Telekommunikationsüberwachung bei Flüchtlingen und AsylbewerberInnen (I): Weitere Verschärfung des Ausnahmerechts geplant
Am 09.02.2017 fand in Berlin eine Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und –chefs der 16 Bundesländer zum Thema Asyl- und Flüchtlingspolitik statt. Im Rahmen eines dort beschlossenen Maßnahmepakets wurde u. a. eine Verschärfung des Sonderrechts bei der Überwachung von Telekommunikationsdaten von Flüchtlingen und AsylbewerberInnen beschlossen. Punkt 1 h) dieses Maßnahmepakets lautet: „Schaffung einer Rechtsgrundlage im Asylgesetz durch entsprechende Verweisung auf die einschlägigen Regelungen im Aufenthaltsgesetz, damit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – ebenso wie bereits die Ausländerbehörden – zur Sicherung, Feststellung und Überprüfung der Identität einschließlich der Staatsangehörigkeit von Asylsuchenden Daten aus mobilen Endgeräten und auf SIM-Karten herausverlangen und auswerten kann. Der Bund prüft im weiteren Gesetzgebungsverfahren, ob Daten einbezogen werden können, die der Überprüfung der für die Entscheidung über den Asylantrag maßgeblichen Angaben dienen.“
Mit dieser Maßnahme würde das Sonderrecht für ausländische Staatsbürgerinnen ausgeweitet, das in § 48 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz bereits länger besteht: „Besitzt der Ausländer keinen gültigen Pass oder Passersatz, ist er verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden, sonstigen Unterlagen und Datenträger, die für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen. Kommt der Ausländer seiner Verpflichtung nicht nach und bestehen tatsächliche Anhaltspunkte, dass er im Besitz solcher Unterlagen oder Datenträger ist, können er und die von ihm mitgeführten Sachen durchsucht werden. Der Ausländer hat die Maßnahme zu dulden.“
Im Jahr 2015 wurde diese Vorschrift mit § 48 Abs. 3a Aufenthaltsgesetz erweitert. Mit dem am 09.02.2017 beschlossenen Maßnahmepaket für Flüchtlinge und AsylbewerberInnen soll dieser Ausnahmetatbestand erneut verschärft werden.
PRO ASYL stellt deshalb in einer Stellungnahme vom 10.02.2017 zu diesem Teil des Maßnahmeplans von Bund und Ländern fest: „Das geplante Gesetz sieht auch vor, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits im Asylverfahren zur Überprüfung der Identität von Asylsuchenden auf Daten aus ihren mobilen Endgeräten und auf SIM-Karten Zugriff haben soll. Außerdem soll geprüft werden, ob weitere Datenauswertungen vorgenommen werden können, wenn dies angeblich der Überprüfung der ‚für die Entscheidung über den Asylantrag maßgeblichen Angaben‘ dient. Gerade dieser Passus ist sehr unbestimmt gehalten… Die Regelung ermöglicht en passant einen umfassenden Zugriff des BAMF auf private Daten von Geflüchteten, die möglicherweise zu sachfremden Zwecken verwendet werden könnten. Aus der Perspektive von Geflüchteten, die aus autoritären Regimen geflohen sind, dürfte es zusätzlich irritierend sein, wenn von ihnen in Deutschland umfassend private Daten herausverlangt werden.“
Die Verteidigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung muss gleichermaßen für Deutsche wie für in Deutschland lebende AusländerInnen gelten – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Nicht umsonst lautet Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Bei allem gebotenen Verständnis für die o. a. Problematik muss dennoch die Frage erlaubt sein, in wie weit und mit welchen Mitteln unser Staat das Recht hat und anwenden kann, die „Sicherung, Feststellung und Überprüfung“ von denjenigen Migranten zu ver – und erlangen, die über sichere Drittländer und aus EU – Staaten kommen und Einlass in unsere Sozialsysteme begehren.