Verwaltungsgericht Wiesbaden: Erfassung von Fluggastdaten verstößt gegen europäisches Recht

Datenschutzrheinmain/ Mai 26, 2020/ alle Beiträge, Passenger Name Record / Fluggastdatenspeicherung, Polizei und Geheimdienste (BRD), staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Verbraucherdatenschutz/ 0Kommentare

Mit zwei Beschlüssen vom 13.05.2020 (Aktenzeichen: 6 K 805/19.WI) und vom 15.05.2020 (Aktenzeichen: 6 K 806/19.WI) hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden festgestellt, dass die Erfassung von Fluggastdaten gegen europäisches Recht verstößt.

Im ersten der beiden Fälle war der Kläger am 28.04.2019 von Frankfurt nach Bogota (Kolumbien) und am 07.05.2019 von Rio de Janeiro (Brasilien) zurück nach Frankfurt geflogen. Hinsichtlich dieser beiden Flüge begehrt er die Löschung seiner Daten beim Bundeskriminalamt. Das Gericht stellte in den Leitsätzen der Entscheidung dazu u. a. fest: „1. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 über die Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere mit Art. 7 und Art. 8 GRCh, vereinbar ist. 2. Die durch die Richtlinie (EU) 2016/681 vorgeschriebene anlasslose und massenhafte Verarbeitung von Fluggastdaten ist mit der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten vergleichbar. 3. Der automatisierte Abgleich personenbezogener Daten mit sogenannten Mustern und die 5-jährige Speicherung personenbezogener Daten stellen tiefgreifende Grundrechtseingriffe dar. Sie können deshalb allenfalls zur Bekämpfung von Terrorismus und besonders schwerer Kriminalität, nicht aber zur Verfolgung weniger schwerwiegender Delikte (sogenannter Beifang), als angemessene Mittel betrachtet werden. 4. … 5. Eine Pseudonymisierung gespeicherter personenbezogener Daten verringert den mit ihrer Speicherung verbunden Grundrechtseingriff, anders als eine Anonymisierung, nicht…“

Im zweiten Fall war der Kläger ein italienischer Staatsbürger mit Wohnsitz in Belgien. Er flog am 02.11.2019 innerhalb Europas von „A-Stadt“ nach „B-Stadt“ und am 05.11.2019 wieder zurück. Auch er begehrt die Feststellung, dass die Verarbeitung seiner Fluggastdaten betreffend diese Flüge rechtswidrig gewesen ist sowie die Löschung dieser Daten. Hier stellte das Gericht in den Leitsätzen der Entscheidung u. a. fest: „1. Die Erfassung von Fluggastdaten bei innereuropäischen Flügen verstößt gegen die innerhalb der Europäischen Union garantierte Freizügigkeit. 2. … 3. Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist das Gebot der Datensparsamkeit zu beachten. Es ist zweifelhaft, ob es mit diesem Gebot der Datensparsamkeit zu vereinbaren ist, wenn bei Flügen innerhalb der Europäischen Union die PNR-Daten von Fluggästen sowohl im Start- als auch im Zielland des jeweiligen Fluges verarbeitet und gespeichert werden. 4. In Deutschland sind Polizei und Nachrichtendienste strikt voneinander zu unterscheiden (sogenanntes Trennungsgebot). Für die Gefahrenabwehr ist ausschließlich die Polizei zuständig. Die Nachrichtendienste werden lediglich im Vorfeld tätig. Es ist daher zweifelhaft einem Nachrichtendienst, wie dem Bundesamt für Verfassungsschutz, zu gestatten, Fluggastdaten vom Bundeskriminalamt anzufordern oder entgegenzunehmen.“

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