Sozialdatenschutz in Jobcentern und Arbeitsagenturen und die „Freiwilligkeit“ bei der Verarbeitung teils intimer personenbezogener Daten

Sozial-Datenschutz/ Dezember 16, 2021/ alle Beiträge, Jobcenter Main-Taunus-Kreis, Jobcenter MainArbeit Stadt Offenbach, Jobcenter Pro Arbeit Landkreis Offenbach, Sozialdatenschutz/ 0Kommentare

In einer Internen Arbeitshilfe der Bundesagentur für Arbeit (BA) für die Mitarbeiter*innen „Beispiele möglicher Datenübermittlung von der Agentur für Arbeit an das Jobcenter“ wird in insgesamt 15 Themenbereichen aufgelistet, welche Arten von Daten auf welcher Rechtsgrundlage von minderjährigen und anderen jungen Erwerbslosen legal verarbeitet werden dürfen. Was auffällt: In neun der 15 Themenbereiche wird auf Daten verwiesen, die nur mit Zustimmung der Betroffenen erhoben und verarbeitet werden dürfen. Dies sind Daten zu

  • Telefonnummer, E-Mail-Adresse;
  • neue Lebenssituation, besondere Ereignisse in der Familie (Sterbefälle, schwere Erkrankungen Angehöriger/engster Freunde), Schulden, …;
  • im Fachgutachten der BA ärztlich festgestellte Suchtproblematik (Alkohol, BTM, Spielsucht, Magersucht usw.), Einschränkungen, Behinderungen;
  • Suchtproblematik, z. B. Alkohol, BTM, Spielsucht, Magersucht, Lernbeeinträchtigung (LRS, Dyskalkulie);
  • häusliches Wohnumfeld (Lernbedingungen);
  • festgestellte Verhaltensauffälligkeiten durch Gutachten (z. B. Festgestellte Lernbehinderung);
  • Jugend-/Haftstrafen, Delikt – sofern Angabe für den Zielberuf nicht unmittelbar relevant, lfd. Bewährung/Bewährungshilfe, Ableistung Sozialstunden;
  • Hintergründe für Ausbildungsabbruch oder Beendigung von Arbeitsverhältnis;
  • Eignungsfeststellung durch den ärztlichen oder psychologischen Dienst nach § 32 SGB III

In der Arbeitshilfe der BA wird zwar bei diesen Themenbereichen jeweils auf Art. 4 Nr. 11 und Art. 7 DSGVO verwiesen. Versäumt wird aber, die Mitarbeiter*innen der BA auf Erwägungsgrund 43 DSGVO (Zwanglose Einwilligung) hinzuweisen. Darin wird unmissverständlich festgestellt: Um sicherzustellen, dass die Einwilligung freiwillig erfolgt ist, sollte diese in besonderen Fällen, wenn zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen ein klares Ungleichgewicht besteht, insbesondere wenn es sich bei dem Verantwortlichen um eine Behörde handelt, und es deshalb in Anbetracht aller Umstände in dem speziellen Fall unwahrscheinlich ist, dass die Einwilligung freiwillig gegeben wurde, keine gültige Rechtsgrundlage liefern.“ Und versäumt wird auch, die Mitarbeiter*innen der BA auf Art. 9 DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten“) hinzuweisen, mit der z. B. die „Verarbeitung personenbezogener Daten… Gesundheitsdaten…“ grundsätzlich untersagt und nur in sehr engen Grenzen erlaubt ist.

Wer die Verhältnisse in den Arbeitsagenturen und Jobcentern kennt, kennt auch die dort extrem ungleichgewichtigen Positionen von „Behörde“ einerseits und Antragsteller*innen auf steuerfinanzierte Leistungen für den Lebensunterhalt und die berufliche Qualifizierung andererseits. Insoweit liest sich diese Arbeitshilfe der BA wie eine Anleitung für die Mitarbeiter*innen, welche „freiwilligen Angaben“ von den Menschen „vor den Schreibtischen“ erpresst werden können und sollen.


Die Redaktion dieser Homepage bedankt sich bei der Erwerbslosen-Aktivistin Inge Hannemann für den Hinweis auf die hier bewertete Interne Arbeitshilfe der BA.

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