Bezahlkarte für Asylbewerber*innen – ein, nicht nur datenschutzrechtliches, Monster

WS/ September 17, 2024/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Sozialdatenschutz/ 2Kommentare

In mehreren Bundesländern und vielen kreisfreien Städten und Landkreisen Kommunen ist eine sogenannte Bezahlkarte für die Auszahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bereits im Einsatz, in vielen anderen ist ihre Einführung in naher Zukunft vorgesehen. Auf Bund-Länder-Ebene wurden dazu im Januar 2024 bundeseinheitliche Mindestregelungen vereinbart. Seit dem 16.05.2024 ist zudem eine Änderung des AsylbLG in Kraft, wonach die Leistungsgewährung in bestimmten Konstellationen auch mithilfe einer  Bezahlkarte erfolgen kann.

Pro Asyl erklärte bereits unmittelbar nach der Bund-Länder-Einigung im Januar 2024: Bund und Länder haben mit der Einigung zur Bezahlkarte ein Diskriminierungsprogramm verabredet. Denn das erklärte Ziel der Ministerpräsident*innen mit dem Bundeskanzler im November 2023 war, mit unterschiedlichen Maßnahmen die Asylzahlen zu senken. Mit der Bezahlkarte wird also vor allem der Zweck verfolgt, den Menschen das Leben hier schwer zu machen und sie abzuschrecken. Schon allein wegen dieses unverhohlenen Motivs wirft die Bezahlkarte verfassungsrechtliche Fragen auf. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 entschieden, dass die Menschenwürde nicht aus migrationspolitischen Gründen relativiert werden darf.“

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder hat am 19.08.2024 in einem Positionspapier Stellung genommen zu den datenschutzrechtliche Grenzen des Einsatzes von Bezahlkarten zur Leistungsgewährung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).

Was ist die Bezahlkarte?

Sie istso die Datenschutzkonferenz – eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion, aber ohne Verknüpfung mit einem herkömmlichen Girokonto. Die Einführung der Bezahlkarte erfolgt in der Praxis unter Einbindung eines Dienstleisters in Gestalt eines privatrechtlichen Bankunternehmens.“

Durch diese Art der Leistungsgewährung sowie die geplanten weiteren Funktionsmöglichkeiten der Bezahlkarte entstehen zwangsläufig datenschutzrechtlich relevante Verarbeitungsvorgänge der personenbezogenen Daten von Leistungsberechtigten. „Damit wird in das Recht der Leistungsberechtigten auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen, welches im Lichte des Rechts auf den Schutz personenbezogener Daten nach Art. 8 Charta der Grundrechte der EU (GRCh) in Verbindung mit Art. 7 GRCh auszulegen ist. Dieses Recht gilt gleichermaßen für deutsche wie ausländische Staatsangehörige, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten…“so die Stellungnahme der Datenschutzkonferenz.

Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgen Bedingungen und Grenzen, die bei der Umsetzung der Leistungsgewährung mittels Bezahlkarten zu berücksichtigen sind. Nach Bewertung der Datenschutzkonferenz sind dabei insbesondere folgende Probleme zu beachten:

  • Keine Einsichtnahme der (Sozial-)behörden in den Guthabenstand;
  • keine pauschale Einschränkung der Gültigkeit der Bezahlkarten auf Postleitzahlen-Gebiete;
  • angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der Vorgaben aus der DSGVO;
  • kein behördenübergreifender Datenabgleich;
  • keine Weitergabe der Ausländerzentralregister-Nummer an Dienstleister (Banken und Sparkassen).

Auch wenn sich die Datenschutzkonferenz – anders als z. B. Pro Asyl – nicht grundsätzlich gegen die Bezahlkarte positioniert und diese ablehnt, ist ihre Stellungnahme trotzdem hilfreich bei der Beurteilung der konkreten örtlichen Ausgestaltung der Bezahlkarten.


Im Juli 2024 wurde in Hamburg ein erster Etappensieg in einem Eilverfahren gegen restriktive Bezahlkarte errungen. Unterstützt durch Pro Asyl und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) konnte eine betroffene Familie vor dem Sozialgericht Hamburg einen Erfolg gegen die restriktiven Beschränkungen der Bezahlkarte erzielen. Die Eilentscheidung des Sozialgerichts Hamburg stellt klar: Die pauschale Festsetzung des Bargeldbetrages auf 50 ohne Berücksichtigung der persönlichen und örtlichen Umstände der Betroffenen ist rechtswidrig.

2 Kommentare

  1. Kevin Maulbetsch | 12. September 2024 | Allgemein, Aufsichtsbehörden | AsylbLG, Bezahlkarte, Datenschutzkonferenz, Datenschutzrechtliche Zulässigkeit, Datenverarbeitung, DSK, Kommunen, Positionspapier

    https://www.datenschutz-notizen.de/bezahlkarten-zur-leistungsgewaehrung-im-lichte-des-datenschutzes-0949755/

  2. Kein Bargeld für Hamburger Asylsuchende: „Schnell“ und „diskriminierungsfrei“ soll die Bezahlkarte sein, mit der Asylsuchende in Hamburg einkaufen müssen. Doch für Omar ist sie das Gegenteil.

    Ein Situationsbericht aus der taz vom 17.09.2024 macht den ganzen Irrsinn der Bezahlkarte deutlich.

    https://taz.de/Kein-Bargeld-fuer-Hamburger-Asylsuchende/!6034146/

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