Landesarbeitsgericht Hessen: Betriebsrat hat Anspruch auf Einsicht in Beschäftigtendaten

Datenschutzrheinmain/ April 16, 2019/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz/ 0Kommentare

Ein Unternehmen muss dem Betriebsrat Auskunft erteilen, an wen und in welcher Höhe er Sonderzahlungen geleistet hat – auch gegen den Willen der betroffenen Arbeitnehmer. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen mit Urteil vom 10.12.2018 (Aktenzeichen: 16 TaBV 130/18) festgestellt.

Der Gegenstand des Rechtsstreits: Der Betriebsrat einer Klinik verlangt vom Arbeitgeber Auskunft darüber, in welchem Umfang er Sonderzahlungen an bestimmte Beschäftigte geleistet hat. Der Betriebsrat führt aus, er benötige die Auskünfte, um das gesamte Vergütungssystem im Betrieb überwachen zu können und um seine Mitbestimmungsrechte zu wahren (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Der Arbeitgeber gewährte dem Betriebsrat daraufhin lediglich Einblick in die Bruttoentgeltlisten (§ 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG). Er vertrat die Auffassung, damit habe er seiner Pflicht genügt. Weitere Auskünfte wollte der Arbeitgeber – auch mit Blick auf Datenschutzrechte der Beschäftigten – nicht erteilen.

Die Entscheidung des LAG Hessen: Der Betriebsrat hat zwei voneinander zu unterscheidende Auskunftsansprüche, die beide zu erfüllen sind: 1. Anspruch auf Einblick in die Bruttolohnlisten (§ 80 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BetrVG); 2. Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Durch die Gewährung der Einsichtnahme in die Lohnlisten erfüllt das Unternehmen noch nicht das weitergehende Unterrichtungsrecht des Betriebsrats (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Denn die Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat „rechtzeitig und umfassend zu unterrichten“, geht über die bloße Einsichtnahme hinaus. In der Regel muss der Arbeitgeber diese Auskünfte schriftlich erteilen.

In der Urteilsbegründung wird ausgeführt: „ kann sich der Betriebsrat für sein Begehren auch auf § 80 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG berufen, weil er darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Bundesarbeitsgericht 26. September 2017 –1 ABR 27/16– Rn. 16; 14. Januar 2014 –1 ABR 54/12– Rn. 23). Für die Wahrnehmung seiner Aufgabe, auf die Herstellung innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit hinzuwirken, benötigt er die Kenntnis effektiv gezahlter Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann. Daher ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Einsichtsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BetrVG in die Brutttoentgeltlisten auch dann besteht, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer welche Entgeltbestandteile erhalten und wie hoch diese sind. Die Grenze des Einsichtsrecht liegt dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt (Bundesarbeitsgericht 26. September 2017 –1 ABR 27/16– Rn. 17). Entsprechendes gilt auch für den Auskunftsanspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG über Zulagen, Prämien, Gratifikationen, Provisionen und sonstige Sonderzahlungen.“

Datenschutzrechtliche Bedenken sieht das LAG Hessen nicht. Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber Daten über die zu zahlende Vergütung an die Mitarbeiter erheben (Datenerhebung im Sinne des § 26 Abs. 2 BDSG). Die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten durch den Arbeitgeber ist datenschutzrechtlich unbedenklich. § 26 Abs. 6 BDSG regelt, dass die Rechte des Betriebsrats aus dem BetrVG unberührt bleiben. Daraus folgt nach Bewertung des LAG Hessen, dass ein Unternehmen berechtigt und verpflichtet ist – ggf. auch gegen den Willen der betroffenen Beschäftigten – deren personenbezogene Daten im Rahmen der dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben an den Betriebsrat weiterzuleiten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – eine Nichtzulassungsbeschwerde des Arbeitgebers ist noch beim Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig.

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