Belgien: Gesichtserkennung mittels Videoüberwachung am Brüsseler Flughafen muss wg. Rechtswidrigkeit beendet werden
Das meldet die belgische Zeitung HLN am 20.09.2019.
Quelle: HLN-Homepage
Der Flughafen ist Zaventem ist der Flughafen Brussels Airport, der größte Flughafen Belgiens.
In der HLN wird u. a. mitgeteilt: „Die Bundespolizei muss ihr automatisches Gesichtserkennungsprojekt am Flughafen in Zaventem einstellen. Dies wird von der Aufsichtsbehörde für polizeiliche Informationen (COC) bestätigt. Der Generalkommissar der Bundespolizei… kündigte im Juli… an, dass am Flughafen Kameras für die automatische Gesichtserkennung eingesetzt würden. Hierzu sei keine Gesetzesänderung notwendig gewesen. Das Inspectorate for Police Information (COC) sah das anders und leitete eine Untersuchung ein… Das COC stellte fest, dass das Projekt im Widerspruch zum Polizeigesetz und zum Datenschutzgesetz steht. ‚Kameraüberwachung bleibt möglich, Gesichtserkennung nicht‘… Insbesondere ist es gesetzlich nicht gestattet, eine technische Datenbank für die Speicherung biometrischer Daten von Reisenden zu erstellen, auch wenn dies nur einen Bruchteil einer Sekunde dauert…“
Der gesamte Beitrag aus der belgischen Zeitung HLN ist hier in einer Übersetzung nachlesbar.
Anlässlich des Beginns des Pilotprojekts zur biometrischen Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz wies die Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Maja Smoltczyk, in einer Pressemitteilung vom 31.07.2017 auf die erheblichen Risiken solcher Techniken hin:
“Die biometrische Gesichtserkennung ist ein computerbasiertes Verfahren, mit der eine Person durch das Messen von biologischen Eigenschaften des Gesichts erkannt werden kann, indem diese von Sensoren erfasst und mit den vorhandenen Datn (Templates) aus einer Datenbank verglichen werden. Diese Technik birgt ein enormes Missbrauchsrisiko. Denn anders als bei konventioneller Videoüberwachung können Passanten durch Verfahren der biometrischen Gesichtserkennung nicht nur beobachtet, sondern zugleich auch identifiziert werden. Die Technik macht es möglich, Bewegungsprofile von Personen über die Erfassungsbereiche von mehreren Videokameras hinweg zu erstellen. Es ist zudem denkbar, diese Daten – per Knopfdruck – auch mit beliebigen anderen über die Person verfügbaren Daten zu verknüpfen. Durch den Abgleich von Videoaufnahmen mit vorhandenen Templates können Teilnehmerinnen und Teilnehmer großer Veranstaltungen und Demonstrationen oder auch einfach nur Passanten individualisiert und identifiziert werden. Der breitgefächerte Einsatz solcher Technik ermöglicht es, dauerhaft zu kontrollieren, wo sich eine Person wann aufhält und mit wem sie sich trifft. Das für eine freiheitliche Gesellschaft grundlegende und verfassungsrechtlich verbriefte Recht, sich unbeobachtet und anonym in der Öffentlichkeit zu bewegen, wird so nachhaltig gefährdet und droht ausgehöhlt zu werden. Hinzu kommt, dass mit der Technik auch eine erhebliche soziale Kontrolle auf Menschen ausgeübt werden kann. Da sie ohne Kenntnis der Betroffenen eingesetzt werden kann, ist es kaum möglich, sich einer solchen Überwachung zu entziehen. Die Erzeugung biometrischer Templates der Gesichter von Personen birgt zudem erhebliche Sicherheitsrisiken. Gelangen solche Daten in falsche Hände, sind die Betroffenen zum Beispiel von lebenslangen Folgen eines Identitätsdiebstahls bedroht, weil diese Daten nicht veränderbar sind. Ein Einsatz dieser Technik muss daher äußerst zurückhaltend erfolgen.”
Wenn der Überwachungsstaat faktisch existiert, dann interessieren die Ergebnisse dieser Studie auch nicht mehr.
Diese „Studie“ war 2018 schon abgeschlossen und wurde dann wieder „verlängert!“
Beobachtungstechnologien im Bereich der zivilen Sicherheit – Möglichkeiten und Herausforderungen
Themenbereich: Technik, Gesellschaft, Innovation
Analyseansatz: TA-Projekt
Themeninitiative: Innenausschuss sowie Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Status: laufend
Bearbeitungsstand: Berichterstellung
Laufzeit: 2016 bis 2019
Thematischer Hintergrund
Die Fortschritte in der Informatik, Sensorik und Biometrie
ermöglichen ein weites Einsatzspektrum für diverse
Aufklärungs-, Aufzeichnungs- und Auswertungstechnologien
(im Folgenden Beobachtungstechnologien genannt).
