Bayrisches Polizeiaufgabengesetz (PAG): Der Überwachungsstaat lässt grüßen
Die CSU möchte sich vor der bayrischen Landtagswahl im Oktober 2018 als law-and-order-Partei in Szene setzen. Um dieses Ziel zu erreichen hat die bayrische Staatsregierung dem Landtag einen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des bayrischen Polizeirechts (Polizeiaufgabengesetz – PAG) vorgelegt. Ein Horrorkatalog verbirgt sich hinter diesem Gesetzentwurf:
- Präventive Online- und Video-Überwachung,
- flächendeckender Ausbau der Videoüberwachung incl. Verfahren zur Gesichtserkennung,
- erweiterte DNA-Analysen, mit denen auch Augen-, Haar und Hautfarbe sowie das Alter und die biographische Herkunft von Verdächtigen bestimmt werden können,
- Einsatz von Sprengmitteln wie Handgranaten oder aus Schusswaffen abgefeuerten Sprenggeschossen,
- generelle Erlaubnis zum filmen von Kundgebungen und Demonstrationen, auch wenn keine Gefahr bzw. Straftaten zu erwarten sind,
- Nutzung von Bodycams (incl. Audiofunktion) auch in privaten Räumen.
Und es geht noch weiter: Der Gesetzesentwurf legt fest, dass die Polizei zukünftig auch bei einer „drohenden Gefahr“ konkrete Maßnahmen ergreifen darf. Diese Formulierung ließe zu, dass PolizistInnen verstärkt die Prävention von Straftaten als Aufgabe zuwächst. Anstatt wie bisher dann zu agieren, wenn eine Straftat verübt wurde oder es konkrete Hinweise auf eine solche gibt, soll die bayrische Polizei künftig bereits aufgrund einer bloßen Vermutung tätig werden. Mit der Neufassung des PAG könnte die Polizei dann bei „drohender Gefahr“ unter anderem Briefe abfangen und öffnen, Telefone überwachen, Programme zur Gesichtserkennung verwenden und Onlinedurchsuchungen durchführen. Dabei dürften die digitalen Daten einer Person nicht nur gesichtet, sondern auch gespeichert und sogar verändert werden. Letzteres wird im neuen PAG zwar als „ultima ratio“ bezeichnet, wie weit die Polizei dabei gehen darf wird im PAG-Entwurf aber nicht näher erläutert.
Basierend auf dem Konzept der „drohenden Gefahr“ hatte die CSU 2017 bereits das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen eingeführt. Durch dieses Gesetz ist es möglich geworden, potenziell verdächtige Personen ohne Anklage und Verurteilung oder ohne begangene Straftat für unbegrenzte Zeit präventiv in Haft zu nehmen.
Die Bayerische Staatszeitung hat in einer Veröffentlichung Kritikpunkte am geplanten neuen PAG zusammengefassst:
- Der Richter am Landgericht München I, Markus Löffelmann, sieht in der Vorverlagerung zahlreicher Eingriffsbefugnisse für die Polizei in den präventiven Bereich einn „gewaltsamen Paradigmenwechsel im bayerischen Polizeirecht“. Jeder bayerische Polizist habe damit im täglichen Einsatz künftig mehr Befugnisse bei der Gefahrenabwehr als das Bundeskriminalamt zur Terrorbekämpfung.
- Der frühere Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich kritisiert die künftig mögliche molekular-genetische Überprüfung bei Fällen in denen nur vermutet werde, dass eine Straftat begangen werden könnte.
- Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bezeichnete den Zugriff auf die „sprechende DNA“ als „verfassungsrechtlich hoch problematisch“.
- Der Münchner Rechtsanwalt Hartmut Wächtler stellte fest, dass die neuen Präventivbefugnisse der Polizei nicht auf die Terrorabwehr beschränkt seien. „Das betrifft nicht nur potenzielle Terroristen, sondern auch Normalbürger“, warnte er. Bei der präventiven Festnahme, die per richterlicher Verfügung unbegrenzt dauern könne, werde den Betroffenen nicht einmal ein Pflichtverteidiger gewährt. Betroffene seien schlechter gestellt als Tatverdächtige in einem Strafprozess. „Das ist eines Rechtsstaats unwürdig“, urteilte Wächtler.
Die Grünen im Bayerischen Landtag sehen im geplanten PAG zu Recht einen Schritt in Richtung Überwachungsstaat. Die Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Katharina Schulze erklärte: „Der Überwachungswahn der CSU-Regierung gefährdet zunehmend die verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger. Die massive Ausdehnung der Polizeibefugnisse ins Gefahrenvorfeld geht uns zu weit… Neben Sicherheit ist auch die Freiheit ein hohes Verfassungsgut; sie darf nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden.“ Ende März 2018 legten die Grünen im bayrischen Landtag eine Verfassungsbeschwerde gegen die 2017 eingeführte sogenannte Unendlichkeitshaft beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof ein. Eine vergleichbare Initiative wollen die bayrischen Grünen ergreifen, sollte sich die CSU-Mehrheit mit ihrem PAG im Landtag durchsetzen.
Im Interesse von Freiheit und Bürgerrechten ist den bayrischen Grünen Erfolg bei ihren Aktivitäten zu wünschen! Bedauerlich aus hessischer Sicht: Die Grünen in Hessen, fest verbandelt in der Landesregierung mit der CDU, winken jede Gesetzesinitiative des hessischen CDU-Innenministers Peter Beuth (CDU) unbesehen durch, sei es das neue hessische „Verfassungsschutz“-Gesetz oder das diesen Namen nicht verdienende hessische Informationsfreiheitsgesetz. Ersteres enthält Regelungen, die in die gleiche Richtung zielen wie das PAG der CSU.