Amtsgericht Göttingen: Kündigung eines Mietvertrags bestätigt, weil der Mieter dem Vermieter bei Vertragsabschluss sein politisches Engagement nicht offenbarte
Das Amtsgerichts Göttingen hat mit einem Urteil vom 24.10.2017 (Aktenzeichen: 18 C 41/17) die fristlose Kündigung eines Mietvertrages bestätigt, weil der Mieter vor Vertragsabschluss seine politischen Aktivitäten und Funktionen dem Vermieter nicht offenbarte. In den Leitsätzen des skandalösen Urteils hält das Gericht fest: „1. Ein potenzieller Mieter muss gegenüber einem potenziellen Vermieter nicht seine politischen Auffassungen offenbaren. 2. Für einen potenziellen Vermieter kann jedoch der Umstand, dass der potenzielle Mieter ‚Anziehungspunkt für linksgerichtete Gewalt‘ ist, ein für den Vermieter bedeutsamer Umstand sein, über den bei Vertragsschluss aufgeklärt werden muss.“
Der Mieter im vorliegenden Fall ist Funktionär der AfD.
Unabhängig von der politischen Orientierung des Mieters, die der Verfasser des Beitrag entschieden ablehnt, muss festgestellt werden: Das Urteil missachtet das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil es (potentiellen) Mietern Auskunftspflichten auferlegt, die in den Bereich ihrer persönlichen Lebensgestaltung gehören.
In einer Informationsbroschüre der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit mit dem Titel „Meine Privatsphäre als Mieter„ wird die Frage „Was darf der Vermieter fragen?„ wie folgt beantwortet: „Welche Informationen der Vermieter verlangen darf, ist stark vom Zeitpunkt der Datenerhebung abhängig… Bewirbt sich die Interessentin oder der Interessent nach der Besichtigung auf eine konkrete Wohnung, dürfen diejenigen Daten erhoben werden, die für die Begründung des Mietverhältnisses erforderlich sind. Dies betrifft insbesondere Daten zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mieters, da der Vermieter das Recht hat, sich einen ausreichend solventen Mieter auszusuchen. Dazu gehört z. B. die Frage nach dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses oder nach der Höhe des Nettoeinkommens bzw. desjenigen Betrags, der nach Abzug der laufenden monatlichen Belastungen für die Mietzahlung zur Verfügung steht… Welche Daten darüber hinaus erhoben werden dürfen, hängt auch von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der Vermietung einer Einliegerwohnung im eigenen Haus oder bei der Suche eines Untermieters in einer Wohngemeinschaft kann neben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auch die Schaffung eines harmonischen Miteinanders zwischen den Mietparteien im Vordergrund stehen, sodass zur Auswahl eines geeigneten Mieters andere Daten erforderlich sind und erhoben werden können… Nicht erlaubt sind Fragen bzw. das Einholen von Daten oder Informationen, die für das Mietverhältnis nicht relevant sind. Hierunter fallen Informationen zu Heiratsabsichten, Schwangerschaften, Kinderwünschen, Partei-, Mieterverein- oder Gewerkschaftszugehörigkeit, persönlichen Vorlieben, Hobbys oder Krankheiten.“
Vergleichbare Positionen hat z. B. auch der Datenschutzbeauftragte von Hamburg in einer Informationsbroschüren vertreten.
Unabhängig von den poltischen Ansichten und Aktivitäten des betroffenen Mieters: Dieses Urteil darf keinen Bestand haben!