. Diese wurde vom Sozialgericht Cottbus und vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zurückgewiesen.
Mit Urteil vom 14.05.2020 wies auch das Bundessozialgericht (BSG) die Klage ab. Es stellte jedoch zugleich u. a. fest, dass nicht leistungsrelevante Angaben über Zahlungsempfänger auf Kontoauszügen geschwärzt werden dürfen. Im Terminbericht des BSG wird dazu ausgeführt:
- Das Jobcenter beanspruche zu Recht, “sich bei Antragstellung Kontoauszüge vorlegen zu lassen und Kontoauszüge mit Angaben zu Zahlungseingängen für einen Zeitraum von zehn Jahren nach Bekanntgabe der Leistungsbewilligung zu speichern.“
- Der Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei “auch bei einer zehnjährigen Speicherung verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Zwar sind davon überwiegend Leistungsbezieher betroffen, die für nachträgliche Korrekturen wegen nicht angegebener Einnahmen keinen Anlass geben. Jedoch können zum einen nicht leistungsrelevante Angaben über Zahlungsempfänger auf Kontoauszügen geschwärzt werden. Zum anderen ist die Einsicht in die Kontoauszüge auf zulässige Zwecke beschränkt. Das haben auch die Datenschutzbeauftragten zu sichern. Unter Berücksichtigung dessen ist die Speicherung der Kontoinformationen im Interesse der Allgemeinheit an der Sicherung eines rechtmäßigen Mitteleinsatzes auch den Leistungsbeziehern zumutbar, die von Rückforderungen wegen verschwiegener Einnahmen nicht betroffen sind, zumal sie ohnehin in weitem Maße für Änderungen im laufenden Bewilligungszeitraum benötigt werden.“
Das Urteil des BSG (Aktenzeichen: B 14 AS 7/19 R) ist noch nicht im Wortlaut veröffentlicht.
Allen Menschen, die Leistungen nach SGB II („Hartz IV“) oder nach SGB XII (Sozialhilfe) beantragen sei empfohlen,
- nicht leistungsrelevante Angaben über Zahlungsempfänger auf Kontoauszügen zu schwärzen, bevor sie Kontoauszüge vorlegen,
- zu fordern, dass nur Kontoauszüge mit Angaben zu Zahlungseingängen in der (elektronischen) Akte des Jobcenters gespeichert werden und
- bei Nichtbeachtung des BSG-Urteils durch ein Jobcenter – mit Bezug auf das Urteil des BSG – unmittelbar beim Datenschutzbeauftragten des jeweiligen Jobcenters Beschwerde einzulegen und Abhilfe zu fordern.