Rundfunkbeitragsstaatsvertrag: Die 16 Ministerpräsidenten der Länder und die GEZ hebeln den Datenschutz aus

Datenschutzrheinmain/ Oktober 11, 2012/ ARD-ZDF-Beitragsservice (früher: GEZ)/ 3Kommentare

Mit dem Fünfzehnten Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge haben die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer (abgesegnet durch Mehrheiten in den jeweiligen Landesparlamenten) den „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“ aus der Taufe gehoben. Er tritt am 1. Januar 2013 in Kraft und bringt eine Fülle von Veränderungen mit sich.

Gegen diesen „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“ regt sich bundesweit Protest und Widerstand. Aus Gründen eigener Betroffenheit (Beitragserhöhung!), aus sozialpolitscher, medien- und verfassungsrechtlicher; aber auch aus datenschutzrechtlicher Sicht.

Gegenstand dieses Beitrag soll ausschließlich die datenschutzrechtliche Problematik sein, die sich mit dem „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“ auftut; zudem beschränkt sich der Beitrag auf die datenschutzrechtlichen Probleme von Wohnungsinhabern (Eigentümer / Mieter); es wird darauf verzichtet, auf gleiche oder ähnliche Problemlagen  von GEZ-beitragspflichtigen Unternehmen einzugehen.

Teilweise gehen die künftig geltenden Regelungen noch weit über die bereits jetzt bestehenden datenschutzrechtlich fragwürdigen Bestimmungen und die daraus abgeleiteten Verhaltensweisen der GEZ (Gebühreneinzugszentrale) hinaus.

Der Verfasser stützt sich bei diesem Beitrag auf 2 Stellungnahmen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die diese am 15.09.2010 und am 11.10.2010 abgegeben haben.

Diese bewerten den damals noch als Entwurf vorliegenden Vertragstext am 15.09.2010 wie folgt:

„Aus datenschutzrechtlicher Sicht widersprechen die Datenverarbeitungsbefugnisse… durch zu umfangreiche Ermächtigungen der Rundfunkanstalten und ihrer Hilfsorgane den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Datensparsamkeit sowie den Grundsätzen der Normenklarheit und Transparenz.“

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fassen ihre Kritik am 11.10.2010 in 5 Punkten zusammen:

  1. Die Datenerhebung bei Wohnungsinhabern fragt personenbezogene Daten ab, die für die Prüfung der Beitragspflicht nicht erheblich sind.
  2. Der Grundsatz, Daten direkt bei den betroffenen Bürger/innen zu erheben, wird in einer rechtlich ausgesprochen fragwürdigen und Interpretationsspielräume öffnenden Weise missachtet.
  3. Auf die für einen bundesweit einheitlichen Stichtag im Jahr 2013 geplante Übermittlung aller an diesem Tag vorhandenen Meldedaten bei allen Meldeämtern der Republik an die GEZ soll verzichtet werden.
  4. Auf den ab 01.01.2015 möglichen Datenkauf beim gewerblichen Adresshandel soll ebenfalls verzichtet werden.
  5. Bei Anträgen von Wohnungsinhabern auf Befreiung von Rundfunkgebühren aus sozialen Gründen soll auf die Vorlage des vollständigen Bescheids der jeweils zuständigen Behörde verzichtet werden; es soll lediglich ein Befreiungstatbestand bescheinigt werden.

Keiner dieser Kritikpunkte wurden von den 16 Ministerpräsidenten und den Mehrheiten in 16 Landesparlamenten berücksichtigt!

Der Datenschutz kommt unter die Räder, die GEZ walzt ihn platt!

Das zeigt der Blick in einige §§ des „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“.

