Erneuter Befugnis-Wildwuchs bei privater City-Streife in Coesfeld/ NRW?

Datenschutzrheinmain/ August 4, 2024/ alle Beiträge, private Sicherheitsdienste/ 2Kommentare

Ein Gastbeitrag eines ungenannt bleiben wollenden Verfassers! Die Redaktion dieser Homepage bedankt sich für die Zusendung des Beitrags und die Einwilligung in die Veröffentlichung.


Wie Radio Kiepenkerl am 11.07.2024 berichtet, hat die Stadtverwaltung Coesfeld erneut eine Sicherheitsfirma als private City-Streife mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen (kommunalen) Sicherheit und Ordnung beauftragt; entgegen Recht und Gesetz sollen privatwirtschaftliche Firmen-Angestellte u. a. Ordnungswidrigkeiten im öffentlichen Raum feststellen. Security-Personal soll dabei Personalien von Ordnungssündern aufnehmen und eng mit der örtlichen Polizei und Ordnungsamt kooperieren. Innerhalb dieses „police private partnership“-Models kann der gesetzliche Datenschutz nicht eingehalten werden.

Hierzu haben deutsche Gerichte bereits mehrfach die nachfolgende Grundsatz-Feststellung bestätigt: Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“ (OLG Frankfurt am Main v. 21.07.2003 und andere Gerichtsentscheidungen). Im Januar 2020 stellte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main klar, dass die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf private Dienstleister bei der derzeitigen Rechtslage (Art. 33 Abs. 4 GG) in Deutschland nicht möglich ist (Beschluss vom 03.01.2020, Aktenzeichen: 2 Ss-OWi 963/18). Dieses Urteil beziehe sich zwar auf Hessen, sei aber im Prinzip bundesweit übertragbar, so das Gericht.

Am 05.10.2018 berichtete die Allgemeine Zeitung über einen Hunde-Halter der in Coesfeld von Mitarbeitern einer privaten City-Streife körperlich angegangen wurde. Wegen eines unangeleinten Hundes – also einer reinen Ordnungswidrigkeit – wurde dieser Bürger von den Security-Angestellten zu Boden gebracht und zur Herausgabe seines Personalausweises aufgefordert; ein klarer Fall von Nötigung gem. § 240 Strafgesetzbuch durch die Mitarbeiter der städtisch beauftragten privaten City-Streife. Eine Sprecherin der Stadtverwaltung Coesfeld rechtfertigte damals das “robuste Vorgehen” der Security gegen den Hunde-Halter.
Tatsächlich sind diese “Privaten” den Bürgerinnen und Bürgern – im öffentlichen Raum – nicht einmal weisungsbefugt, weil sie nicht über hoheitliche Eingriffsbefugnisse verfügen. Das allgemeine deutsche Verwaltungsrecht kennt schlichtweg keine “public private security” die für öffentliche Sicherheit und Ordnung sorgt; es existieren diesbezüglich auch keine Rechtsgrundlagen.


Der ehemalige Schwalbacher Polizeidirektor Jürgen Moog kritisiert den Einsatz von Privat-Streifen: Für ihre bloße Anwesenheit auf öffentlichen Straßen und Plätzen bräuchten private Sicherheitsdienste eine rechtliche Grundlage, die es jedoch nicht gebe. Streifengänge seien laut Gesetz hoheitliches Handeln, das nur der Polizei und Ordnungsbehörden vorbehalten bleibe. Selbst im öffentlichen (kommunalen) Auftrag stehende private Sicherheitsdienste können demnach nur das “Auge und Ohr” der Sicherheitsbehörden (Polizei, Ordnungsämter) sein, nach dem offizielles Motto: “beobachten, erkennen und melden“.

Sollte die Stadt Coesfeld – durch den Einsatz der privaten City-Streife (“public private security”) – an der Privatisierung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung festhalten verstösst sie gegen den Artikel 33 Absatz 4 Grundgesetz! Dann müsste sich auch die zuständige Kommunalaufsicht und letztendlich ein Gericht mit dieser Problematik befassen. Private Sicherheitsdienste mit „Scheinbefugnissen“ muss hierzulande – aus rechtsstaatlicher Sicht – eine klare Absage erteilt werden.


