Eine Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen? – oder: Wenn Polizeikameras als Mittel der Beweissicherung ausfallen. Drei Beispiele
Idstein im Taunus: Videoaufzeichnungen versehentlich (?) nicht gesichert
„Es sind verstörende Bilder, die auf den Videos der Überwachungskameras zu sehen sind. Ein Mann im roten Shirt wird von Polizisten und einer Polizistin gewaltsam zu Boden gebracht, erst mit der Faust, dann mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, bis ein Polizist ihm sein Knie in den Nacken drückt, während das Gesicht des Betroffenen auf den Boden schrammt. All dies wurde von Kameras aufgenommen, die direkt vor der Polizeiwache in Idstein (Rheingau-Taunus-Kreis) installiert sind, wo sich der Vorfall zutrug. Doch diese Videos waren überspielt, weil die Polizei sie nicht rechtzeitig gesichert hatte…“ – berichtet die Frankfurter Neue Presse am 04.01.2023.
Dortmund: Elf Polizeibeamt*innen „vergessen“, ihre Bodycams einzuschalten
„Nach dem Tod eines 16-Jährigen durch Polizeischüsse sind viele Fragen offen… Waren die Bodycams der Polizist:innen eingeschaltet? Die Staatsanwaltschaft hofft, mit Videos von den Bodycams der Beamt:innen mehr über den Tatablauf zu erfahren. Dafür müssten die jedoch eingeschaltet gewesen sein. Das geschehe aber nicht automatisch, sondern nur manuell durch die Beamt:innen selbst, erklärte ein Pressesprecher der Dortmunder Polizei…“ – so die taz in einem Bericht vom 10.08.2022.
Im Dortmunder Internet-Magazin Nordstadt Blogger wird bereits am 09.08.2022 informiert: „Elf größtenteils junge Beamt:innen trafen 15 Minuten später auf dem Kirchengelände ein. Die Kontaktaufnahme zu dem jungen Mann erwies sich als schwierig, da dieser aus dem Senegal kam und nur über schlechte Deutschkenntnisse verfügte. Was genau passiert, ist bisher völlig unklar. Keine Hilfe sind die Körperkameras (‚Bodycams‘), mit denen die Beamt:innen ausgestattet waren – sie waren ausgeschaltet.“
Frankfurt/M.: Akku der Bodycam versagte
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung meldet in einem Beitrag vom 19.08.2020: „Umstrittener Polizeieinsatz : Bodycam versagte angeblich den Dienst… Eine Bodycam der Polizei hätte den Einsatz im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen filmen können, bei dem Beamte einen Mann getreten haben sollen. Nur fehlte dem Akku der Kamera der notwendige Strom, wie die Polizei sagt.“
Das Polizeipräsidium Frankfurt musste am 19.08.2020 mitteilen: “Wie den Medien bereits bekannt ist, existiert zu der Festnahme eines 29 Jahre alten Mannes in Sachsenhausen ein weiteres Video, welches der Polizei seit gestern vorliegt. Dieses Video ist von besserer Qualität und die Handlungen der Festnahme sind klarer und deutlicher zu erkennen. Eine erste Auswertung und Bewertung wurde heute Vormittag vorgenommen und führte dazu, dass nunmehr gegen zwei weitere Beamte dienstrechtliche Maßnahmen in Form von Disziplinarverfahren eingeleitet wurden. Gegen einen Beamten war bereits gestern ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Gegen diese drei Beamten wurde heute das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte ausgesprochen.”
Im Rahmen von Polizeieinsätzen kommt es mitunter zu heftigeren Auseinandersetzungen.
Dürfen solche Auseinandersetzungen von Zeuginnen / Zeugen durch eine Handyaufnahme in Bild und Ton festgehalten werden?
Ist die Polizei berechtigt, in einem solchen Fall das Handy zu beschlagnahmen, mit dem derartige Aufnahmen gemacht worden sind?
Mit diesen Fragen hatte sich das Landgericht Osnabrück zu befassen. Und kam zum Ergebnis:
Ja, man / frau darf!
Und eine Beschlagnahme von Handys deshalb nicht zulässig.
In einer Pressemitteilung des Gerichts
https://landgericht-osnabrueck.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/videoaufnahmen-mit-mobiltelefonen-bei-polizeieinsatzen-204712.html
ist zu lesen:
„Am 13.06.2021 kam es in der Osnabrücker Innenstadt zu einem Polizeieinsatz einer Funkstreifenbesatzung, bei der es u.a. zur Fixierung einer sich widersetzenden Person auf dem Boden kam. Während dieser Maßnahmen wurden die Einsatzkräfte wiederholt durch umstehende Personen – u.a. auch durch den Beschwerdeführer – gestört. Die Beamten versuchten, die Situation zu beruhigen und sprachen hierzu Platzverweise aus. Der Beschwerdeführer fertigte währenddessen mit seinem Handy Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an. Die Polizeibeamten forderten den Beschwerdeführer auf, die Aufzeichnungen zu unterlassen, weil derartige Tonaufnahmen strafbar seien. Im weiteren Verlauf wurde das Mobiltelefon des Beschwerdeführers wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes gegen dessen Willen sichergestellt.
Das Amtsgericht Osnabrück bestätigte mit Beschluss vom 14.07.2021 die Beschlagnahme. Gegen diesen Beschluss wandte sich der Beschwerdeführer.
Das Landgericht hob die amtsgerichtliche Entscheidung auf und gab dem Beschwerdeführer recht. Es liege kein Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung vor, so dass das Handy nicht hätte beschlagnahmt werden dürfen.
Die von den Polizeibeamten vorgenommenen Diensthandlungen seien im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommen worden. Die insoweit gesprochenen Worte seien in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, weil der Ort frei zugänglich gewesen sei. Die Strafvorschrift des § 201 StGB, die die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes unter Strafe stelle, erfasse solche Äußerungen nicht. Die Vorschrift schütze die Unbefangenheit der mündlichen Äußerung. Diese Unbefangenheit sei bei dienstlichem Handeln, das rechtlich gebunden sei und der rechtlichen Überprüfung unterliege, nicht tangiert. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass gem. § 201 a StGB das Anfertigen von Bildaufnahmen im öffentlichen Raum – von wenigen Ausnahmenfällen abgesehen – straffrei sei. Es sei kein Grund ersichtlich, warum das Aufnehmen von Tonaufnahmen im öffentlichen Raum strenger geahndet werden sollte als die Fertigung von Bildaufnahmen in demselben Umfeld.“