„Kronzeuge an Bord“

Schuetze/ Juli 23, 2016/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Verbraucherdatenschutz/ 1Kommentare

… oder wie der Bordcomputer im Auto zum Spitzel der Polizei wird.

So titelt heute die Süddeutsche Zeitung auf der Seite 1 in einem kommentierenden Beitrag von Thomas Fromm. Berichtet wird, wie ein Carsharing-Nutzer mit Hilfe der Fahrzeugdaten wegen einer fahrlässig begangenen Straftat überführt wurde. Wie kann es dazu kommen?

Moderne Autos sammeln mit ihren Bordcomputern und den Navigationssystemen zahlreiche Daten über Standorte, Fahrstrecke, Geschwindigkeit und Fahrgewohnheiten. Dies sind Daten, sogenannte Bewegungsprofile, die Begehrlichkeiten bei Versicherungen, Arbeitgebern und – wie hier – bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft wecken.

Im vorliegenden Fall, so die SZ, konnte die Straftat nur mithilfe dieser Daten lückenlos nachgewiesen werden.

Beunruhigend dabei ist, dass das Strafgericht nicht ernsthaft geprüft hat, ob diese Daten rechtmäßig, d.h. mit Einwilligung des Betroffenen erhoben wurden. Regelmäßig hat bei Carsharing-Diensten und bei Autovermietern der Kunde keinen Einfluss darauf, diese Datensammelei zu unterbinden. Sie ist weitgehend dem Auto-Hersteller überlassen. Auch dann, wenn zu Abrechnungszwecken die Sharing-Dienste bzw. der Vermieter diese Daten mit Zustimmung des Nutzers erheben und verwenden dürfen, ist eine darüber hinaus gehende Nutzung zu Zwecken der Strafverfolgen nicht rechtens. [§ 28 (2) Nr. 2 BDSG greift nicht, weil diese Vorschrift nicht das verfassungsmäßige Recht, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen, außerkraft setzen kann und will.]

Vor diesem Hintergrund hätte das Gericht die Rechtswidrigkeit der Datenerhebung erkennen und die Verwertung im Prozess unterbinden müssen. Verfassungsprinzipien außer Acht zu lassen, sollte bei deutschen Gerichten nicht einreißen.

Ferner ist beunruhigend, nachdem uns Jahre und Jahrzente vorgegaukelt wurde, dass gesetzliche Eingriffe in das Datenschutzrecht (das Recht auf informationelle Selbstbestimmung) nur bei schweren Straftaten oder Verbrechen zum Tragen kommen, sich jetzt aber herausstellt, dass auch fahrlässig begangene Delikte damit verfolgt werden. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird damit – durch den Gesetzgeber – auf den Kopf gestellt.

Es bleibt zu hoffen, dass andere Gerichte diesem schlechten Beispiel nicht folgen werden und dass eine höhere Instanz dieses Urteil als rechtsfehlerhaft und verfassungswidrig aufhebt.

von Roland Schäfer

 

 

 

1 Kommentar

  1. Laut bayerischem Rundfunk hat BMW die Bespitzelung zugegeben: „BMW hat Daten über einen Mietwagen-Fahrer gesammelt, die zu dessen Verurteilung wegen eines Verkehrsdelikts mit Todesfolge führten. Das berichtet das Manager Magazin in seiner August-Ausgabe. Jetzt erklärt der Konzern, die Beweisdaten stammten aus einem Speicher, der nur in Car-Sharing-Fahrzeuge eingebaut werde… Das seien ‚derzeit ca. 5000 Fahrzeuge weltweit'“
    Quelle:
    http://www.br.de/themen/ratgeber/inhalt/computer/car-sharing-mietwagen-datenschutz-bmw100.html

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