Jetzt auch in Schleswig-Holstein: Verfassungswidrige Vorschriften im Entwurf des Polizeigesetzes

Datenschutzrheinmain/ September 10, 2020/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 1 comments

Einige der im Entwurf für ein neues Polizeigesetz in Schleswig-Holstein vorgesehenen Regelungen würden das Grundgesetz verletzen, sollten sie in Kraft treten. Andere Regelungen sind mindestens problematisch und sollten nachgebessert werden. Dies ist einer Stellungnahme der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) zu entnehmen.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass die Polizei bereits dann tief in Grundrechte eingreifen kann, wenn sie nur den vagen Verdacht hat, dass von einer Person in Zukunft eine Gefahr ausgehen könnte. Die Polizei soll künftig den Bewegungsradius eines solchen mutmaßlichen „Gefährders“ auf wenige Meter um seine Wohnung herum beschränken, Meldeauflagen verhängen, Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) anordnen oder ihm eine elektronische Fußfessel anlegen dürfen. Das Bundesverfassungsgericht hatte jedoch in seiner Entscheidung zum BKA-Gesetz, auf die sich der Entwurf fälschlich beruft, im Gefahrenvorfeld nur heimliche Überwachungsmaßnahmen zugelassen, und diese auch nur unter strengeren Voraussetzungen, als sie der Entwurf etwa für die TKÜ vorsieht.

Wird der Entwurf Gesetz, würde Schleswig-Holstein die Schwelle für schwerwiegende Eingriffe massiv herabsetzen – mit klar verfassungswidrigen Vorschriften“, sagt Bijan Moini, Jurist bei der GFF und Co-Autor der Stellungnahme. „Meldeauflagen und Fußfesseln sind extrem stigmatisierend, schränken die Betroffenen massiv ein und erschweren es ihnen, ihre Harmlosigkeit unter Beweis zu stellen.“ Der Entwurf geht damit auch weit über entsprechende Befugnisse in anderen Polizeigesetzen hinaus.

Der Entwurf weitet auch die Befugnis der Polizei erheblich aus, die Identität von Personen festzustellen. Dies soll künftig in grenzüberschreitenden Bussen oder Zügen sowie auf Durchgangsstraßen ohne Anlass möglich sein. Die entsprechende Norm geht ebenfalls über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus und muss nachgebessert werden. „Die Polizei darf eine Person im Grenzgebiet nur dann anlasslos kontrollieren, wenn das der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität dient – und die Person sich auch tatsächlich in der Nähe einer Grenze befindet“, sagt Moini. „Das gewährleistet der Entwurf derzeit nicht.“

Die GFF kritisiert zudem die vorgesehene Regelung zum Einsatz von Bodycams in Geschäftsräumen und die Anordnungsbefugnis von Überwachungsmaßnahmen von Wohnungen bei Gefahr im Verzug.

Quelle: Pressemitteilung der GFF vom 10.09.2020


Auch in Schleswig-Holstein hat sich ein Bündnis gegen das Landespolizeigesetz gebildet. Informatiionen dazu finden Sie hier.

Schleswig-Holstein wird derzeit von einer Koalition aus CDU, Grünen und FDP regiert.

1 Comment

  1. Das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) als “Blaupause“ für das gesamte Bundesgebiet; so ließen sich CSU-Politiker/ -innen vor drei Jahren für ihr PAG feiern. Und mit einem häuslichen Gefährder-Gewahrsam – so wie in Schleswig-Holstein – gibt man sich in Bayern längst nicht zufrieden. Die Kritik am bayerischen PAG kam prompt von der Süddeutschen Zeitung (20.07.17):

    “Bayern führt die Unendlichkeitshaft ein

    (…) In Bayern gibt es künftig eine Haft, die es nirgendwo sonst in Deutschland gibt. Sie heißt hier offiziell, wie in anderen Bundesländern auch, Gewahrsam; auch Vorbeugehaft wird sie genannt. In Wahrheit ist sie Unendlichkeitshaft, sie ist eine Haft ad infinitum: In Bayern kann man künftig, ohne dass eine Straftat vorliegt, schon wegen „drohender Gefahr“, unbefristet in Haft genommen werden. Da nimmt sich vergleichsweise das schludrige Prozedere, mit dem einst Gustl Mollath in der Psychiatrie festgehalten wurde, schon fast vorbildlich aus. (…)“

    https://www.sueddeutsche.de/bayern/gefaehrder-gesetz-bayern-fuehrt-die-unendlichkeitshaft-ein-1.3594307

    “(…) Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) plant offenbar, das kommende bayerische Polizeigesetz zur Blaupause des Musterpolizeigesetzes für alle deutschen Bundesländer zu machen. (…)“

    https://netzpolitik.org/2018/seehofer-bayerns-polizeigesetz-fuer-alle/#vorschaltbanner

    Merke: “Polizeigesetzliche Blaupausen“ aus Bayern sind mit Vorsicht zu genießen!

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