Gießen ist 2016 sicherer geworden – aber am Ausbau der Videoüberwachung will der Magistrat festhalten

Datenschutzrheinmain/ März 8, 2017/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0 comments

Die Gießener Allgemeine Zeitung (GAZ) vom 24.12.2016 meldete, dass die Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Grüne beabsichtigen, an mehreren Stellen im Stadtgebiet die Videoüberwachung auszubauen. Die GAZ zitiert den Ordnungsdezernenten Peter Neidel (CDU), der auf Anfrage drei Standorte nannte: „Neben dem Bahnhofsvorplatz sind das sogenannte ‚Döner-Dreieck‘ an der Kreuzung Walltorstraße/Asterweg und der Marktplatz im Gespräch; dort befand sich bis vor einigen Jahren Gießens einzige HSOG-Videoschutzanlage. ‚Ich halte das angesichts der Kriminalitätsentwicklung an einigen Stellen für geboten‘, sagt Neidel.“

Unter der Überschrift Gießen ist 2016 sicherer geworden stellt die Gießener Allgemeine Zeitung (GAZ) am 03.03.2017 fest: „Gießen ist im vergangenen Jahr sicherer geworden. Es gab weniger Gewalttaten, Einbrüche und Diebstähle. Dies zeigt die Kriminalstatistik für 2016… Die Gewaltkriminalität, unter die neben Tötungsdelikten auch Vergewaltigung sowie Raub und Körperverletzungen fallen, ging… zurück… Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei der Diebstahlkriminalität… Gießens neuer Ordnungsdezernent Peter Neidel spricht mit Blick auf die Zahlen der Kriminalstatistik 2016 von einer ‚positiven Entwicklung‘. Sie ändert aber nichts daran, dass Stadt und Polizei ihre Pläne zum Aufbau einer Videoüberwachung weiterverfolgen. ‚Alle drei Standorte sind noch in der rechtlichen und technischen Prüfung‘, sagte der CDU-Stadtrat. Es geht um den Marktplatz, wo bis vor wenigen Jahren Gießens einzige polizeiliche Videoschutzanlage in Funktion war, sowie den Bahnhofsvorplatz und das sogenannte ‚Döner-Dreieck‘ an der Kreuzung Asterweg/Walltorstraße/Dammstraße. Neidel hofft, die Anlagen noch in diesem Jahr in Betrieb nehmen zu können.“

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hatte mit Schreiben vom 26.12.2016 die Gießerer Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) gebeten, zu vier Fragen Auskünfte zu erteilen:

  1. Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass es am Bahnhofsvorplatz, an der Kreuzung Walltorstraße/Asterweg und am Marktplatz in Gießen ein erhöhtes Aufkommen von Drogen- und Kleinkriminalität, Diebstählen und Raubüberfällen gibt – also mehrere örtlich präzise abgrenzbare Kriminalitätsschwerpunkte?
  2. Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass andere Mittel der Gewaltprävention und der Aufklärung von Straftaten an den genannten Plätzen nicht zur Verfügung stehen oder nicht geeignet sind, das gewünschte Ziel zu erreichen?
  3. Gibt es belastbare und für die interessierte Öffentlichkeit überprüfbare Daten, dass die Videoüberwachung der genannten Plätze die Probleme objektiv reduzieren kann?
  4. Wie viele Personen bewegen sich durchschnittlich pro Tag als FußgängerInnen oder FahrradfahrerInnen auf dem Bahnhofsvorplatz, der Kreuzung Walltorstraße/Asterweg und dem Marktplatz und würden dadurch in das Visier der beabsichtigten Überwachungskameras geraten?“

Das Schreiben an die Gießener Oberbürgermeisterin wurde vom Magistrat der Stadt Gießen noch nicht beantwortet. Der Ordnungsdezernent Peter Neidel (CDU) erklärte in einem Brief vom 01.02.2017 lediglich: „Sie können versichert sein, dass bei der Umsetzung dieses Vorhabens die rechtlich relevanten Vorschriften berücksichtigt werden und Ihre Bedenken unbegründet sind. Um Verständnis bitte ich dafür, dass ich hinsichtlich des von Ihnen aufgestellten Fragenkatalogs zurzeit keine Stellungnahmen abgeben kann, da sich das Projekt noch in der Planungsphase befindet und ich den Ergebnissen der Polizeibehörden nicht vorweggreifen kann…“

Spätestens mit der Veröffentlichung der Kriminalstatistik für 2016 dürfte es unschwer möglich sein, die Kriminalitätsbelastung der Plätze, die in Gießen für Videoüberwachung vorgesehen sind, gegenüber der interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Die Datenschützer stellen in ihrem Schreiben an die Gießener Oberbürgermeisterin fest: „Erst nach Beantwortung dieser Fragen wird es der interessierten Bürgerschaft möglich sein, eine ergebnisoffene Diskussion über öffentliche Sicherheit, subjektives Sicherheitsempfinden, überprüfbare Fakten und die Notwendigkeit von Videoüberwachung zu führen.“

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