Gesellschaft für Informatik e.V.: Geplante Verwendung der Steuer-Identifikationsnummer als behördenübergreifende Personenkennziffer ist verfassungswidrig
Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie drängt das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat (BMI) auf eine Modernisierung der Verwaltungsregister. Der aktuelle Referentenentwurf für ein Gesetz zur Einführung einer Identifikationsnummer in die öffentliche Verwaltung und zur Änderung weiterer Gesetze (Registermodernisierungsgesetz – RegMoG) sieht vor, zu diesem Zweck künftig die Steuer-Identifikationsnummer als eine fachbereichsübergreifende Personenkennziffer zu verwenden, auf die zahlreiche Behörden Zugriff hätten.
Die Expertinnen und Experten für Verwaltungs- und Rechtsinformatik der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) kritisieren, dass dieser drastische Schritt für die Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung nicht notwendig sei. Konsistentere und qualitativ höherwertigere Datenbestände ließen sich auch mit datenschutzfreundlicheren Lösungen erreichen, wie sie beispielsweise im Nachbarland Österreich eingesetzt würden. Prof. Dr.-Ing. Christopf Sorge, Experte des Fachbereichs Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung erklärt dazu: „Verwaltungsmodernisierung ist ein wichtiges Anliegen, das auch nicht im Widerspruch zum Datenschutz stehen muss. Die Einführung einer einzigen Nummer als Kennziffer eines Menschen bei jeder Behörde ist aber höchst missbrauchsanfällig und für den Zweck der Verwaltungsmodernisierung nicht notwendig. Da es längst bessere Alternativen gibt, lässt sich ein solcher Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen.“
Eine ausführliche Stellungnahme der GI erläutert die schwerwiegenden verfassungs- und datenschutzrechtlichen Bedenken der GI-Fachleute und zeigt konkrete Alternativen zum Vorschlag des BMI auf.
So würde der aktuelle Stand der Technik ein verfassungskonformes Identitätsmanagement-System mit weitgehend gleicher Funktionalität wie vom BMI vorgeschlagen erlauben. Die GI fordert daher, eine Neufassung des Referentenentwurfs unter Einbeziehung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Fachöffentlichkeit. Eine datenschutzkonforme Identitätsmanagement-Architektur könnte beispielsweise nach dem Vorbild der österreichischen Lösung mit bereichsspezifischen Personenkennzeichen oder dem Restricted-Identification-Ansatz des deutschen Personalausweises entworfen werden.
Bisher gibt es für in Deutschland lebende Menschen drei unabhängig voneinander vergebene und lebenslang geltende Personen-Identifikationsnummern:
- Die Steuer-Identifikationsnummer („Steuer-ID“) gem. § 139a Abgabenordnung (AO);
- die Sozialversicherungsnummer (Rentenversicherungsnummer) gem. § 18 h SGB IV und
- die Krankenversichertennummer gem. § 290 SGB V.
Mit dem Gesetzentwurf aus dem Hause Seehofer (CSU) soll dies geändert werden. Allen in Deutschland lebenden Menschen soll eine alle Lebensbereiche umfassende und lebenslang geltende Personen-Identifikationsnummer verpasst werden.
Was Seehofer und sein Ministerium bei ihren Planungen bewusst (!) übersehen ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.07.1969 (Aktenzeichen 1 BvL 19/63), mit dem das Gericht den politisch Handelnden in Exekutive und Legislative ins Stammbuch geschrieben hat:
„Mit der Menschenwürde wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Staat das Recht für sich in Anspruch nehmen könnte, den Menschen zwangsweise in seiner ganzen Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren…“
Es sollte nicht vergessen werden,
dass im Rahmen diverser BMG-Gesetze seit 2004 beschlossen wurde,
eine neue lebenslange Krankenversichertennummer einzuführen,
die auf Basis einer bestehnden Rentenversicherungsnummer generiert wurde!!
Und, daß m.W. das Archiv der Rentenversicherung von IBM in der Cloud „verwaltet“ wird,
ebenso wie bei den Krankenversicherungen direkt oder indirekt (Vivy, Ada und Co.)