Opt-Out-Patientenakte und künstliche Intelligenz (KI) – Datenfluss aus der ärztlichen Praxis in die elektronische Patientenakte (ePA)
„Die ePA wird zukünftig automatisch bereitgestellt werden… Pflichten zur Datenübermittlung für Behandelnde kommen hinzu. Der Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach spricht bereits davon, Praxisgespräche KI-gestützt in Form von strukturierten Daten weiterzuleiten.
Wie sind die geplanten Änderungen und Visionen einzuordnen?“
Dieser Frage widmet sich ein Beitrag von Dr. Andreas Meißner in der ärztlichen Fachzeitschrift NeuroTransmitter.
Der Verfasser ist in München als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie tätig und einer der Sprecher des Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht ist. Er war 2019 einer der Initiatoren einer Petition an den Bundestag mit der Forderung „Keine zentrale Datenspeicherung sämtlicher Patientendaten / Anschluss von Arzt- und Psychotherapiepraxen an die Telematik-Infrastruktur (TI) nur auf freiwilliger Basis“, die von mehr als 64.000 Menschen unterzeichnet wurde. Dies war Voraussetzung dafür, dass diese Petition im entsprechenden Ausschuss des Bundestags öffentlich beraten wird.
Der Beitrag ist vor Verabschiedung des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) und des Digitalgesetzes (DigiG) erschienen, in seinen Aussagen und Bewertungen aber nach wie vor aktuell.
Zur opt-out-Patientenakte (ePA), der der Bundestag im Dezember 2023 und der Bundesrat im Februar 2024 zugestimmt haben und die zum 15.01.2025 allen gesetzlich krankenversicherten Menschen in Deutschland „verordnet“ werden soll, stellt Dr. Meißner fest: „Eine ungefragt erhaltene Amazonlieferung ohne vorherige Bestellung wäre zumindest kaum als freiwillig zu bezeichnen, selbst wenn sie dann zurückgeschickt werden könnte. Bei der ebenso sensiblen Frage der Organspende hatte der Bundestag vor einigen Jahren noch von einer Widerspruchslösung abgesehen. Die Akzeptanz der ePA wiederum wird indirekt auch hierzulande gegeben sein, denn vermutlich werden nur wenige Versicherte der ePA widersprechen, aus Überforderung im Alltag heraus, aus Gleichgültigkeit oder aus Furcht, dann Nachteile in der Behandlung zu erleiden…“
Zur Sicherheit der ePA und der darin enthaltenen sensiblen Gesundheits-, Behandlungs- und genetischen Daten merkt Dt. Meißner an: „Warum nun jedoch… das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesdatenschutzbeauftragte nur noch ins ‚Benehmen‘ gesetzt werden sollen, somit also nur noch informiert werden müssen, ohne die Notwendigkeit eines ‚Einvernehmens‘, konnte aktuell von Seiten des BMG nicht beantwortet werden. In Datenschutzkreisen wird diese Frage freilich schon länger diskutiert, da ein Rückschritt bei der Datensicherheit zu befürchten ist. Im Gesetzentwurf heißt es, dass ‚entsprechende Konformitätsprogramme nicht für alle erforderlichen Prüfungen der Informationssicherheit verfügbar sind‘. . Zudem könnten ‚die für die TI notwendigen Gesamtprüfungen von komplexen Gesamtsystemen aufgrund normbedingter methodischer Grenzen auch nicht mit vertretbarem Aufwand erstellt werden‘. Daher solle ‚der bisherige Vorrang von Sicherheitszertifizierungen aufgehoben und durch die Vorgabe ersetzt werden, dass die Gematik Prüfvorvorgaben mit Bezug zur IT Sicherheit im Benehmen mit dem BSI festlegt‘.“
Zur Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) im Arzt-Patienten-Gespräch erklärt Dr. Meißner: „Das Vertrauen in das Gesundheitsdatenvernetzungsprojekt wird schließlich auch durch Visionen geschmälert, wie sie Prof. Dr. Karl Lauterbach auf der Data For Health Conference im Juni 2023 entfaltet hatte. So sprach er davon, dass neue KI Systeme Daten dadurch generieren könnten, dass sie beim Patientengespräch zuhören würden. Zeit mit Patientinnen und Patienten zu verbringen, erzeuge demnach gleichzeitig strukturierte Daten: ‚Wir gewinnen die Daten also auf ganz neue Art, während wir mit einander interagieren‘.“ (Diskussionsbeitrag von Karl Lauterbach auf der Data For Health Conference am 21.6.2023 – www.youtube.com/watch?v=i97FxDOcXNY, dort ab ab 4:36:15 Std.)
Eine mehr als gruselige Vorstellung, die Minister Lauterbach da vorträgt. Wie er sie mit dem Hippokratischen Eid und der ärztlichen Schweigepflicht (§ 203 StGB) in Übereinstimmung bringen will ist ein Geheimnis, das es bislang nicht preisgegeben hat.