 

In § 2 Abs.1 fängt es datenschutzrechtlich noch harmlos an:

„Im privaten Bereich ist für jede Wohnung von deren Inhaber (Beitragsschuldner) ein Rundfunkbeitrag zu entrichten.“

Aber bereits in § 8 Abs. 1, 4 und 5 wird es deutlich, was alles gegenüber der GEZ offenbart werden soll:

„(1) Das Innehaben einer Wohnung… ist unverzüglich schriftlich der zuständigen Landesrundfunkanstalt anzuzeigen (Anmeldung); entsprechendes gilt für jede Änderung der Daten…

(4) Bei der Anzeige hat der Beitragsschuldner der zuständigen Landesrundfunkanstalt folgende, im Einzelfall erforderliche Daten mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen:

  1. Vor- und Familienname sowie früherer Namen, unter denen eine Anmeldung bestand,
  2. Tag der Geburt,
  3. gegenwärtige Anschrift…  jeder Wohnung, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung,
  4. letzte der Landesrundfunkanstalt gemeldete Anschrift des Beitragsschuldners,
  5. Beitragsnummer,
  6. Datum des Beginns des Innehabens der Wohnung…

(5) Bei der Abmeldung sind zusätzlich folgende Daten mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen:

  1. Datum des Endes des Innehabens der Wohnung…
  2. der die Abmeldung begründende Lebenssachverhalt und
  3. die Beitragsnummer des für die neue Wohnung in Anspruch genommenen Beitragsschuldners.“

Und in § 9 Abs. 1 vereinbaren die Ministerpräsidenten:

„Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann von jedem Beitragsschuldner oder von Personen oder Rechtsträgern, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie Beitragsschuldner sind und dies nicht oder nicht umfassend angezeigt haben, Auskunft über die in § 8 Abs. 4 genannten Daten verlangen…“

 

Fazit:

Die bisherige GEZ-Schnüffelpraxis lässt grüßen und geht ungebremst weiter…

Und dann geht es fröhlich weiter mit Regelungen, die die Ausschnüffelung der Bürger/innen ohne deren Kenntnis möglich machen sollen. In § 14 Abs. 9 und 10 „Rundfunkbeitragsstaatsvertrag“. :

„(9) Um einen einmaligen Abgleich zum Zwecke der Bestands- und Ersterfassung zu ermöglichen, übermittelt jede Meldebehörde für einen bundesweit einheitlichen Stichtag automatisiert innerhalb von längstens zwei Jahren ab dem Inkrafttreten dieses Staatsvertrages gegen Kostenerstattung einmalig in standardisierter Form die nachfolgenden Daten aller volljährigen Personen an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt:

1. Familienname,

2. Vornamen unter Bezeichnung des Rufnamens,

3. frühere Namen,

4. Doktorgrad,

5. Familienstand,

6. Tag der Geburt,

7. gegenwärtige und letzte Anschrift von Haupt- und Nebenwohnungen, einschließlich aller vorhandenen Angaben zur Lage der Wohnung, und

8. Tag des Einzugs in die Wohnung.

Hat die zuständige Landesrundfunkanstalt nach dem Abgleich für eine Wohnung einen Beitragsschuldner festgestellt, hat sie die Daten der übrigen dort wohnenden

Personen unverzüglich zu löschen, sobald das Beitragskonto ausgeglichen ist. Im Übrigen darf sie die Daten zur Feststellung eines Beitragsschuldners für eine Wohnung nutzen, für die bislang kein Beitragsschuldner festgestellt wurde… Die Landesrundfunkanstalt darf die Daten auch zur Aktualisierung oder Ergänzung von bereits vorhandenen Teilnehmerdaten nutzen…

(10) Die Landesrundfunkanstalten dürfen bis zum 31. Dezember 2014 keine Adressdaten privater Personen ankaufen.“

Ab 1. Januar 2015 kann die GEZ dann frisch-fromm-fröhlich-frei in den Adresshandel einsteigen…

Aber es geht noch weiter. In § 11 Abs. 4 lesen wir:

„Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann im Wege des Ersuchens für Zwecke der Beitragserhebung sowie zur Feststellung, ob eine Beitragspflicht nach diesem Staatsvertrag besteht, personenbezogene Daten bei öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen ohne Kenntnis des Betroffenen erheben, verarbeiten oder nutzen. Voraussetzung dafür ist, dass

  1. die Datenbestände dazu geeignet sind, Rückschlüsse auf die Beitragspflicht zuzulassen, insbesondere durch Abgleich mit dem Bestand der bei den Landesrundfunkanstalten gemeldeten Beitragsschuldner…“

Das wird die Phantasie in der Führungsspitze der GEZ anregen. Wen man da alles anfragen kann !?!?!

