Bundesjustizministerium: Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet vorgestellt – mit weit überdehnten neuen Zugriffsrechten für die Polizei
Am 12.12.2019 hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Rahmen der Bundestagsdebatte zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gesprochen. Auf der Basis des Maßnahmenpakets der Bundesregierung „zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ hat sie für März 2020 einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet angekündigt.
Die Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft,Telekommunikation und neue Medien e.V.) hat in einer Pressemitteilung am 13.12.2019 informiert, was das Bundesjustizministerium mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet beabsichtigt. Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder hat dazu Einzelheiten benannt, die Bürgerrechtler*innen, Datenschützer*innen und ihre Organisationen alarmieren müssen:
- „…das jetzt vorgestellte Gesetz wirft Grundwerte über Bord, die unser Zusammenleben online wie offline seit Jahrzehnten prägen. Statt das NetzDG gewissenhaft auf Wirkungen und Nebenwirkungen zu überprüfen, kommt kurz vor Weihnachten und auf den letzten Drücker der nächste überhastete Vorstoß gegen ein lange bekanntes Problem. Herausgabe vertraulicher Passwörter ohne richterlichen Beschluss, automatisierte Weiterleitung von IP-Adressen in Verdachtsfällen – wir sind erstaunt, dass solche Vorschläge aus jenem Ministerium propagiert werden, das sich den Datenschutz besonders groß auf die Fahnen geschrieben hat.
- Hochproblematisch ist zunächst, dass die Polizei künftig auf einfaches Ersuchen hin die Nutzerpasswörter von allen Telemediendiensteanbietern verlangen kann. Dazu genügt die Aufforderung einer Behörde oder Polizeidienststelle, ein richterlicher Beschluss ist nicht nötig. Hier werden nicht nur die großen sozialen Netzwerke in die Pflicht genommen, sondern ebenso die Anbieter von Internetzugängen und zahlreiche weitere Online-Unternehmen. In vielen Fällen verfügen diese Unternehmen überhaupt nicht über die Passwörter, da sie ausschließlich verschlüsselt hinterlegt sind und aus gutem Grund von den Mitarbeitern der Unternehmen nicht eingesehen werden können. Man kann nur beten, dass auch kleine und schlecht ausgestattete Stellen solche hochkritischen Daten zu jedem Zeitpunkt sicher vor unzulässigen Zugriffen schützen können.
- Kritisch sehen wir zudem die Verpflichtung für Diensteanbieter, eventuell strafbare Inhalte nicht nur zu löschen, sondern sie unaufgefordert mitsamt der IP-Adresse und Portnummer des Nutzers dem Bundeskriminalamt mitzuteilen. Gerade bei Meinungsäußerungen ist die Strafbarkeit in vielen Fällen keineswegs offensichtlich. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Inhalte und Daten von völlig harmlosen Nutzern, die sich nichts zu Schulden kommen ließen, an das BKA weitergeleitet werden. Unverhältnismäßige Eingriffe in die Privatsphäre der Nutzer sind damit vorprogrammiert…“
Tabea Rößner, Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion für Netzpolitik und Verbraucherschutz, hat in Ihrer Rede am 12.12.2019 im Bundestag zu diesen Plänen – gerichtet an die Bundesregierung – u. a. gesagt: „Ja, Hass und Hetze, digitale Gewalt und Rechtsextremismus müssen bekämpft werden. Wenn das Internet der Kommunikationsraum ist, in dem sich immer mehr Menschen informieren, wenn im Netz gesellschaftliche Debatten geführt werden und der Meinungsbildungsprozess stattfindet, dann dürfen digitale Gewalt, Hass und Hetze eben nicht dazu führen, dass Menschen sich zurückziehen und nicht mehr an öffentlichen Debatten teilnehmen… Aber statt ein neues Gesetzespaket anzukündigen, sollten Sie die Mängel des bestehenden Gesetzes erst einmal beheben… Stattdessen gehen Sie jetzt mit einem ‚Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Rechtsextremismus‘ deutlich weiter und wollen eine Meldepflicht für Diensteanbieter einführen. Die sollen zukünftig entscheiden, ob eine Straftat vorliegt, und dann sämtliche digitalen Identifikationsmerkmale wie zum Beispiel IP-Adressen, Portnummern und sogar Passwörter ans BKA weiterleiten. Noch mal zum Mitschreiben: Private Unternehmen bekommen eine Gatekeeper-Funktion für eine massenhafte staatliche Datenerhebung zur Strafverfolgung. Es ist völlig unklar, was mit den Hunderttausenden Datensätzen beim BKA passiert; von einer Löschfrist habe ich jedenfalls nichts gelesen. Das wäre die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür, und das können wir nicht zulassen…“
Woraus leitet die Bitkom die Herausgabepflicht der Passwörter ab? Ich kann das leider nicht aus dem verlinkten Dokument herauslesen, obgleich ich die selbe Befürchtung teile.
Punkt 7 finde ich allerdings gut. Damit werden die Meldedaten des einfachen Bürgers endlich mal vor der zunehmenden staatlichen Gewalt geschützt…