Berlin: Sozialamt verlangt rechtswidrig Vorlage von ungeschwärzten Kontoauszügen

Datenschutzrheinmain/ Juni 21, 2017/ alle Beiträge, praktische Tipps, Sozialdatenschutz/ 8Kommentare

Ein Mensch aus Berlin, dessen Rente nicht zum Leben reicht, stellt einen Antrag auf Leistungen nach SGB XII (Sozialhilfe). In einem Hilferuf an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main schreibt er: „… mir wird die aufstockende Grundsicherung vom Sozialamt verwehrt da ich mich weigere, meine Kontoauszüge vollständig – also auch mit all meinen finanziellen Ausgaben – offen zu legen. Meine finanziellen Ausgaben sind meine absolute Privatangelegenheit und gehen niemanden etwas an. Es kann nicht angehen, dass der Staat bis zu meinem Lebensende jederzeit das Recht hat, meine finanziellen Ausgaben einzusehen und zu überwachen. Diese Informationen sind zur Überprüfung meiner Hilfebedürftigkeit absolut nicht relevant. Meine Einnahmen lege ich dagegen vollständig offen, wobei ich schon dabei in Bezug auf meine Würde und Menschenrechte große Bauchschmerzen habe…“

Eine bundesweit häufig wiederkehrende Situation in Sozialämtern und Jobcentern. Was ist Sozialdatenschutz? Und wie sind die Grundsätze des Sozialdatenschutzes auf solche Konflikte anzuwenden? Diese Frage ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung. Da Sozialhilfe eine – im Grundsatz – kommunale Leistung ist, liegt die Datenschutzaufsicht über die Sozialämter bei den jeweiligen Landesbeauftragten für den Datenschutz, in Berlin bei der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.

Was sagt die Landesdatenschutzbeauftragte von Berlin zu diesem Thema?

Diese hat auf ihrer Homepage eine Information hinterlegt zum Thema „Vorlage von Kontoauszügen. Ein Auszug:

Um sowohl dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Antragsteller als auch den Interessen des Sozialleistungsträgers angemessen Rechnung tragen zu können, sollten die folgenden Hinweise für eine datenschutzgerechte Verfahrensweise bei der Anforderung von Kontoauszügen beachtet werden:

1. Zulässigkeit der Anforderung

Die Anforderung der Kontoauszüge der letzten drei bis sechs Monate ist grundsätzlich in folgenden Fallgruppen zulässig: a) erstmalige Beantragung von laufenden Leistungen nach dem SGB II, SGB XII, b) Beantragung von einmaligen Beihilfen gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II, § 31 Abs. 2 SGB XII, c) während des laufenden Hilfebezuges frühestens nach Ablauf von zwölf Monaten, d) zum Zwecke der Klärung einer konkreten Frage zu der Einkommens- und Vermögenssituation der Hilfesuchenden, wenn diese nicht durch die Vorlage anderer Unterlagen herbeigeführt werden kann bzw. wenn konkrete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit der Angaben der Hilfesuchenden bestehen…

2. Zulässigkeit der Schwärzung einzelner Buchungen

Das Schwärzen von einzelnen Buchungen kann den Hilfesuchenden nicht von vornherein verwehrt werden. Eine Mitwirkung der Hilfesuchenden kann lediglich im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt werden. Die Mitwirkung muss danach erforderlich und angemessen sein. Die Betroffenen müssen auf die Möglichkeit des Schwärzens einzelner Buchungen bereits bei der Anforderung der Kontoauszüge hingewiesen werden. Insbesondere bei Soll-Buchungen über geringere Beträge (regelmäßig bis 50 €) kann der Hilfesuchende die zu den Einzelbuchungen aufgeführten Texte in der Regel schwärzen.Über die Angabe der Beträge bzw. durch den Vergleich der Kontostände lässt sich die Einkommens- bzw. Vermögenssituation weiterhin lückenlos feststellen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass jeweils die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten sind. So können z.B. regelmäßige Zahlungen von Beiträgen für kapitalbildende Lebensversicherungen, Ausbildungsversicherungen oder Bausparverträge durchaus leistungsrelevant sein. Insoweit wäre eine Schwärzung auch bei geringeren Beträgen nicht zulässig. Jedoch hat hier der Sachbearbeiter, wenn er die Schwärzung für unzulässig erachtet, dem Betroffenen gegenüber den Grund zu erläutern… Das Schwärzen von Haben-Buchungen, d.h. Einnahmen, kann zu einer Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 60 Abs. 1 SGB I führen, da nach § 11 SGB II, §§ 82 bis 84 SGB XII grundsätzlich das gesamte Einkommen bei der Hilfegewährung zu berücksichtigen ist.