Siehe hierzu auch:

1. Privater Sicherheitsdienst als City-Streife/ Beschäftigt Neu-Isenburg eine Scheinpolizei?

In Neu-Isenburg fährt seit diesem Jahr wieder ein privater Sicherheitsdienst durch die Straßen und geht offenbar Ordnungswidrigkeiten nach – eigentlich eine Aufgabe der Polizei und des Ordnungsamtes. (Journal Frankfurt, 14.09.2023)

2. Einsatz in Heimsheim und Weil der Stadt/ Citystreifen werfen noch Fragen auf

Die einen sind zufrieden, von anderen gibt es Kritik: Sicherheitsfirmen sind in Heimsheim und Weil der Stadt im Einsatz. Was aber dürfen sie? (Leonberger Kreiszeitung,
07.12.2022)


3. Schriftwechsel (anonymisiert) mit dem Ordnungsamt der Stadt Coesfeld vom 16.7.24 zum Veröffentlichungstext: „Erneuter Befugnis-Wildwuchs bei privater City-Streife in Coesfeld?“

3.1.

(Anrede),
dies ist natürlich zutreffend. Das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 StPO gilt nur nach Taten nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB und ist bei Tatbeständen nach dem OWiG unzulässig. Insoweit war die Formulierung missverständlich.
Wie ich Ihnen aber bereits mitgeteilt habe, ist der Stadt Coesfeld die Rechtslage nicht unbekannt und ein Verstoß gegen das geltende Recht derzeit nicht erkennbar und auch nicht im Sinne der Stadt.
Mit freundlichen Grüßen

DIE BÜRGERMEISTERIN
Fachbereich Ordnung und Recht Fachbereichsleitung
Bernhard-von-Galen-Straße 10 48653 Coesfeld

3.2.
(Anrede),
vielen Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme zu den Befugnissen der privaten City-Streife der Stadt Coesfeld. Sie schreiben: “(…) Diesen Grundsätzen wird in Coesfeld bei der vertraglichen Ausgestaltung mit der Sicherheitsfirma Rechnung getragen. Nach dem Jedermann-Recht darf der Sicherheitsdienst jemanden zunächst einmal aufhalten, wenn der- oder diejenige bei einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erwischt werde. Auch die Frage nach den Personalien ist zulässig. Wenn sich jemand aber nicht freiwillig ausweist muss die Polizei hinzugezogen werden. (…)
”Das Jedermann-Recht (z. B. § 127 Abs. 1 Strafprozessordnung) greift diesbezüglich nicht i. V. m. Ordnungswidrigkeiten, wie der Lobby-Verband der Sicherheitswirtschaft BDSW e. V. explizit klargestellt (s. u.). Kriterium: “…auf frischer Tat betroffen..”, gemeint ist eine Straftat, keine Ordnungswidrigkeit (Opportunitätsprinzip, hierbei herrscht kein staatlicher Verfolgungszwang)!
Sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der privaten City-Streife der Stadt Coesfeld „Ordnungssünder“ mit einfacher körperlicher Gewalt festhalten, z. B. um Polizeibeamte oder Mitarbeiter des Ordnungsamtes zwecks Identitätsfeststellungen hinzu zu ziehen, machen sie sich gem. § 240 Strafgesetzbuch Nötigung strafbar; Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste verfügen über keine hoheitliche Eingriffsbefugnisse und dürfen demnach – ohne vorliegen einer Straftat – auch keinen Zwang (Festhalten/ -setzen von Personen) ausüben (siehe “Hunde-Halter-Vorfall” in Coesfeld 2018, Allgemeine Zeitung v. 05.10.18).
Laut dem BDSW können private Sicherheitsdienste bei ihrem Einsatz im öffentlichen Raum nur das “Auge und Ohr” der Sicherheitsbehörden sein, nach der devise: “beobachten, erkennen und melden”.
Das deutsche Verwaltungsrecht kennt kein “public private security”, also “Private”, welche – aufgrund von Ordnungswidrigkeiten – in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen: „Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns.“ (OLG Frankfurt am Main v. 21.07.2003 und andere Gerichtsentscheidungen). Also sind in der Bundesrepublik Deutschland nur behördliche Amts-/ Hoheitsträger berechtigt Ordnungswidrigkeiten festzustellen und diese ggf. zu verfolgen – diese Tätigkeit ist nicht privatisierbar!
Was darf ein privater Sicherheitsdienst?
(…) Welche Rechte wird der private Sicherheitsdienst haben?
Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes haben grundsätzlich nur dieselben Rechte wie andere Bürger auch: Wenn sie sehen, dass jemand eine Straftat begeht, dürfen sie den Verdächtigen solange festhalten, bis die Polizei kommt, um die Personalien aufzunehmen und die Person eventuell festzunehmen. Das ist die sogenannte Jedermann-Festnahme. Der Täter müsse aber auf frischer Tat ertappt werden, außerdem müsse eine Straftat vorliegen und nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, erklärte am Dienstag eine Sprecherin vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Sollte der Täter weglaufen, dürften die Sicherheitsdienstmitarbeiter ihm auch hinterherlaufen und ihn festsetzen. Ihr Verhalten müsse aber „verhältnismäßig und angemessen“ sein. (…)” https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten … d-35672011
Mit freundlichen Grüßen …

