Widerstand gegen die Neufassung der Polizeigesetze – jetzt auch in Sachsen

Datenschutzrheinmain/ Oktober 3, 2018/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung, Videoüberwachung/ 1Kommentare

Am 18.08.2018 hat der sächsische CDU-Innenminister Roland Wöller die beabsichtigten Neuregelungen in den Polizeigesetzen für Sachsen – Polizeivollzugsdienstgesetz für die Landespolizei (SächsPVDG) und Polizeibehördengesetz (SächsPBG) für die Kommunen und Landkreise – vorgestellt. In ihren Ausmaßen und ihrer Härte stellen die beabsichtigten Veränderungen selbst das bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG) in den Schatten. In einer Veröffentlichung des sächsischen Innenministeriums wird dazu mitgeteilt: „Das neue Polizeivollzugsdienstgesetz enthält in seinen 107 Paragraphen… auch ein modernisiertes Eingriffsinstrumentarium. So sind im Rahmen der Gefahrenabwehr künftig umfassende Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung gestattet. Die Polizei darf im Einzelfall und unter richterlichem Vorbehalt Verkehrs- und Nutzungsdaten eines Betroffenen beim Telekommunikationsanbieter aber auch bei Online-Plattformen erfragen und auch die Inhalte von Gesprächen abhören. Hinzu kommt ein ganzes Bündel neuer oder erweiterter Befugnisse. Dies sind beispielsweise konkretisierte Observations- und neue Durchsuchungsmöglichkeiten sowie strafbewehrte Aufenthaltsanordnungen und Kontaktverbote. Eine Norm regelt die elektronische Aufenthaltsüberwachung von Gefährdern mittels Fußfessel. Die Videotechnologie erhält neue Einsatzgebiete, so auf Verkehrsrouten, die der grenzüberschreitenden Kriminalität zur Verschiebung von Diebesgut oder als Tatorte beispielsweise des Menschenhandels dienen. Die automatisierte Auswertung der Daten mittels Gesichtserkennung erschließt neue Maßnahmenkonzepte zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung. Für eine effektivere Terrorabwehr wird die Bewaffnung der Sächsischen Polizei erweitert. So sollen Spezialeinheiten in besonderen Einsatzsituationen auch über Waffen mit erforderlicher Reichweite und hoher Durchschlagskraft – zum Beispiel Maschinengewehre – verfügen…”

Gegen diese Gesetzesvorhaben entwickelt sich breiter Widerstand in Sachsen. In einem Aufruf, der von Untergliederungen von mehreren Parteien und von einer Vielzahl von Bürgerrechtsgruppen unterzeichnet wurde, werden die Neuregelungen in den sächsischen Polizeigesetzen insbesondere aus folgenden Gründen abgelehnt:

  1. Ausweitung der Videoüberwachung, insbesondere mit Gesichtserkennung
  2. Maßnahmen gegen sogenannte Gefährder sowie deren Kontakt- und Begleitpersonen
  3. Absenkung der Gefahrenschwellen
  4. Einführung der präventiven Telekommunikationsüberwachung
  5. Aufrüstung und Militarisierung der Polizei
  6. Abschwächung des Schutzes von Geheimnisträger:innen

Im Aufruf wird zusammenfassend festgestellt: „Die neuen Polizeigesetze greifen in die Grundrechte ein und können uns alle treffen. Es reicht bereits, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Doch es muss klar sein: manche wird es früher und härter treffen als andere – nämlich diejenigen, die bereits heute besonderes Ziel polizeilicher Eingriffe sind. Durch den im Polizeigesetz vorgesehenen Ausbau von Schleierfahndungen, die mit intelligenter Videoüberwachung und der präventiven gezielten Kontrolle von Personen kombiniert werden, wird beispielsweise die Möglichkeit rassistischer Polizeikontrollen erleichtert. Auch Wohnungslose, psychisch Kranke, politisch Aktive, Drogenkonsument:innen, Streikende, Fußballfans und viele weitere werden die Maßnahmen verstärkt zu spüren bekommen…“

„kreuzer — Das Leipzig Magazin“ hat informative Beiträge eines Verfassungsrechtlers an der juristischen Fakultät der Uni Leipzig zu den geplanten Neuregelungen im sächsischen Polizeirecht veröffentlicht,

1 Kommentar

  1. Am Entwurf des neuen sächsischen Polizeiaufgabengesetz (PAG) fällt auf, dass darin Rechtsgrundlagen (z. B. Paragraph 84 Absätze 3 und 4, Paragraph 88 Absatz 1) enthalten sind, um personenbezogene Daten von der Polizei an nichtöffentliche Stellen zu übermitteln. Im Bundesland Sachsen existiert seit vielen Jahren ein (landesweiter) Kooperationsvertrag zwischen der Polizei und privaten Sicherheitsdiensten; die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Sicherheitswirtschaft – der damit verbundene Informations- und Datenaustausch – wurde im Laufe der Jahre intensiviert. Beispiel: In der Stadt Plauen (Vogtlandkreis) wurde die kommunale, private »Citystreife« mit der Durchsetzung einer »Polizeiverordnung« beauftragt. Dieser private Sicherheitsdienst soll u. a. Alkoholverbote im öffentlichen Raum durchsetzen und ist offizieller Kooperationspartner der Polizei. Dies nennt sich dann »Public private security« bzw. »Police private security«. Auch im Computerbereich, beispielsweise im Bereich von »Cyberkriminalität«, greifen die Polizeibehörden gerne auf die Dienste privater Spezialisten zurück. Für die Bürgerinnen und Bürger ist nicht (!) transparent, welche Daten über sie gespeichert, weitergeleitet oder an »nichtöffentliche Stellen« – und vor allem zu welchen Zwecken – übermittelt werden. Diesbezüglich stellt sich die Frage: War der sächsische Landesbeauftragte für den Datenschutz beim Entwurf des neuen PAG beratend tätig oder nicht?

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