3. Speicherung der Daten gemäß § 67 c Abs. 1 SGB X

Kontoauszüge dürfen vom Leistungsträger eingesehen werden, d.h. die Daten dürfen erhoben werden. Allerdings stellt die Verpflichtung zur Vorlage von Kontoauszügen gemäß § 60 SGB I keine Befugnis zur Speicherung dieser Daten dar… Da die Kontoauszüge eines Zeitraums von drei bis sechs Monaten regelmäßig eine Vielzahl von Kontobewegungen enthalten, die für die Feststellung des Bedarfs des Hilfebedürftigen nicht relevant sind, ist eine Speicherung dieser Daten unzulässig. Vielmehr dürfen diese nur dann gespeichert werden, wenn die Daten zur Aufgabenerfüllung im Einzelfall erforderlich sind. Im Regelfall genügt ein Vermerk in der Akte, aus welchem Zeitraum Kontoauszüge eingesehen wurden und dass keine für den Leistungsanspruch relevanten Daten ermittelt wurden. Werden derartige Daten ermittelt, so genügt es, diese in der Akte zu vermerken…“

Dem anfragenden Menschen aus Berlin wurde geraten,

  • einen Brief an die Leitung des für ihn zuständigen Sozialamts zu schreiben und darin auf die Rechtsauffassung der Berliner Landesdatenschutzbeauftragten hinzuweisen sowie
  • eine Kopie dieses Schreibens gleichzeitig an die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte zu senden und diese zu bitten, das Sozialamt auf die Regelungen zum Sozialdatenschutz hinzuweisen.

Da die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main immer mal Anfragen wie diese erreichen, sei ein weiterer Hinweis gestattet: Tacheles e. V. aus Wuppertal betreibt eine Homepage, die auch ein Adressverzeichnis beinhaltet, in dem bundesweit Rechtsanwälte, Beratungsstellen und Erwerbslosen- und Sozialinitiativen aufgelistet sind, die Beratung und Unterstützung mit den Schwerpunkten Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Arbeitslosenrecht nach dem SGB III oder allgemeine Existenzsicherung anbieten.

 

 

8 Kommentare

  1. Zum 01.03.2019 steht wieder einmal die Verlängerung meiner Grundsicherung an. Dabei wurde ich aufgefordert meine Kontoauszüge der letzten 6 Monate vorzulegen. Ich wurde nicht darauf hingewiesen das ich meine Kontoauszüge schwärzen kann. Aus diesem Grund habe ich die Vorlegung der geforderten sechs Kontoauszüge verweigert. Außerdem ist mir bekannt das bis zu drei Kontoauszüge vorgelegt werden können,
    aber nur zur Einsichtnahme. Muss ich mit Konsequenzen rechnen wenn ich mich weigere überhaupt meine Kontoauszüge vorzulegen wenn ich nicht drauf hingewisen wurde einzelne Buchungen zu schwärzen? Für eine zeitnahe und verbindliche Antwort wäre ich Ihnen sehr dankbar.
    MfG
    Werner K.

    [Anmerkung der Redaktion:
    Die weiteren Angaben zur Person von Herrn K. – voller Name, Adresse und Telefonnummer – wurden von uns vor Veröffentlichung seines Kommentars zum Schutz seiner Persönlichkeitsrechte gelöscht.]

  2. Darf das Arbeitsgericht zur Überprüfung von Übernahme von Prozesskostenhilfe die Kontoauszüge aller Konten von den letzten 3 Monaten sofort ungeschwärzt verlangen? Ich komme mir vor als sei ich betrügerisch, da Betrug direkt unterstellt wird, & da dies sofort mitgeteilt wurde im Anschreiben: –>ungeschwärzt.

  3. „ZPO § 118 Bewilligungsverfahren [Prozesskostenhilfe]
    (1) […]
    (2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht,
    es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen.“
    Grundsätzlich kann das Gericht daher auch die Vorlage von Kontoauszügen verlangen, so das Landesarbeitsgericht Köln in 2015.
    Diese Praxis ist aber bedenklich, soweit dadurch z.B. politische oder religiöse Meinungen oder Gesundheitsdaten offenbart werden. Hier sollte das Gericht Schwärzungen dulden.
    Von Roland Schäfer

  4. Hallo, sehr geehrtes Datenschutz RheinMain Team,

    darf ich allgemein in dem Rahmen anmerken:
    die Kraneknkasse darf Rechnungen von Kliniken an Sozialämter weitergeben, ohne dass der Kunde in spe hiervon unterrichtet wird, geschweige denn gefragt.