3.3.
(Anrede),
tatsächlich hat die Stadt Coesfeld seit Anfang Juli eine private Sicherheitsfirma beauftragt, die an mehreren Tagen die Woche, vermehrt abends, im Stadtgebiet unterwegs ist. Dabei, und das haben wir auch in unserer Pressemeldung vom 10.07.24 deutlich gemacht, wird die Arbeit der Polizei durch die Citystreife lediglich wirksam ergänzt. Die derzeit geltende Rechtslage ist der Stadt Coesfeld dabei durchaus bewusst.
Das Tätigwerden von privaten Sicherheitsdiensten hat von jeher die Diskussion um das staatliche Gewaltmonopol entfacht. Dies gilt insbesondere für Situationen, in denen privates Sicherheitspersonal in der Öffentlichkeit tätig wird, also vor allem im Fall der Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum und in Hausrechtsbereichen mit tatsächlichem öffentlichem Verkehr.
Auf der einen Seite ist es allgemein anerkannt, dass der Rechtsgüterschutz zu keiner Zeit ausschließlich Sache des Staates war. Das staatliche Gewaltmonopol ist also kein allumfassendes Sicherheitsmonopol. Gleichzeitig steht es außer Frage, dass der Rückzug des Staates als zentrale, das Gemeinschaftsleben beherrschende Ordnungsmacht zugunsten privater Dritter verfassungsrechtlich undenkbar ist.
In diesem Spannungsverhältnis hat der novellierte § 34a GewO zusätzliche Klarheit geschaffen. Der Gesetzgeber hat nun eindeutig normiert, dass privates Wachpersonal die sog. Jedermannrechte und die von Auftraggebern vertraglich übertragenen Befugnisse wahrnimmt, dabei handelt es sich in der Regel zumindest um das Hausrecht, ausüben darf. Die dem Wachpersonal zustehenden Befugnisse sind somit die Notwehrrechte bzw. Nothilferechte gem. § 227 BGB und § 32 StGB, die Notstandsrechte gem. §§ 228, 904 BGB und §§ 34, 35 StGB sowie die Selbsthilferechte gem. §§ 229, 859 BGB und das Recht zur vorläufigen Festnahme gem. § 127 Abs. 1 StPO.
Darüber hinaus können durch Beleihung spezialgesetzliche Befugnisse übertragen werden, bspw. für Mitarbeiter von Bewachungsunternehmen, die nach dem UZwGBw militärische Liegenschaften bewachen (Landmann/Rohmer GewO/Marcks Rn. 47; Stober/Olschok, Handbuch des Sicherheitsgewerberechts/Panne, 2004, J VII, Rn. 13). Die bisher teilweise umstrittene professionelle Nothilfe durch privates Wachpersonal ist somit durch den Gesetzgeber ausdrücklich für zulässig erklärt. Allerdings bindet der Gesetzgeber das Wachpersonal bei der Ausübung seiner Befugnisse nach § 34a Abs. 5 auch ausdrücklich an den Grundsatz der Erforderlichkeit.
Diesen Grundsätzen wird in Coesfeld bei der vertraglichen Ausgestaltung mit der Sicherheitsfirma Rechnung getragen. Nach dem Jedermann-Recht darf der Sicherheitsdienst jemanden zunächst einmal aufhalten, wenn der- oder diejenige bei einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit erwischt werde. Auch die Frage nach den Personalien ist zulässig. Wenn sich jemand aber nicht freiwillig ausweist muss die Polizei hinzugezogen werden. In Absprache mit der Polizei wird bei Schwierigkeiten oder Widerstand stets die Polizei gerufen. So wurde es bereits 2018 in dem besagten Zeitungsartikel kommuniziert. Darüberhinausgehende Befugnisse stehen der Sicherheitsfirma nicht zu.
Die Mitarbeitenden der Sicherheitsfirma können sich durch Legitimationsausweise als im Auftrag der Stadt handelnd ausweisen. Aber auch diese Ausweise verleihen dem Sicherheitspersonal keine über die oben genannten Befugnisse hinausgehenden Rechte. Durch einen ständigen Austausch mit der Firma und die Anfertigung von Einsatzberichten wird das Vorgehen stetig überprüft. Nach gegenwärtigem Stand ist die Einschaltung Privater in die Gefahrenabwehr von den verfassungsrechtlichen Grenzen weit entfernt. Generell ist festzustellen, dass eine – unzulässige – Privatisierung der Gefahrenabwehr hier in der Stadt Coesfeld nicht droht. Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 4 GG wird durch die Citystreife in Coesfeld nicht begangen.
Mit freundlichen Grüßen

