Hauptwache und/oder Allerheiligenviertel? Koalitionspolitisches Geschacher um die Ausweitung der Videoüberwachung in Frankfurt
Im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen in Frankfurt vom Mai 2016 wurde unter dem Punkt „Nutzung moderner Videotechnik“ vereinbart: „Das Polizeipräsidium schlägt aufgrund der allgemeinen Kriminalitätslage und wegen der anhaltend hohen Gefährdungslage durch islamistischen Terrorismus weitere Videoanlagen zur Bildübertragung im öffentlichen Raum vor. Darüber hinaus sind die vorhandenen zwei Anlagen technisch veraltet. Die Stadt wird gemeinsam mit dem Polizeipräsidium an einer Verbesserung der vorhandenen Situation arbeiten und die Vorschläge der Landespolizei für zwei weitere Standorte, einen im Bahnhofsviertel und einen (zu nächst zeitlich auf 1 Jahr begrenzten und zu evaluierenden) im Allerheiligenviertel, übernehmen.“
Dem vorausgegangen war in der Endphase des Kommunalwahlkampfs die von der CDU Frankfurt unterstützte Forderung des Frankfurter Polizeipräsidenten nach Ausweitung polizeilicher Kameraanlagen in der Frankfurter Innenstadt von zwei auf sechs. Ende 2016 forderte dann der damalige Frankfurter CDU-Vorsitzende – in Abweichung von der Koalitionsvereinbarung – die Installation polizeilicher Videoüberwachungsanlagen an der Hauptwache,am Römer und auf der Zeil. Der Frankfurter Polizeipräsident wiederum erneuerte bei mehreren Anlässen – u. a. beim Parteitag der Frankfurter SPD im Mai 2017 – die Forderung nach Ausbau der Videoüberwachung an der Hauptwache.
Aktuellen Berichten der Fr. Allg. Zeitung (FAZ) und der Fr. Neuen Presse (FNP) ist zu entnehmen, dass es dem Polizeipräsidium und der CDU Frankfurt gelingen könnte, einen Ausbau polizeilicher Videoüberwachung über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen hinaus durchzusetzen. Ursula Busch, Fraktionsvorsitzende der SPD, erklärte lt. FAZ bei einem Rundgang im kriminalitätsbelasteten Allerheiligenviertel: „Es wird Zeit, dass nun endlich gehandelt wird.“ Lt. FAZ meint sie damit vor allem die Kameraanlage, die die Koalition aus CDU, SPD und Grünen in ihrem Vertrag vereinbart hat. „Die Frage ist ja, wie viel uns unsere Sicherheit wert ist und welche persönlichen Eingriffe wir dazu in Kauf nehmen“, sagte Busch lt. FAZ „Ich plädiere dafür, dass sich die Koalition dafür entscheiden wird, dass man abends wieder sicher über die Straße gehen kann.“ Die FAZ verknüpft die Videoüberwachung im Allerheiligenviertel mit den Forderungen nach Videoüberwachung an der Hauptwache: „Als die Hauptwache wegen der zunehmenden Terrorgefahr als weiterer Kamera-Standort diskutiert wurde, beharrten die Grünen darauf, dass es bei zwei neuen Anlagen bleiben solle – nach dem Motto: Wenn die Hauptwache kommt und zusätzlich noch die ohnehin beschlossene Videoanlage im Bahnhofsviertel errichtet wird, dann reicht das. Entfallen würde dann der Standort Allerheiligenstraße…“ Bedauerlicher Weise scheint auch die Fraktion der Grünen zwischenzeitlich einknicken zu wollen. Die FNP zitiert die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen, Jessica Purkhardt, mit den Worten, „dass im Koalitionsvertrag nur zwei neue Standorte festgelegt seien. Derzeit tendiere die Fraktion dazu, die zwei Orte zu befürworten, die die Polizei priorisiere. Wenn die Hauptwache aus Sicht der Polizei wichtiger sei als das Allerheiligenviertel, dann müsse der letztgenannte Standort eben entfallen…“ Dies liest sich so, als ob die Grüne Stadtverordnetenfraktion der Videoüberwachung der Hauptwache – entgegen dem Koalitionsvertrag – zustimmen wird.
Bedauerlich, dass kritische Stimmen zum Thema Videoüberwachung in der seit Monaten hysterischen Diskussion unterzugehen drohen. Andreas Laeuen, Fraktionsvorsitzender der Grünen im zuständigen Ortsbeirat, kommentiert die Situation im Allerheiligenviertel in einem Kommentar in die FNP wie folgt: „Ich wohne seit 1982 im Viertel. Ihrem Kommentator muss man zu Gute halten, dass er als Betroffener nicht erlebte, was im Viertel geschah, nachdem Kameras an der Konstablewache installiert wurden. Tage danach standen die Drogenhändler in der damals noch gut situierten Klinger- und Allerheiligenstraße. Wieder sollen Kameras diese Leute vertreiben. Wohin? Zum Dom? Rechneigraben? Sachsenhausen? Oeder Weg? Besser wäre es, diese Drogen zu legaliseren und in Apotheken und über ähnliche Kanäle zu vertreiben. Damit würde den Dealern die Geschäftsgrundlage entzogen und niemand müsste sich um die demnächst betroffenen Gebieten sorgen. Die Grünen zögern nicht aus Misstrauen der Polizei (auch dort gibt kamerakritische Stimmen) gegenüber sondern weil so das Problem nicht gelöst wird…“ Die FNP zitiert die Leiterin des 1. Polizeireviers in Frankfurt – auch zuständig für das Allerheiligenviertel – mit den Worten „dass die Polizei mit Hilfe einer Videoüberwachungsanlage noch mehr Straftäter ermitteln könnte. Sie betonte aber auch, dass eine Kamera, deren Aufnahmen gesichtet werden, auch dazu beitragen könnte, sich anbahnende Straftaten ‚im Echtzeitbetrieb‘ zu verhindern.“
Festzuhalten bleibt:
- Der für die Innenstadt zuständige Ortsbeirat 1 hat im Mai 2017 die Videoüberwachung der Hauptwache mit großer Mehrheit abgelehnt.
- Unterschiedliche Organisationen aus Frankfurt haben in einer gemeinsamen Stellungnahme Keine Videoueberwachung an der Hauptwache – Aufruf 2017.06.12 die Videoüberwachung an der Hauptwache abgelehnt. Diese Forderung ist auch Inhalt einer Petition, die hier unterzeichnet werden kann.