    Ich wurde von der DRV Bund Berlin auf Geheiß eines Amtsangestellten in Starnberg (S.L. wären seine Intitialen) zwangsverrentet.
    ich wsoll angbl. eine paranoide Schizophrenie haben. Ich war 2016 in das MPI in MUC gegagen, weil mich das Jobcenter mir Prozessen überzog. Aber das war nicht das Jobcenter alleine- zudem wollte es einen schweren Arbeitsfehler vertuschen. Ich wurde daher für verrückt erkärt vom Jobcenter- auch dies ist unzulässig verkürzt.

    In wenigen Studen will das MPI München offenbar heimlich eine pranoide Schizophrenie festgestellt haben, und entließ mich dann. Allejune auf Basis diesedr Rechnung, die an die DRV Bund geriet, wurde ich jetzt zwangsverrentet.

    Es gibt aber fristen, m.E. nach fünf Jahren darf die TK das dann nicht mehr an Ämter weitergeben. Auf der rechnung stand die angbl. (Fehl-) Diagnose im Klartext drauf- typisch MPI München. Keine Panik wegen mir- ich lkam dann bei meiner Mutter unter. Der bayerische Landeseigene Bildungskonzern hatte auch mitgehetzt. Die Damen wären am Drücker und manche sagen, wenn wir uns nicht einigen können, ich belästige sie angbl. sexuell.

    Dieses Problem der gemeichberechtigung bekommen wir auch noch in den Griff.

    Ich möchte Niemanden verunsichern, habe Essen & Dach über dem Kopfe und danke Ihnen für diese Komentarmöglichkeit und Ihre wichtige Arbeit.
    MfG ex MUC
    Jan C. B[…]
    M.Sc. Maschinendoktor

  5. PS.
    warum kann ich mich nicht wehren?

    Ich wurde unter Nennung angbl. sexueller NBelästigung in 2015 und 2016 ungehört (vor-)verurteilt.
    Hatte aber auch Frau P[…], Jobcenter Starnberg, eine Bescherde geschrieben.
    Sie ging in Kopie an meine damalige Professorin.
    Ich entschuldigte mein Fernbleiben vom Studium ,weil Frau P[…] mir das Geld zu früh abgestellt hatte.
    Ich wurde daher von ihr Angezeigt und auch verurteilt und muss aus dem Urteil jetzt heraus.
    Ich hatte geschrieben, dass sie mich angespruckt hätte und das aber sofort erklärt. Beim Anrülpsen im Jobcenter und der Beleidigung als „Du Memme“ meinte ich, dass Aerosoloe sich gelöst haben köännten und mich das daher störte.
    Wirt haben in der Familie Tischsitten uind das störte mich, was aber keine Entschuldigung sein soll (es war tatsächlich Üble Nachrede- das Problem ist die Benennung von angbl. sexueller Belästigung der Klageführenden).

    Also- bitte die Worte genau abwägen, die Sie der Sachbearbeiterin im Jobcenter schriftlich geben- sie hat vor gericht mehr Gehörr, weil sie einen Job im Amt hat und ich war damals gerade von der BFZ entlassen worden, weil ich Zeuge und Sachverständiger bei einem Unfall gewesen war. Der Fall „Mollath“ stünde stellvertretend für die Handhabung in Bayern, was aber Keinen erschrecken soll. Ich als jetzt Lehrkraft habe damals etwas gemerkt, was mir sonst nicht erschließlich gewesen wäre: Korruption im Amte.
    Ich wähnte mich ungehört und hatte Sauerstoffmangel als ich die Zorn-E-Mail an die angebliche Adresse für eine Dienstaufsichtsbeschwerde schickte.

    Besser ein Schriftverkehrsunfall, als ein Verkehrsunfall! Ich achte jetzt auf die äußere Form meiner E-Mails, das ist enorm wichtig wenn man ein „Geschenk“ von einem Amt dringend benötigt- so sieht man das hier.
    Nisch olles iss schläschd (in Bayern).
    MfG
    Jan C.

  6. Hallo allerseits,

    Das Jobcenter verlangt von mir eine Heiratsurkunde meine Frage ist es aber sie das recht dazu

    1. Ja, da Ehegatten gegenseitig unterhaltsverpflichtet sind. Siehe
      § 7 SGB II (https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__7.html) und
      § 9 SGB II (https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__9.html)

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