Im Bereich der zivilen Sicherheit reichen die Anwendungsfelder von der
Verkehrsbeobachtung und Unfallhilfe,
der Sicherung von Großveranstaltungen
über das Monitoring von Waldbränden,
Hochwassergefahren und anderen Naturkatastrophen bis zur
Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung.
Dementsprechend haben die
Verbreitung und Nutzung von Beobachtungstechnologien
durch staatliche Behörden und Einrichtungen
in den letzten Jahren stark zugenommen.
Aber auch Informationen aus sozialen Netzen und
Sensordaten von zunehmend mobilen und vernetzten Telekommunikationsgeräten
werden mit stark steigender Tendenz für die
Gefahrenprävention und -aufklärung sowie zur
Entscheidungsfindung in komplexen Einsatzlagen eingesetzt.
Der Einsatz von Beobachtungstechnologien im Bereich der zivilen Sicherheit
wird in gesellschaftlichen wie auch in wissenschaftlichen Debatten kontrovers diskutiert.
Einerseits wird Beobachtungstechnologien eine wichtige Funktion in der
Gefahrenprävention und -aufklärung sowie
bei der Krisenbewältigung zugeschrieben.
Für den Staat können sie von Nutzen sein, um eine seiner Kernaufgaben,
die Gewährleistung der zivilen Sicherheit, zu erfüllen.
Andererseits werden immer wieder Fragen nach der
Wirksamkeit,
Verhältnismäßigkeit und
Zuverlässigkeit
solcher Maßnahmen aufgeworfen:
Lassen sich durch staatliche Beobachtungsmaßnahmen tatsächlich
Gefahrenlagen rechtzeitig vorhersehen,
Straftaten wirksam vermeiden oder
das Katastrophenmanagement verbessern?
Wie viel der Privatsphäre soll für den (vermeintlichen) Gewinn an Sicherheit aufgegeben werden?
Wer beobachtet wen und wozu?
Was geschieht mit den gesammelten Daten?
Im Lichte der immer leistungsfähigeren Beobachtungstechnologien stellen sich für den Staat völlig neue Herausforderungen bei dem Bemühen,
ein Gleichgewicht zwischen
den Schutzbedürfnissen der Gesellschaft und
den Persönlichkeits- und Freiheitsrechten des Einzelnen zu finden.
Ziel und Vorgehensweise
Im Rahmen der Untersuchung sollen auf Grundlage heute vorhandener technischer Möglichkeiten, aber auch mit Blick auf erkennbare technische Weiterentwicklungen,
die relevanten gesellschaftlichen Fragestellungen und Herausforderungen,
die sich mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Beobachtungstechnologien
im Bereich der zivilen Sicherheit ergeben, identifiziert und analysiert werden.
Zentrales Ziel der Untersuchung ist es, die
sachlichen Grundlagen für die politische Meinungsbildung bezüglich
der erforderlichen Rahmensetzung für deren Einsatz zu schaffen.
Die gesellschaftliche und politische Debatte über die
Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit
von Beobachtungsmaßnahmen
im Bereich der zivilen Sicherheit
hängt hochgradig von der infragestehenden Technologie
sowie vom jeweiligen Anwendungs- und Nutzungskontext ab.
In einer ersten Sondierungsphase des Projekts soll daher zunächst
eine Bestandsaufnahme über den Stand und die Perspektiven der wissenschaftlich-technischen Entwicklungen sowie
über Anwendungsfelder und
(mögliche) Einsatzszenarien erarbeitet werden.
Die Sondierungsphase soll darüber hinaus dazu dienen,
die relevanten deutschen und europäischen Forschungsaktivitäten
im Kontext von Beobachtungstechnologien im Bereich der zivilen Sicherheit
zu recherchieren und die
bereits abgeschlossenen Forschungsprojekte
hinsichtlich der erzielten Ergebnisse zu diskutieren.
Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren in
Deutschland und der EU
zahlreiche inhaltlich und finanziell umfangreiche öffentliche Forschungsvorhaben
zum Thema lanciert wurden und
zurzeit etliche neue Forschungsprojekte geplant sind.
Auf Grundlage der in der Sondierungsphase erzielten Erkenntnisse
sollen im weiteren Projektverlauf
die Anwendungsfelder und
Einsatzoptionen
von Beobachtungstechnologien im Bereich der zivilen Sicherheit identifiziert werden,
die in gesellschaftlichen und politischen Debatten
in besonderem Maße kontrovers diskutiert werden.
Für die identifizierten Anwendungsbereiche
sollen die diesen Debatten zugrundeliegenden
ethischen,
politischen und
rechtlichen Argumente und Problemstellungen
vertieft analysiert und diskutiert werden
mit dem Ziel,
politische Handlungsbedarfe zu erkennen und
entsprechende Optionen auszuarbeiten.
Erstellt: 18.02.2016 Aktualisiert: 14.03.2019
https://www.tab-beim-bundestag.de/de/untersuchungen/u20900.html