DIE BÜRGERMEISTERIN Fachbereich Ordnung und Recht Fachbereichsleitung
Bernhard-von-Galen-Straße 10 48653 Coesfeld

2 Kommentare

  1. Nach Tod des 20-Jährigen: Privater Sicherheitsdienst in Bad Oeynhausen

    Stand: 03.08.2024, 16:07 Uhr

    Nach dem Tod eines 20-Jährigen vor vier Wochen setzt die Stadt Bad Oeynhausen setzt jetzt einen privaten Sicherheitsdienst in der Stadt ein. Die Maßnahme gilt zunächst für vier Wochen.

    Von Markus Rinke & Sarah Schröer López

    https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/sicherheitsdienst-bad-oeynhausen-100.html

  2. Bei der kommunalen Beauftragung privater Sicherheitsdienste (public private security) fällt auf, dass es die meisten Stadt- und Gemeindeverwaltungen nicht für nötig erachten die Bürgerinnen und Bürger über die Befugnisse von Security-Personal aufzuklären. Dann müssten z. B. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister offen zugeben, dass z. B. private City-Streifen – im öffentlichen Raum – nur (befugnislose) “zahnlose Tiger” sind, weil diese, so wie im Text beschrieben, nur nach dem Motto: “beobachten, erkennen und melden” (als “Augen & Ohren” der Sicherheitsbehörden) handeln dürfen.
    Damit sind private City-Streifen nichts anderes als teure Berufszeugen (uniformierte Präsenz-Dienste als Plazebo für ein besseres subjektive Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger) die von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zusätzlich zu Polizeibeamtinnen und -beamten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ordnungsämtern finanziert werden müssen.
    Um sich diesbezüglich nicht dem Vorwurf der “Geldverschwendung” auszusetzen werden diese “öffentlichen Privaten” von den Kommunalverwaltungen zusätzlich mit Ordnungsaufgaben betraut und es schleichen sich – gerade in Bezug auf public private security – “Schein-Befugnisse” ein; Privatwirtschaftliche Firmen-Angestellte sind dann plötzlich der “verlängerte Arm” von Polizei und Ordnungsämtern und stellen – entgegen Recht und Gesetz – für die Sicherheitsbehörden Ordnungswidrigkeiten fest. Rathäuser frohlocken: Sicherheit, Sauberkeit & Ordnung in privatwirtschaftlicher Mitverantwortung, mobil und flexibel zum günstigen Preis – und tatsächlich rechnet sich dieses Modell für die öffentlichen Auftraggeber nur wenn der Artikel 33 Abs. 4 Grundgesetz völlig ignoriert wird.
    Heimsheim, Weil der Stadt, Coesfeld, Neu-Isenburg, Bad Oeynhausen, Emden, Thale (verschiedene Bundesländer) um nur einige Kommunen zu nennen in denen diese “teilprivatisierte Ordnungsverwaltung” praktiziert wird.
    Den Bürgerinnen und Bürger kann man nur immer wieder sagen: Eine Uniform alleine berechtigt zu nichts und Sicherheit und Ordnung sind unterschiedliche Sachen!

    Was darf ein privater Sicherheitsdienst? (Rheinische Post, 15.1.19)

    https://rp-online.de/nrw/staedte/xanten/welche-rechte-hat-ein-privater-sicherheitsdienst_aid-35672011

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