Verwaltungsgericht Berlin: Vielzahl von Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz kann kein Grund zur Ablehnung von Anträgen sein
Neben den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder (in Hessen: Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz – HDSIG) stehen interessierten Bürger*innen mit dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) und dem Umweltinformationsgesetz (UIG) weitere Rechtsgrundlagen zur Verfügung, um bei Behörden Informationen einzuholen.
Dass Behörden es „wg. Arbeitsüberlastung“ ablehnen, Anfragen zu beantworten, ist kein Einzelfall. Dass aber Bürger*innen in solchen Fällen den Rechtsweg beschreiten, um „zu ihrem Recht“ zu kommen, pasiert eher selten. Aber es passiert. So in Berlin.
Ein Kläger rief das Verwaltungsgericht an, weil das Bezirksamt Pankow einen Antrag nach dem em Verbraucherinformationsgesetz (VIG) nicht bearbeiten wollte. In einer Pressemitteilung vom 03.12.2021 informiert das Verwaltungsgericht über den strittigen Sachverhalt und die Entscheidung des Gerichts:
„Der Kläger ist eine Privatperson. Im November 2019 beantragte er beim Bezirksamt Pankow über die Internetplattform ‚Topf Secret‘ die Herausgabe von Informationen über die beiden letzten lebensmittelrechtlichen Betriebsprüfungen und die dabei festgestellten Beanstandungen in einem bestimmten Betrieb nebst Übermittlung der entsprechenden Kontrollberichte. Dieses Begehren lehnte das Bezirksamt mit Bescheid aus dem Februar 2020 mit Verweis auf die von ‚Topf Secret‘ verfolgten politischen Kampagne, die Behörden lahmzulegen, ab. Zwar würde der Antrag des Klägers nur zwei bis drei Stunden Bearbeitungszeit kosten. Über diese Plattform seien nun jedoch mehrere hundert Anträgen gestellt worden, deren Abarbeitung insgesamt bis zu 1.800 Arbeitsstunden binden würde… Es liege deshalb ein gesetzlicher Ablehnungsgrund vor, weil ‚durch die Bearbeitung des Antrags die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt würde‘.“
„Die Ablehnung des Antrags sei rechtswidrig,“ so das Verwaltungsgericht, „da der vom Bezirksamt angenommene Ablehnungsgrund nicht vorliege. Wie sich aus dem Wortlaut der Norm und der Gesetzesbegründung ergebe, greife dieser nur ein, wenn einzelne Anträge einen außergewöhnlichen Aufwand und hohe Bearbeitungskosten verursachten. Das sei bei dem Antrag des Klägers, auf den allein abzustellen sei, jedoch nicht der Fall. Anträge anderer Privatpersonen, die ebenfalls die Plattform genutzt hätten, müsse sich der Kläger nicht zurechnen lassen. Unabhängig davon lasse sich die in der Sache vom Bezirksamt behauptete rechtsmissbräuchliche Absicht der Plattform auch nicht feststellen. Schließlich solle damit über die Veröffentlichung der Kontrollberichte die Transparenz hergestellt werden, die das zentrale Anliegen des Verbraucherinformationsgesetzes sei. Im Falle einer Vielzahl von Anfragen müsse die Abarbeitung ‚gestreckt‘ erfolgen. Dafür erforderliche Kapazitäten müssten nötigenfalls geschaffen werden…“
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17.11.2021 (Aktenzeichen: 14 K 153/20) ist derzeit noch nicht veröffentlicht.
Auch die Stadt Frankfurt boykottiert die Online-Plattform „Topf Secret“. Darauf machte Foodwatch, eine der beiden Organisationen, die die Plattform für Anfragen zur Verfügung stellen, im Januar 2020 aufmerksam. In einer Pressemitteilung ist zu lesen:
„Als eine der wenigen Behörden in Deutschland boykottiert die Stadt Frankfurt das Online-Portal ‚Topf Secret‘“, über das Bürgerinnen und Bürger die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen in Frankfurter Restaurants, Bäckereien und anderen Betrieben abfragen können. In den vergangenen Monaten lehnte die Behörde 450 Bürger-Anträge ab… In einem Muster-Fall legte foodwatch Widerspruch gegen die Ablehnung ein. Dem hat die Stadt Frankfurt nun überraschenderweise ‚in vollem Umfang‘ stattgegeben. Damit revidierte sie ihre negative Entscheidung und möchte die Kontrollergebnisse an foodwatch nun offenbar doch herausgeben…
Derzeit wird in Deutschland nur ein Bruchteil der Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrollen von Restaurants, Bäckereien und anderen Lebensmittelbetrieben aktiv durch die Behörden veröffentlicht. Auf www.topf-secret.foodwatch.de ist es für Bürgerinnen und Bürger seit rund einem Jahr jedoch möglich, auf Grundlage des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) amtliche Kontrollergebnisse abzufragen – auch solche, die die Behörden bislang geheim halten…“