Landkreis Offenbach: Völlig unzureichende Informationsfreiheitssatzung zur Beschlussfassung vorgelegt

Transparenz/ Oktober 7, 2022/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, Regionales/ 0 comments

Im Dezember 2020 beschloss der Kreistag des Landkreises Offenbach auf Antrag der Fraktion der Freien Wähler, den Kreisausschuss mit der Erarbeitung einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung zu beauftragen. Der Beschluss des Kreistags im Wortlaut:

  1. Der Kreisausschuss wird beauftragt zu prüfen, wie eine Satzung zur kommunalen Anwendbarkeit des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetz (HDISG) rechtssicher formuliert sein muss, um zu gewährleisten, dass das HDISG möglichst weitgehend auch für den Kreis Offenbach und ihre kommunalen Einrichtungen Anwendung findet.
  2. Weiterhin wird der Kreisausschuss beauftragt dem Kreistag einen Satzungsentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen. Dabei muss die Satzung einen niedrigschwelligen, aber rechtlich zulässigen Zugriff auf vorhandene amtliche Informationen ermöglichen und sicherstellen.“

Bei Stimmenthaltung der Fraktionen von AfD, Bündnis 90 / Die Grünen und Die Linke wurde dem von der Fraktion Freie Wähler eingebrachten Antrag zugestimmt. Und dann – für fast zwei Jahre: Still ruht der See!. Für die Kreistagssitzung am 19.10.2021 legte der Kreisausschuss jetzt einen Entwurf für eine Informationsfreiheitssatzung und eine dazu gehörende Beschlussvorlage mit Begründungen und Erläuterungen vor.

Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen – so lässt sich das Ergebnis zusammenfassen: Drei Paragraphen umfasst die Satzung, am umfangreichsten ausformuliert ist § 2 (Kosten). Und dies in einer juristischen Sprache und mit Verweisen auf andere Rechtsquellen, die es interessierten, aber juristisch nicht bewanderten Bürger*innen schwer macht, zu erkennen, welche Kosten ihnen entstehen können, wenn sie eine Informationsfreiheitsanfrage an die Kreisverwaltung richten.

In der Beschlussvorlage mit Begründungen und Erläuterungen werden weitere Fallstricke und Unzulänglichkeiten deutlich.

  • Die Satzung regelt die Anwendbarkeit der Vorschriften des Vierten Teils des HDSIG auch für den Landkreis Offenbach…“ Im Transparenzranking Deutschland belegt Hessen abgeschlagen den letzten Platz unter allen Bundes- und Landesgesetzen zur Informationsfreiheit und Transparenz in Deutschland. Die Bezugnahme des Satzungsentwurfs  auf das HDSIG macht daher deutlich: Diese Regelungen sind völlig unzureichend, wenn Transparenz hergestellt und Informationsfreiheit sichergestellt werden soll.
  • Nicht ausdrücklich erfasst sind die Beteiligungen des Kreises Offenbach, die Pro Arbeit – Kreis Offenbach – AöR sowie der Eigenbetrieb mit Blick auf die eigenständigen Strukturen sowie die gesellschaftsrechtlichen Regelungen und die Geschäftsinteressen der Gesellschaften.“ Dies bedeutet, dass – bezogen auf Pro Arbeit, das kommunale Jobcenter des Landkreises Offenbach – weiterhin keine Informationsfreiheit besteht, so dass Arbeits- und Dienstanweisungen, Richtlinien und Ausführungsbestimmungen, die von der Leitung des Jobcenters erlassen werden, weiterhin nicht öffentlich zugänglich sein werden, auch nicht für die davon betroffenen Antragsteller*inen auf Leistungen nach SGB II. Bezogen auf den kommunalen Eigenbetrieb Rettungsdienst des Kreises Offenbach erscheint es zweifelhaft, ob es auf der Grundlage des Hessischen Eigenbetriebsgesetzes möglich ist, diesen Eigenbetrieb aus dem Geltungsbereich der Informationsfreiheitssatzung auszuschließen.
  • Die Satzung beschränkt den Informationszugangsanspruch auf Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises sowie auf juristische Personen mit Sitz im Landkreis. Ebenso zugangsberechtigt sind Grundbesitzer und Gewerbetreibende, die nicht im Landkreis wohnen, aber deren Grundbesitz oder Gewerbebetrieb im Landkreis gelegen ist…“ Damit sind zum Einen anonymisierte oder pseudonymisierte Anfragen interessierter Bürger*innen nicht möglich, wie dies nach den Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) und auch des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) – auf das sich der Satzungsentwurf bezieht – unproblematisch möglich ist. Zum Anderen sind damit auch Einwohner*innen benachbarter Kommunen aus angrenzenden Landkreisen und kreisfreien Städten, deren Interessen von Planungen und Entscheidungen des Landkreises berührt sind, von einem Informationsanspruch ausgeschlossen.

Im Interesse einer bürger*innenfreundlichen und transparenten Informationspolitik des Landkreises Offenbach idst es darüber hinaus geboten, mindestens noch folgende Ergänzungen in die Satzung aufzunehmen:

  • Ausnahmslos alle Informationen, die der Kreisverwaltung vorliegen und die a) keine personenbezogene Daten betreffen, b) nicht in Verschlusssachen enthalten sind, c) keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, in deren Offenbarung die oder der Betroffene nicht eingewilligt hat oder d) einem Berufs- oder besonderem Amtsgeheimnis unterliegen, sind proaktiv durch den Kreisausschuss in geeigneter Form auf einer Transparenzplattform zu veröffentlichen. Dies dient einerseits einer transparenten Informationspolitik, andererseits aber auch einer Entlastung der kommunalen Beschäftigten von einer (unnötig) erhöhten Anzahl von einzelnen Anfragen.
  • Die Kostenregelung für Auskünfte darf nicht abschreckend auf antragstellende Bürger*innen wirken.
  • Mit der Schaffung einer Ombudsstelle bzw. der Funktion einer/eines Informationsfreiheitsbeauftragten würde sichergestellt, dass sowohl anfragenden Bürger*innen und juristischen Personen als auch den Beschäftigten der Gemeindeverwaltung eine kompetente Beratung bei Fragen und/oder Konflikten zur Verfügung stehen würde.

Diese und weitere wichtige Punkte hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in einem Entwurf für eine kommunale Transparenz- und Informationsfreiheitssatzung zusammengefasst. Dieser Satzungsentwurf wurde den kommunalen Spitzenverbänden in Hessen und dem Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsbeauftragten zur Kenntnis gegeben. Letzterer hat in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht (dort S. 259 – 261) dazu Stellung genommen.

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