Vorschläge der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main für die Wahlprogramm zur Kommunalwahl 2026 in Frankfurt

Datenschutzrheinmain/ Juni 17, 2025/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Grundrecht auf analoges Leben, Informationsfreiheit / Transparenz, Regionales, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat am 16.06.2025 den Parteigliederungen und Fraktionen von CDU, Europaliste, FDP, Grüne, Linke, Ökolinx, Partei, Piraten, SPD, Volt in Frankfurt Vorschläge für ihr Wahlprogramm zur Kommunalwahl 2026 unterbreitet. Sie sind nachstehend im Wortlaut nachlesbar.

1. Themenbereich Datenschutz

1.1. Nutzung Freier Software in der kommunalen Verwaltung

Software verwaltet Informationen nicht nur, sondern gestaltet sie. Damit dies sicher und demokratisch passiert, muss in der Kommunalverwaltung Freie Software eingesetzt werden. Dadurch kann die Abhängigkeit von weltweit agierenden Digitalkonzernen reduziert werden. „Insgesamt nimmt in der digitalen Welt die Abhängigkeit kritischer Infrastrukturen“ – dazu zählen auch wichtige Teile der kommunalen Verwaltung –  „von der Informationstechnologie zu. Parallel gewinnen die Transparenz und die Offenheit von Programmen und Systemen, wie sie Freie Software und Open Source garantieren, an Bedeutung. Sie helfen die Kontrolle über IT-Prozesse zu behalten,“ so der vom Bundestag bereits 2013 veröffentlichte Bericht der Enquête-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“.

Um Verwaltungshandeln auch technisch auf eine feste datenschutzfähige Grundlage zu stellen, ist es notwendig,den Einfluss demokratisch nicht legitimierter Akteure – dazu zählen insbesondere Tech-Konzerne aus USA – zu begrenzen, um eine Selbstentmachtung von Politik und Verwaltung und eine damit einhergehende Entmündigung der Bürger*innen zu verhindern. Mit Freier Software kann ein für die interessierte Öffentlichkeit nachvollziehbarer Schutz personenbezogener Daten und die Sicherheit der in der kommunalen Verwaltung verarbeiteten Daten sichergestellt werden.

Mit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahr 2013, spätestens aber durch das Agieren der aktuellen US-Regierung und der sie stützenden US-Tech-Konzerne ist deutlich geworden, dass ein Missbrauch der für Anwender*innen nicht analysierbaren, proprietären Software von Microsoft, Google und anderen Konzernen nicht ausgeschlossen werden kann.

Uns ist bewusst, dass die Umstellung von Softwaresystemen in großen Organisationen ein langwieriger und komplexer Prozess mit vielen Abhängigkeiten ist. Da es jedoch bundesweit auf vielen Ebenen Bestrebungen zur Steigerung der digitalen Souveränität und des verstärkten Einsatzes von Open Source Software gibt, kann hierbei auf einen reichen Erfahrungsschatz und bestehende Lösungen zurückgegriffen werden. Zu erwähnen sind hier z.B. die Open Source Strategie des Landes Schleswig Holstein, das Projekt openDesk zur Erstellung eines auf freier Software basienden Arbeitsplatzes oder der Bundesmessenger.

 

1.2. Beendigung der Internetauftritte der Kommune in den unsozialen Netzwerken wie X (vormals: Twitter), Facebook etc.

Im  Kampf gegen den Überwachungskapitalismus braucht es… die  nachhaltige Unterstützung von Regierungen und Parlamenten. Diese sollten selbst bei der Nutzung von Produkten und Services als Vorbild  vorangehen und nicht noch zum Komplizen der Datenkraken werden. Das gilt  im Großen, wenn Facebook-, TikTok- Twitter-/X oder Instagram-Auftritte  dazu führen, dass alle Nutzungsdaten von den Datenkraken gesammelt  werden… Alles das darf der Staat den Datenkraken doch nicht noch auf dem  Silbertablett servieren. Und es geht bis ins Detail: Warum nutzen  staatlicheWebsites und Apps immer wieder Services der Datenkraken, die  am Ende Standortdaten, Interessensgebiete und eventuell sogar  Kommunikationsinhalte der Bürger:innen bei der Nutzung  staatlicherAngebote und Apps an diese Firmen übertragen?“

Dieser Stellungnahme des früheren Bundesdatenschutzbeauftragten Prof.Ulrich Kelber  ist nichts hinzuzufügen – außer: Die Nutzung von Facebook, Instagram, Twitter (jetzt: X) etc. durch kommunale Ämter und Betriebe muss beendet, alternative – auf Freier Software basierende – Kommunikationskanäle müssen aufgebaut werden.