Ein doppelter Skandal!

  1. Erhebung personenbezogener Daten bei Dritten ohne Kenntnis der Betroffenen.
  2. Die nichtöffentlichen Stellen sind nicht benannt oder eingegrenzt.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben dazu am 15.09.2010 wie folgt Stellung genommen:

„Es kommen also alle denkbaren Möglichkeiten, wie zum Beispiel Arbeitgeber, Versicherungen, Versandhäuser, Inkassounternehmen und Auskunfteien in Betracht.“

Der Verfasser ist sich sicher: In der Führungsspitze der GEZ hat die Diskussion begonnen, welche weiteren privaten Quellen für die Datensammelwut noch angezapft werden können.

Richtig heftig wird der Skandal, wenn es um das Verhältnis der GEZ zu armen und behinderten Menschen geht, die sich erdreisten, einen Antrag auf Gebührenbefreiung zu stellen.

Ein Blick in § 4 Abs. 7 des Vertragswerks der 16 Ministerpräsidenten:

„Der Antrag auf Befreiung oder Ermäßigung ist vom Beitragsschuldner schriftlich bei der zuständigen Landesrundfunkanstalt zu stellen. Die Voraussetzungen für die Befreiung oder Ermäßigung sind durch die entsprechende Bestätigung der Behörde oder des Leistungsträgers im Original oder durch den entsprechenden Bescheid im Original oder in beglaubigter Kopie nachzuweisen…“

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben zu dieser Passage des damals als Entwurf vorliegenden Vertragstexts am 15.09.2010 wie folgt Stellung genommen:

 „Der Entwurf orientiert sich dabei ausschließlich an praktischen Belangen der Rundfunkanstalten, wonach die gesamte Eingangspost bei der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingescannt wird. Nur deshalb erfolgt eine vollständige Erfassung der Bescheide. Nach eigenen Aussagen der GEZ ist bei dieser Verfahrensweise eine partielle Löschung nicht benötigter Daten nicht möglich. Allein deshalb werden auch sensitive Gesundheits- und / oder Sozialdaten gespeichert, die von niemandem bestritten für die Entscheidung über eine Beitragsbefreiung nicht erforderlich sind.

Dier Verarbeitung nicht erforderlicher Daten widerspricht jedoch den Grundsätzen unserer Datenschutzordnung, insbesondere dem Grundsatz der Datensparsamkeit… das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung die Geltung des sich durch das Datenschutzrecht weithin durchziehenden Grundsatzes der Datensparsamkeit zum Ausdruck gebracht…“

Dieser Rundfunkbeitragsstaatsvertrag verdient Protest und Widerstand!

Wer sich genauer mit der Materie beschäftigen möchte, kann hier folgende Unterlagen einsehen:

3 Kommentare

  1. http://www.welt.de/wirtschaft/article109668720/GEZ-will-Buerger-kuenftig-noch-staerker-ausforschen.html

    Hier finden sich einige weitere Informationen zu den datenschutzrechtlichen Problemen beim GEZ-Beitrag und Hinweise zu fragwürdigen Geschäftspraktiken der GEZ

  2. Die Piraten kritisiern: Die GEZ-Datenbank ist ein Schatten-Melderegister.

    Sie fordern die Rücknahme der Neuregelungen. Dass nicht mehr nur einzelne Beitragszahler, sondern ganze Haushalte inklusive Zweitwohnungen und Dienstwagen erfasst werden sei eine Datenschutzkatastrophe – ebenso wie die Übernahme zweifelhafter Praktiken aus den Vorjahren.

    Die gesamte Stellungnahme hier nachlesen: http://www.piratenpartei.de/2013/01/03/das-offentlich-rechtliche-fernsehen-auf-gerechtigkeitskurs/
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