Europäischer Gerichtshof kippt EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung

Datenschutzrheinmain/ April 8, 2014/ alle Beiträge, Telekommunikations-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung/ 3Kommentare

Mit seiner Entscheidung vom 08.04.2014 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig und unwirksam erklärt, da sie gegen Grundrechte der EU-Bürger/innen verstößt. Die Richtlinie, die eine Massenüberwachung ohne konkreten Verdacht möglich machen und die in nationales Recht umgesetzt werden sollte, wurde aufgehoben. Die Quintessenz des Urteils lässt sich in einem Satz aus der Urteilbegründung zusammenfassen: Die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG ist ungültig.“

Die Entscheidung des EuGH erging, nachdem der irische High Court und der österreichische Verfassungsgerichtshof den EuGH ersucht hatten, über die Rechtmäßigkeit der Richtlinie zu entscheiden. Dem voraus gingen Klagen einer irischen Bürgerrechtsorganisation, der Landesregierung von Kärnten (Österreich) und mehrere tausend Österreicher vor den jeweiligen nationalen Gerichten.

Gegner der Vorratsdatenspeicherung wie der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) begrüßen das Urteil und fordern von der Bundesregierung und sie tragenden Parteien CDU/CSU und SPD, jetzt auf das in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu verzichten. Die Stellungnahme ist hier im Wortlaut nachlesbar: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/739/1/lang,de/.

Laut Presseberichten hat Bundesinnenminister de Maizière (CDU) auch nach dem EuGH-Urteil unbeirrt (unbelehrbar ?) erklärt, dass die Bundesregierung an einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung durch nationales Recht festhalten werde. Bundesjustizminister Maas (SPD) ließ verlauten, dass er jetzt keinen Grund sehe, dem Bundestag schnell einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vorzulegen.

Meinhard Starostik, Mitglied des Verfassungsgerichts des Landes Berlin, hat eine erste Bewertung der EuGH-Entscheidung auf seiner Homepage veröffentlicht (http://www.starostik.de/pages/posts/vorratsdatenspeicherung-ade45.php). Er kommt zum Ergebnis: „Die Vorratsdatenspeicherung hat wie kaum ein anderes politisches Thema in den letzten Jahren dazu gedient, politische Schaukämpfe zu veranstalten. Es ist zu befürchten, dass dies auch nach dem Urteil des EUGH nicht aufhören wird, sondern jetzt vielmehr eine verschärfte Auseinandersetzung darüber stattfinden wird, wie eine ‚richtige‘ grundrechtekonforme Vorratsdatenspeicherung aussehen könnte. Die Auseinandersetzung über dieses… Thema wird also weitergehen. Würde sie sachlich geführt, so würde sich auch die Frage stellen: ‚Brauchen wir dieses Ermittlungsinstrument wirklich?‘ Immerhin, so sei an eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts erinnert: ‚Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland…‘“

Als Konsequenz aus dem EuGH-Urteil hat sich die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in individualisierten Schreiben erneut an die Bundestagsabgeordneten in der Rhein-Main-Region gewandt und sie aufgefordert, einem eventuellen neuen Gesetzentwurf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung die Zustimmung zu verweigern. Die Schreiben an die MdBs Reichenbach (Wahlkreis 184 Groß Gerau) und Zypries (Wahlkreis 186 Darmstadt) sind hier nachlesbar:

Die Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung kann hier im Wortlaut nachgelesen werden: http://wirspeichernnicht.de/C_0293_2012-DE-ARR.pdf.

3 Kommentare

  1. Wie der bremer Tagespresse heute einem (Aufmacher-)Artikel zu entnehmen ist, soll der niedersaechsische Innenminister Pistorius in einer Reaktion wohl die Bundesregierung aufgefordert haben einen neuen Gesetzesentwurf vorzulegen, um * „Kinderpornographie, Internetkriminalitaet und …“ * ermitteln zu koennen. Ja, die Kinderpornographie an erster Stelle! Nachtigall ick hoer Dir trapsen… Es ist noch nicht vorbei!

  2. „Nach Ansicht von Pistorius braucht es nun „dringend eine angemessene Mindestspeicherung zur Verfolgung schwerster Kriminalität.“ Verbindungsdaten müssten unter größtmöglicher Beachtung der Grundrechte und des Datenschutzes zur Verfolgung von Kinderpornographie, Internetbetrug oder Gewalttaten für eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung stehen.‟ [c/p http://wendland-net.de/post/eu-gerichtshof-kippt-vorratsdatenspeicherung-35645%5D

  3. Eine interessante und lesenswerte Bewertung des EuGH-Urteils hat der ehemalige Datenschutzbeauftragte Peter Schaar auf heise.de veröffentlicht:

    http://m.heise.de/newsticker/meldung/Analyse-EuGH-beerdigt-die-Vorratsdatenspeicherung-2166159.html

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