Wiesbaden: Neu installierte Videokameras dokumentieren in einem Jahr 86 Straftaten, verhindern diese aber nicht
In einer gemeinsamen Pressemitteilung der Landeshauptstadt Wiesbaden und des Polizeipräsidiums Westhessen vom 15.06.2021 wird gefeiert, dass „mit Hilfe der neuen Videoschutzanlage… das Polizeipräsidium Westhessen von März 2020 bis Mai 2021 insgesamt 86 Tatverdächtige… bei der Tatbegehung (64 Fälle) oder in der Vor- oder Nachtatphase (22 Fälle) videografiert“ habe. „Bei den 86 Delikten handelte es sich unter anderem um 34 Körperverletzungsdelikte, fünf Raubstraftaten, fünf Widerstandshandlungen, zwölf Diebstähle, zwei Verstöße gegen das Waffengesetz, drei Handel mit Betäubungsmitteln, drei Bedrohungen und drei Sexualdelikte. Der gravierendste Fall war ein versuchtes Tötungsdelikt im Sommer 2020.“
Dass durch die installierten Kameras (euphemistisch „Videoschutzanlage“ genannt eines der genannten Delikte verhindert werden konnte, wird nicht mitgeteilt. Die „mehr als positive Bilanz“, die die beteiligten Behörden feiern, lässt sich zusammenfassen in den Feststellungen, dass
- bei „der Neuinstallation… insgesamt 72 hochauflösende Kameras inklusive modernster Auswertetechnik in zwei Schutzzonen installiert“ wurden,
- dadurch „eine gefährliche Körperverletzung mit Messer oder der Handel mit Betäubungsmittel detektiert, Kräfte alarmiert und zum Tatort entsandt“ wurden, die „Festnahme einer per Haftbefehl gesuchten Person“ erfolgte und „zwei Männer beobachtet“ wurden, welche mit Böllern hantierten. „Bei einer Überprüfung der Personen wurde dann der vorliegende Haftbefehl bekannt.“
- Dies alles, so das Resümee von Bürgermeister Dr. Franz und Polizeipräsident Müller, habe „auch zur Stärkung des Sicherheitsgefühls an neuralgischen Punkten in der Innenstadt“ geführt.
Ob die Wiesbadener Bürger*innen, die die videoüberwachten Areale vor der Installation der Kameras „als ‚Angsträume‘ benannt“ hatten, nach den vorgelegten Zahlen und Ereignissen jetzt zu einer anderen Bewertung kommen? Darüber schweigt sich die Pressemitteilung der Landeshauptstadt Wiesbaden und des Polizeipräsidiums Westhessen aus.
Wortreich werden in der Pressemitteilung Einzelfälle geschildert. Es kommt aber niemand von denen zu Wort, die persönlich von Straftaten gegen Leib, Leben und Eigentum betroffen waren. Ob sie die videoüberwachten Bereiche in Wiesbaden nach der Kamerainstallation nicht mehr als „Angsträume“ bewerten, darüber schweigt sich die Pressemitteilung aus.
Recht habt Ihr!
Die Wiesbadener Linke sieht das so ähnlich wie Ihr. Im Wiesbadener Kurier (https://www.wiesbadener-kurier.de/lokales/wiesbaden/nachrichten-wiesbaden/videouberwachung-in-wiesbaden-widerspruch-von-den-linken_23934221) wird dazu berichtet:
In der positiven Bilanz von Polizei und kommunalen Ordnungsbehörden sehen die Linken keinen Beleg für den Ertrag und die Verhältnismäßigkeit der Überwachungsmaßnahmen. In der entsprechenden Erklärung seitens der Stadtverwaltung werde „verschwiegen, dass die überwiegende Mehrzahl der angeblich durch die Videoüberwachung aufgeklärten Straftaten auch durch herkömmliche Ermittlungsmethoden aufgeklärt worden wäre“. Auch die hohen Kosten für die Anlagen stünden in keinem Verhältnis zum „vermeintlichen Nutzen“.
@WiLi:
Vorsicht! Ohne den Beitrag und verlinkten Artikel bewerten zu wollen, sollte bemerkt werden, dass sich weder Die Linke, noch eine der großen Parteien geschlossen und aktiv gegen Überwachungs ausspricht. Im Gegenteil fordern einige Kommunalpolitiker der Linken sogar mehr Repression durch Polizei. Man darf hier nicht generalisieren.