E-Rezept vor dem (vorläufigen) Aus?

Gesunde_daten/ Dezember 20, 2021/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 0 comments

Am 20.12.2021 meldet das Internet-Magazin Apotheke adhoc: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sagt die für den 1. Januar geplante verpflichtende Einführung des E-Rezepts ab. In einem Schreiben an die Gesellschafter der Gematik… erklärte das Ministerium am Montag, dass es die Voraussetzungen für eine sichere flächendeckende Einführung in zwei Wochen nicht gegeben sieht. Es soll nun vorerst weiter getestet werden…“

Auf der Homepage der gematik ist diese Information noch nicht zu finden. Dort wird das e-Rezept noch immer ohne jeden Ansatz von Kritik gefeiert.

Scheinbar hat sich der neue Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), selbst ein langjähriger Antreiber der Digitalisierung im Gesundheitswesen, trotz allem einen realistischern Blick auf die Probleme der Telematik-Infrastruktur bewahrt als sein „Augen-zu-und-durch“-Vorgänger Jens Spahn (CDU). Vielleicht hat Lauterbach auch die die gemeinsame Stellungnahme der Minderheiten-Gesellschafter der gematik vom 01.12.2021 zur Kenntnis genommen. Diese stellten u. a. fest: Mit großer Skepsis sehen die meisten Gesellschafter der gematik deren öffentliche Aussage, dass die bisherige Testphase zur Einführung des Elektronischen Rezepts (eRezept) ‚erfolgreich‘ verlaufen sei. Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich sind die Tests in der Fokusregion Berlin-Brandenburg nicht aussagekräftig…“

in einer gemeinsamen Stellungnahme von Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht, Deutsches Psychotherapeuten-Netzwerk, dieDatenschützer Rhein-Main, Gen-ethisches Netzwerk, Labournet, Patientenrechte und Datenschutz e.V. und WISPA Westfälische Initiative zum Schutz von Patientendaten, die am 20.12.2021 veröffentlicht wurde, werden Karl Lauterbach und die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP u. a. aufgefordert:

  • Beschließen Sie für alle neuen Anwendungen der Telematik-Infrastruktur eine Testphase von mindestens 12 Monaten. Sie ist mit einer großen Anzahl von freiwillig Teilnehmenden im realen Praxisbetrieb durchzuführen. Die Bewertung der Tests muss durch Ärzte- und Patientenvertreter*innen und Datenschützer*innen erfolgen.
  • Stellen Sie die bisherigen Vorschriften und technischen Einrichtungen auf den Prüfstand…“

Das e-Rezept und seine datenschutzrechtliche Problematik…

… ist Gegenstand des Tätigkeitsberichts des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber für 2020. In Abschnitt 4.2 des Berichts (S. 39) wird u. a. festgestellt:

  • Rezepte im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sollen immer in einem zentralen Speicher in der TI abgelegt werden. Patientinnen und Patienten können dann nur wählen, ob sie die Zugangsinformationen dazu in elektronischer Form oder – nach dem Vorbild eines Bahn- oder Flugtickets – als Papierausdruck mit einem Code-Block zur Einlösung in einer Apotheke ausgehändigt bekommen wollen.Wie bei der ePA wird es auch beim E-Rezept eine Zweiklassengesellschaft geben. Menschen, die nicht die E-Rezept-App nutzen möchten oder können, erhalten keinen unmittelbaren Einblick in die über sie gespeicherten Daten oder erfolgten Zugriffe auf ihre Rezepte…
  • Beim E-Rezept findet auch ein weiterer Paradigmenwechsel statt: Die gematik entwickelt die E-Rezept-App und wird sie zur Verfügung stellen. Die Aufgabe der gematik beschränkt sich demnach nicht, wie z.B. bei der ePA, auf die Erstellung von Spezifikationen und Sicherheitsanforderungen, nach denen Hersteller Komponenten oder Dienste der TI anzubieten haben. Die gematik wird selbst zum Hersteller und damit auch datenschutzrechtlich verantwortlich. Dies hat zur Folge, dass die gematik ihre eigenen Entwicklungen zu prüfen und zuzulassen hat. Insoweit besteht zumindest die Gefahr einer potentiellen Befangenheit… In allen angesprochenen Aspekten zeigt sich die Wichtigkeit meiner wiederholt und frühzeitig geäußerten Forderung, die zentralen Aspekte der Anwendung E-Rezept im Gesetz zu verankern. Der Gesetzgeber muss für eine Pflichtanwendung wie das E-Rezept selbst zentrale Entscheidungen treffen und Leitplanken im Gesetz vorgeben…
  • Im PDSG fehlen u. a. Regelungen zur Zweckbindung, Datenspeicherung und zu technischen Grundsätzen und Kontrollmöglichkeiten für alle Versicherten. Damit – und vor dem Hintergrund der herausragenden Bedeutung der Anwendung für die Versorgungssicherheit – sind die Regelungen zur Einführung der elektronischen Verordnung nicht hinreichend normenklar und ergänzungsbedürftig…
  • Auch die konkrete Gestaltung der Anwendung E-Rezept muss sich an den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung messen lassen. Prüfschwerpunkt wird neben den Maßnahmen zur Sicherheit der Daten auch die Sicherstellung der Verfügbarkeit sein.“

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