Auch hier ist uns bewusst, dass die erzielbare Reichweite in den freien Netzwerken von vielen noch nicht als vergleichbar mit den klassichen „sozialen Netzwerken“ angesehen wird. Zumindest gemessen an den üblichen Kennzahlen wie Page Impressions oder Anzahl der Follower ist das derzeit sicher auch richtig. Von vielen, auch professionellen Nutzern, wird der Austausch in den freien Netzwerken jedoch als intensiver, respektvoller und letztlich wertvoller empfunden.

Unsere Minimalanforderung lautet daher: Es ist mindestens ein freier Kommunikationskanal (z.B. die Homepage der Stadt Frankfurt oder ein Mastodon-Account) mindestens so intensiv zu bespielen, wie die bestehenden Accounts der Stadt in den klassischen „sozialen Netzwerken“. Zudem sind alle Informationen, die in den klassichen „sozialen Netzwerken“ angeboten werden, auch auf dem freien Kanal verfügbar zu halten. Für eine mittelfristig vollständige Migration auf den oder die freien Kanäle sollten diese auf den bestehenden Kanälen beworben und die Aktivität nach und nach in die freien Netzwerke verlagert werden.

Auch hier kann ggf. auf bestehende Strukturen zurückgegriffen werden. So betreibt z.B. die Hessische Staatskanzlei einen eigenen Mastodon-Server der u.U. auch von hessischen Städten und Gemeinden genutzt werden könnte.


1.3. Keine Finanzierung des weiteren Ausbaus der Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch die Landespolizei

Videoüberwachungskameras (von der hessischen Polizei fälschlich als „Videoschutzanlagen“ bezeichnet), mögen bei einem Teil der Menschen ihr subjektives Sicherheitsempfinden erhöhen. Dass  das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aller sich im Bereich von Überwachungskameras aufhaltenden Menschen durch die permanente Überwachung  beeinträchtigt wird, gehört aber zu einer Bewertung ebenso wie die Tatsache,  dass Kameras kriminelles Handeln nicht verhindern, sondern bestenfalls dokumentieren können.

Der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Alexander Roßnagel, hat dazu in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht u. a. erklärt: In Frage gestellt habe ich… ob eine derartige in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Maßnahme lediglich auf eine individuell empfundene Stärkung des Sicherheitsgefühls gestützt werden kann. Die Stärkung des Sicherheitsgefühls… zählt – auch in Verbindung mit Tatgelegenheitsstrukturen wie Lage, Einsehbarkeit und Frequentierung – nicht zu den Schutzgütern des Gefahrenabwehrrechts.“

Statt der Finanzierung des Ausbaus polizeilicher Videoüberwachung durch die Kommune müssen andere, weniger eingriffsintensive Insrumente genutzt werden: Präventionsarbeit, bessere  Ausleuchtung und Präsenz von Ordnungskräften an kriminalitätsbelasteten Orten.

 

2. Themenbereich Informationsfreiheit / Transparenz der öffentlichen Verwaltung

2.1. Weiterentwicklung der Informationsfreiheitsssatzung zu einer Transparenzsatzung

Ohne Transparenz ist alles nichts. In einer modernen demokratischen Gesellschaft sind Menschen keine Untertanen. Daher sind alle staatlichen Ebenen – auch die Kommunen – verpflichtet, Bürger*innen über ihr Handeln zu unterrichten und ihnen alle vorhandenen Informationen zur Verfügung zu stellen, soweit dem nicht der Schutz personenbezogener Daten, von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder zwingede Sicherheitserfordernisse entgegenstehen.

Notwendig ist die Weiterentwicklung der bisherigen Informationsfreiheitssatzung zu einer Transparenzsatzung sowie die Bereitstellung entsprechender personeller, finanzieller und technischer Ressourcen.

 

3. Themenbereich Grundrecht auf analoge Lebensgestaltung

3.1. Sicherstellung des Zugangs zu Behörden und öffentlichen Dienstleistungen auch auf analogen Wegen

Im Zuge zunehmender Digitalisierung der Kontakte zu und Leistungen von kommunalen Ämtern und Betrieben, die grundsätzlich zu begrüßen ist, muss trotzdem sichergestellt werden, dass auch Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – digitale Angebote nicht nutzen können oder wollen, nicht ausgegrenzt werden.

Persönliche Vorsprachen und telefonische Nachfragen müssen unkompliziert möglich sein.


3.2. Sicherstellung der Bezahlung von Gebühren und Dienstleistungen bei Ämtern und Betrieben der Stadtverwaltung auch mit Bargeld 

Die gleiche Anforderung gilt auch für die Zahlung von Gebühren und von Leistungen, die Bürger*innen in Anspruch nehmen.

 

 

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