Gefährliche Körperverletzung auf der Treppe im Mannheimer Hauptbahnhof: „Die Videoüberwachungsanlage zeichnete den Vorfall auf“, mehr aber auch nicht
Das geht aus einer Pressemitteilung der Bundespolizeiinspektion Karlsruhe vom 08.08.2022 hervor. Darin wird festgestellt: „Am späten Freitagnachmittag (5. August) ist eine 25-jährige Frau von zwei bislang unbekannten Personen auf der Treppe am Mannheimer Hauptbahnhof attackiert und leicht verletzt worden. Die Tatverdächtigen sind flüchtig… Eine durch die Bundespolizei durchgeführte Nahbereichsfahndung verlief leider ohne Erfolg. Die bislang unbekannten Tatverdächtigen konnten im Anschluss entkommen. Die Videoüberwachungsanlage zeichnete den Vorfall auf. Hierdurch konnte neben der Tathandlung auch festgestellt werden, dass sich die beiden Tatverdächtigen nach der Tatbegehung am Bahnsteig 5 in den ICE 577 in Richtung Stuttgart begaben. Die Videoaufnahmen wurden gesichert…“
Was sagt uns dieses?
Bedauerlicherweise kann Videoüberwachung nicht vor Angriffen auf Leib und Leben schützen, wie einige bekannt gewordene Einzelfälle, z. B. in Augsburg, Berlin und Frankfurt zeigen. Auch diese Angriffe fanden unter den Augen von Videoüberwachungskameras statt.
Taten im Affekt – darum handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle von Angriffen auf unbekannte Dritte – können von Kameras auch deshalb nicht verhindert oder in ihrer Zahl wesentlich reduziert werden, weil Affekt-Taten nicht von rationalem Handeln gesteuert werden. Darauf weisen unterschiedliche Studien zur Wirksamkeit von Videoüberwachung hin:
- „… auf Gewaltkriminalität hat die Videoüberwachung keinen Einfluss… Die Überwachung eines Raumes steigert demnach das Entdeckungsrisiko (Erhöhung der Kostenseite) für einen Straftäter. Dies setzt jedoch voraus, dass ein potentieller Straftäter rational agiert. In der Praxis wird man jedoch sehr schnell feststellen, dass eine Vielzahl der Verbrechen eben nicht Ergebnis rationaler Wahlhandlungen sind, sondern affektuell geprägt sind und/ oder von unbedarften, berauschten Tätern begangen werden. Rational agierende Täter werden die Videoüberwachung vermutlich als eine Erhöhung ihres Entdeckungsrisikos wahrnehmen. Jedoch erscheint die Annahme hierduch Kriminalität zu verhindern wenig plausibel. Vielmehr wird es zu einer Verlagerung der Kriminalität kommen…“ (Veröffentlichung von Prof. Dr. Christian Wickert aus 2020, Dozent für die Fächer Soziologie und Kriminologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen)
- „… Argumente für die Videoüberwachung werden aber auch darin gesehen, dass ihr eine abschreckende Wirkung für potentielle Straftäter zugeschrieben wird und dass sie gegebenenfalls die Möglichkeit eines vorbeugenden Einsatzes von Sicherheitskräften bei frühen Gefährdungsanzeichen bietet. Der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung konnte bisher allerdings nicht überzeugend geführt werden. Für städtische und zentrumsnahe öffentliche Plätze fallen die Effekte sehr unterschiedlich aus, lediglich für die Eindämmung der Kriminalität in Parkhäusern und auf Parkplätzen sowie des Raubes und Diebstahls im öffentlichen Personennahverkehr erweist sich die Videoüberwachung nach bisherigen Befunden als wirksam…“ (Studie des Kriminologischen Forschungsinstitus Niedersachsen aus 2018, dort S. 54)
- „In Stadtzentren und Wohngebieten sowie im öffentlichen Nahverkehr hatte die Videoüberwachung nur geringen oder keinen signifikanten Effekt auf die Kriminalität. Es ergab sich auch kein Erfolg hinsichtlich der Verringerung von Gewaltdelikten.“ (Studie der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention aus 2005, dort S. 2)
Es geht und ging nie um ‚Sicherheit‘ sondern darum die Population langsam an das Konzept totaler Überwachung zu gewöhnen. Das braucht im Schnitt zwei Generationen bis der Effekt vollends als Normalität angesehen wird. Danach wird die nächste Stufe eingeleitet.
An Beispielen wie der Stadt Houston sieht man das bereits. Nach anfänglicher Freiwilligkeit müssen nun alle Ladenbesitzer zwangsweise Überwachungskameras im- und um den Laden herum installieren und werden sogar verpflichtet den öffentlichen Gehweg und die Straße vor dem Laden zu filmen. Weigerung hat heftige Geldstrafen zur Folge. Für private Betreiber gibt es Programme wie Project Greenlight oder neuestens SafeCam
https://harriscountyso.org/Services/SafeCam
https://www.houstonpublicmedia.org/articles/news/criminal-justice/2022/07/28/429253/harris-county-sheriffs-office-launches-surveillance-sharing-program-to-combat-crime/
In diesen Programmen werden Kameras registriert oder direkt in ein zentrales Netzwerk eingespeißt welches jederzeit einsehbar und per AI abgesucht werden kann nach Gesichtern, Nummernschildern, Fahrzeugen, Kleidung, etc.
Das war von vornherein die Intention. Die Menschen bauen sich vollkommen freiwillig ihr eigenes Panopticon aus dem es kein Entkommen gibt.