Was dürfen Unternehmen über Gesundheitsdaten von Beschäftigten wissen und was dürfen sie damit tun?
Ein Thema, das viele erkrankte Beschäftigte berührt und verunsichert. Und bei dem Unternehmen auch Missbrauch betreiben.
Bekanntester Fall aus diesem Jahr: Die deutsche Niederlassung von Elon Musks Autofabrik Tesla in Grünheide (Brandenburg). Das Unternehmen soll nach Angaben der IG Metall eine nennenswerte Zahl von Beschäftigten nach Krankschreibungen aufgefordert haben, Ärzte von ihrer Schweigepflicht zu entbinden und Diagnosen offenzulegen. Lohn soll in dem Zusammenhang zurückgefordert oder einbehalten worden sein.
Gefördert wird ein solches Verhalten auch durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18.01.2025 (Aktenzeichen: 5 AZR 93/22). Darin wird – bezogen auf § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz – festgestellt: „Ist der Arbeitnehmer innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wochen an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, gilt eine abgestufte Darlegungslast… Zunächst muss der Arbeitnehmer – soweit sich aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dazu keine Angaben entnehmen lassen – darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung besteht. Hierzu kann er eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Bestreitet der Arbeitgeber, dass eine neue Erkrankung vorliegt, hat der Arbeitnehmer Tatsachen vorzutragen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung bestanden… Er muss laienhaft bezogen auf den gesamten maßgeblichen Zeitraum schildern, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Beschwerden mit welchen Auswirkungen auf seine Arbeitsfähigkeit bestanden und die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden… Auf das Bestreiten des Arbeitgebers genügt die bloße Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nicht mehr…“
Die Landesdatenschutzbeauftragte in NRW (LDI NRW) hat am 17.07.2025 zu dieser Problematik mit einer Veröffentlichung „Gesundheitsdaten von Beschäftigten: Das dürfen Arbeitgeber*innen tun und wissen“ Stellung genommen. Darin erklärt sie u. a.: „Der bloße Verdacht, dass es sich um eine Fortsetzungserkrankung handeln könnte, reicht nicht aus. Es muss vielmehr eine konkrete Vermutung im Einzelfall vorliegen, etwa aufgrund zeitlicher Nähe oder inhaltlicher Hinweise, dass die Erkrankungen zusammenhängen. Arbeitgeber*innen sind zudem angehalten, mildere Mittel zu prüfen. So kann es in bestimmten Fällen ausreichend sein, bei der Krankenkasse eine Einschätzung einzuholen, ob aus ihrer Sicht eine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Eine weitere schonendere Alternative kann die Einschaltung des Betriebsarztes sein, der eine medizinische Einschätzung abgibt, ohne dass sensible Gesundheitsdaten direkt an den*die Arbeitgeber*in gelangen. Während das Bundesarbeitsgericht diese Maßnahmen im gerichtlichen Verfahren zur Entgeltfortzahlung nicht für ausreichend hält, sind sie im Rahmen der vorprozessualen Datenverarbeitung durchaus vorzuziehen und zu prüfen (BAG, Urt. v. 18.01.2023, Az.: 5 AZR 93/22).“
Und sie gibt einen weiteren wichtigen Hinweis: „Ebenfalls unklar ist manchen Arbeitgeber*innen, dass eine ausdrückliche Einwilligung der oder des Beschäftigten in die Offenlegung von Diagnosedaten gegenüber dem Arbeitgeber – etwa, um einem möglichen Streit über die Fortsetzungserkrankung zuvorzukommen – die Datenverarbeitung in der Regel nicht rechtfertigt. Denn eine Einwilligung ist nur wirksam, wenn sie freiwillig erfolgt. In einem Beschäftigungsverhältnis kann davon aber selten die Rede sein. Gerade im Fall einer Erkrankung stehen Beschäftigte häufig unter Druck, weil sie befürchten, ohne Offenlegung ihrer Daten keine weiteren Lohnzahlungen zu erhalten. Insofern scheitert die Wirksamkeit ihrer Einwilligung an der fehlenden Freiwilligkeit der Einwilligungserklärung.“
Abschließend stellt die Landesdatenschutzbeauftragte fest: „Chef*innen dürfen nicht alles wissen. Um es noch einmal kurz zu fassen: Arbeitgeber*innen sind im Zusammenhang mit der Entgeltfortzahlung durchaus berechtigt, bestimmte Gesundheitsdaten zu verarbeiten – allerdings nur dann, wenn dies wirklich erforderlich ist und keine milderen Alternativen bestehen. Eine pauschale Erhebung von Diagnosen oder die Abfrage nach chronischen Vorerkrankungen außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums ist aber unzulässig.“