Frankfurt: Trotz Videoüberwachung – Messerangriff in der S-Bahn

CCTV-NeinDanke/ Juli 19, 2022/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Aus einer Pressemitteilung der Frankfurter Polizei vom 18.07.2022: Am Sonntag, den 17. Juli 2022, gegen 16.25 Uhr, betrat ein 41-jähriger Mann am Hauptbahnhof die S1 in Fahrtrichtung Rödermark Ober-Roden… Kurz vor der Haltestelle Konstablerwache ging ein zunächst unbekannter Mann an dem 41-Jährigen vorbei, versetzte ihm zwei Stiche im Bereich des Oberkörpers und verließ dann die S-Bahn und anschließend den Bahnhofsbereich… Im Rahmen der Ermittlungsmaßnahmen konnten auch die Aufnahmen der Sicherheitskameras der S-Bahn bzw. der Kameras des Bahnsteiges ausgewertet werden. Die so gewonnenen Lichtbilder konnten zur Recherche in der Lichtbilddatei genutzt werden und führten zur Identifizierung eines 39-jährigen Tatverdächtigen aus Frankfurt. Der 39-Jährige konnte beim Betreten seiner Wohnung festgenommen werden. Die mutmaßliche Tatwaffe wurde sichergestellt. Bislang ergaben sich keine Hinweise auf eine mögliche Beziehung zwischen dem Geschädigten und dem Tatverdächtigen. Ebenso wenig liegen bislang Hinweise auf eine psychische Beeinträchtigung oder auf eine politische Motivierung vor…“

Was sagt uns dieses? Bedauerlicherweise kann Videoüberwachung nicht vor Angriffen auf Leib und Leben schützen, wie einige bekannt gewordene Einzelfälle, z. B. in Augsburg, Berlin und Frankfurt zeigen. Diese Angriffe fanden unter den Augen von Videoüberwachungskameras statt.

Taten im Affekt – darum handelt es sich in der Mehrzahl der Fälle von Angriffen auf unbekannte Dritte – können von Kameras auch deshalb nicht verhindert oder in ihrer Zahl wesentlich reduziert werden, weil Affekt-Taten nicht von rationalem Handeln gesteuert werden. Darauf weisen unterschiedliche Studien zur Wirksamkeit von Videoüberwachung hin:

  • „… auf Gewaltkriminalität hat die Videoüberwachung keinen EinflussDie Überwachung eines Raumes steigert demnach das Entdeckungsrisiko (Erhöhung der Kostenseite) für einen Straftäter.  Dies setzt jedoch voraus, dass ein potentieller Straftäter rational agiert. In der Praxis wird man jedoch sehr schnell feststellen, dass eine Vielzahl der Verbrechen eben nicht Ergebnis rationaler Wahlhandlungen sind, sondern affektuell geprägt sind und/ oder von unbedarften, berauschten Tätern begangen werden. Rational agierende Täter werden die Videoüberwachung vermutlich als eine Erhöhung ihres Entdeckungsrisikos wahrnehmen. Jedoch erscheint die Annahme hierduch Kriminalität zu verhindern wenig plausibel. Vielmehr wird es zu einer Verlagerung der Kriminalität kommen…“ (Veröffentlichung von Prof. Dr. Christian Wickert aus 2020, Dozent für die Fächer Soziologie und Kriminologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen)
  • „… Argumente für die Videoüberwachung werden aber auch darin gesehen, dass ihr eine abschreckende Wirkung für potentielle Straftäter zugeschrieben wird und dass sie gegebenenfalls die Möglichkeit eines vorbeugenden Einsatzes von Sicherheitskräften bei frühen Gefährdungsanzeichen bietet. Der wissenschaftliche Nachweis eines allgemein kriminalitätsreduzierenden Effekts der Videoüberwachung konnte bisher allerdings nicht überzeugend geführt werden. Für städtische und zentrumsnahe öffentliche Plätze fallen die Effekte sehr unterschiedlich aus, lediglich für die Eindämmung der Kriminalität in Parkhäusern und auf Parkplätzen sowie des Raubes und Diebstahls im öffentlichen Personennahverkehr erweist sich die Videoüberwachung nach bisherigen Befunden als wirksam…“ (Studie des Kriminologischen Forschungsinstitus Niedersachsen aus 2018, dort S. 54)
  • In Stadtzentren und Wohngebieten sowie im öffentlichen Nahverkehr hatte die Videoüberwachung nur geringen oder keinen signifikanten Effekt auf die Kriminalität. Es ergab sich auch kein Erfolg hinsichtlich der Verringerung von Gewaltdelikten.“ (Studie der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention aus 2005, dort S. 2)

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