„110, die Telefonauskunft für Neonazis?“

WS/ Mai 10, 2021/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 1Kommentare

Auf diese Frage – bezogen auf den neonazistischen NSU2.0-Drohbriefschreiber aus Berlin – versucht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag vom 10.05.2021 eine Antwort zu finden.

Der Frage voraus geht die Feststellung: Die hessischen Beamten, die in ihren Computern die Adressen und Namen zusammensuchten, bevor die Morddrohungen eingingen, wären dann einigermaßen fein raus. Sie wären zwar blöd reingefallen, aber keine Nazi-Komplizen. So scheint es auch der hessische Innenminister Peter Beuth zu sehen, der sagte, die hessische Polizei könne nun aufatmen. Nur: Wäre es wirklich eine beruhigende Nachricht, dass jeder x-beliebige Übeltäter sich von der Polizei dabei helfen lassen kann, Morddrohungen zu adressieren?

Und dann der Praxis-Test der FAZ-Redaktion: Wir fragen bei Polizisten in Hessen nach, die müssen es schließlich wissen: Kann es wirklich sein, dass man sensible Daten ohne Kennwort oder Gegenkon­trolle rausrückt?“ 

Mit brisanten bis nahezu unglaublichen Ergebnissen. Ein Auszug:

  • „‚Wenn der Typ einigermaßen glaubwürdig rüberkam, dann war es für ihn wahrscheinlich megaeasy, an die Infos zu kommen‘, sagt eine hessische Polizistin. Einem Kollegen wolle man ja schließlich nicht unnötig viel Arbeit machen…“
  • Noch ein weiterer Polizist aus Hessen traut sich. Was er erzählt, passt ins Bild. Wenn er im Revier einen Anruf kriege, verlange er üblicherweise was Schriftliches, aber manchmal müsse es halt schnell gehen. Außerdem könne man auch E-Mails und Faxe manipulieren. ‚Ich denke, Kriminelle könnten auch heute noch Infos bekommen, wenn sie es gut anstellen.‘“
  • Immer wieder müssen Polizisten in Hessen auch ihr Privathandy nutzen, weil die veralteten Diensthandys nicht mal Fotos verschicken können…“
  • Engelbert Mesarec, hessischer Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft und Angehöriger des Hessischen Polizeipräsidiums für Technik, kennt die IT-Probleme der Polizei ganz genau. Er schlägt sich schon seit Jahren damit herum. Er kann sich gut vorstellen, dass der Täter ‚ebendiese technischen Unzulänglichkeiten‘ ausnutzte…“

Da ist noch viel zu tun für Sie, Herr Innenminister Beuth! Und zwar in zweierlei Hinsicht:

  1. Die internen „Gepflogenheiten“ in der hessischen Polizei bei der Weitergabe personenbezogener Daten zu überprüfen und diese so zu verändern, dass zwingende datenschutzrechtliche Vorgaben im Alltag der Reviere beachtet werden;
  2. die vielfältigen neonazistischen Vorkommnisse in der hessischen Polizei aufzuklären und die dafür verantwortlichen Personen straf- und disziplinarrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

1 Kommentar

  1. Hierzu passt auch der nachfolgende (aktuelle) Indymedia-Artikel:

    „Hessische Polizei & Datenschutz

    Auf einigen hessischen Polizeidienststellen soll es in der Vergangenheit zugegangen sein wie in öffentlichen Internetcafes. Welche PolizeibeamtInnen mit welchen dienstlichen Accounts wann an einzelnen Rechnern saßen und – teils privat – z. B. im POLAS (POLizeiAskunftsSystem) abfragten lässt sich im Nachhinein nicht mehr ermitteln.

    Häufig werden POLAS-Daten (z. B. Adressen) einfach telefonisch an anfragende Sicherheitsfirmen und Detekteien übermittelt, wenn es bspw. um Ladendiebstahl, Hausverbote/ Hausfriedensbruch (nach Hausrecht) und Leistungserschleichung (“Schwarzfahren“) geht.

    Im Herbst 2001 wurde bekannt, dass ein Kriminalhauptkommissar der Polizeidirektion Bad Homburg und CDU-Kommunalpolitiker aus Nidda polizeiliche Daten an ein Sicherheitsunternehmen aus Frankfurt/ Main verkauft hat. Bis in die heutige Zeit sind gleichgelagerte Fälle (Stichwort: Sicherheitsunternehmen Asgaard, Hamm) im Bereich der hessischen Polizei bekannt geworden.

    Nun hat der hessische Innenminister Peter Beuth in der Frankfurter Rundschau (FR) vom 7.5.21 diesbezüglich eine Ankündigung gemacht: “(…) Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) kündigte an, unbefugte Abfragen von Polizeicomputern zu erschweren. (…)“

    Eine längst überfällige “(EDV-)Strukturveränderung“ im Bereich der hessischen Polizei wird – halbherzig – angekündigt. Was soll das? (…)“ (de.indymedia.org, 10.05.21)

    https://de.indymedia.org/node/148212

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