Tübingen: Geplante Videoüberwachung am Busbahnhof ist voraussichtlich rechtswidrig
Das stellt der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg, Prof. Dr. Tobias Keber, in einer Pressemitteilung vom 24.07.2025 fest. Er hat erstmals gegenüber einer Kommune einen datenschutzrechtlichen Hinweis nach § 99 Abs. 1 Nr. 4 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW) erlassen.
Das PolG BW enthält in den §§ 97 – 99 (Datenschutzaufsicht) detaillierte Regelungen zu den Aufgaben und Befugnissen des Landesdatenschutzbeauftragten gegenüber den Polizeibehörden. Vergleichbare Regelungen sucht man im hessischen Polizeirecht (Hessisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz – HSOG) vergeblich. Sie sind – allgemeiner gehalten – in § 14 Abs 2 und 3 Hessisches Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) geregelt und geben der Datenschutzaufsicht in Hessen weniger Rechte gegenüber der Polizei als in Baden-Württemberg.
Der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg erklärt in seiner Pressemitteilung: „Im Februar dieses Jahres hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit aus Presseberichten Kenntnis von den Plänen der Stadt Tübingen erlangt, im Bereich des Busbahnhofs eine Videoüberwachung zu installieren. In der Folge hat der Landesbeauftragte die Stadt Tübingen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Vorhabens beraten. Im Ergebnis stellte der Landesbeauftragte fest, dass die rechtlichen Voraussetzungen nach § 44 Absatz 3 Polizeigesetz Baden-Württemberg für die geplante Videoüberwachung auf Grundlage der aktuellen Sachlage derzeit nicht vorliegen. Da die Stadtverwaltung Tübingen weiterhin an der geplanten Videoüberwachung festhält, hat der Landesbeauftragte die Stadtverwaltung gemäß § 99 Absatz 1 Nr. 4 Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolG BW) formell auf die voraussichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme hingewiesen. Es ist das erste Mal, dass der Landesbeauftragte von dieser Befugnis Gebrauch machen muss. Sollte die Stadt Tübingen diesem Hinweis nicht folgen, wird der Landesbeauftragte von seinen weiteren Befugnissen Gebrauch machen und den Rechtsweg beschreiten. Nach Prüfung der dem Landesbeauftragten übermittelten Zahlen zur Kriminalitätsbelastung sowie der Stellungnahme des zuständigen Polizeipräsidiums, konnte weder der nach dem Polizeirecht (§ 44 Absatz 3 Polizeigesetz Baden-Württemberg) erforderliche Kriminalitätsschwerpunkt festgestellt werden, noch wurden in Bezug auf die Kriminalitätsprognose Tatsachen vorgetragen, die eine entsprechende Videoüberwachung mitbegründen könnten; die hier zu berücksichtigenden Deliktzahlen sind im Jahr 2024 rückläufig. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, um eine Videoüberwachung polizeirechtlich zu rechtfertigen.“
Der Landesdatenschutzbeauftragte erklärt darüber hinaus: „Bei der Videoüberwachung handelt es sich um eine Maßnahme mit hoher Eingriffsintensität, da großflächig Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingeschränkt werden, die hierfür keinen Anlass gegeben haben. Ein solcher Grundrechtseingriff kann ausnahmsweise gerechtfertigt sein. Dazu bedarf es einer Rechtsgrundlage und deren tatbestandlichen Voraussetzungen müssen gegeben sein. Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Videoüberwachung am Busbahnhof in Tübingen sind derzeit nicht erfüllt…“