Elektronische Gesundheitskarte: Umfangreiche aktuelle Klageschrift veröffentlicht
Eine Klägerin, die ihre Klage nicht nur gegen die elektronische Gesundheitskarte (eGk), sondern gegen das eGk/TI-System als Ganzes richtet, hat ihre Klageschrift und weitere Unterlagen veröffentlicht. Rolf D. Lenkewitz (Systemadministrator), engagierter und kenntnisreicher Gegner des telematischen Systems im Gesundheitswesen, hat seine Homepage dafür zur Verfügung gestellt.
Was an der Klageschrift vom 05.12.2015 und den ergänzenden Schriftsätzen vom 14.12.2015 und vom 21.12.2015 auffällt und was sie auch für andere GegnerInnen der eGk interessant macht:
- Mit Bezug auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 (Aktenzeichen: 1 BvR 209/83) setzt sich die Klägerin https://openjur.de/u/769890.htmltailliert mit der bislang einzigen Entscheidung des Bundessozialgericht zur eGk (Aktenzeichen: B 1 KR 35/13 R) auseinander.
- Mit Bezug auf ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.11.2015 (Aktenzeichen: S 8 KR 569/15) fordert die Klägerin ihre Krankenkasse dazu auf, ihr keine Einzelnachweise für jeden Arztbesuch sondern quartalsweise Berechtigungsnachweise zur Inanspruchnahme medizinischer Sachleistungen auszustellen.
- Ergänzt wird dies mit Hinweisen auf Angriffe auf persönliche Daten in großen Datenbanken. Erfahrungen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern werden aufgelistet: Angriffe von Geheimdiensten; Verkauf von Gesundheitsdaten; technische Pannen und menschliche Fehler, die zu unzulässigen Zugriffen auf Gesundheitsdaten führten u. A. m.
Danke an die Klägerin & Hrn. Lenkewitz für diese detaillierte Veröffentlichung !!
Die großartig zusammengetragenen und in ihren Auswirkungen dargestellten Sachverhalte werden sicher vielen helfen die Zusammenhänge und Folgen vollumfänglich zu verstehen, und sich gegen die Schikanen zumindest teilweise selbst zu wehren.
Ich selbst hätte noch darauf hingewiesen, dass damit ignoriert wird, dass Datenschutz ein bereits verbindliches europäisches Grundrecht und internationales Menschenrecht ist.
Jedoch befürchte ich zumindest, dass Sozialgerichte nicht der rechtlich einzig richtige Weg sind, um gegen dieses ganze System erfolgreich vorzugehen. Bin zwar selbst kein Jurist, aber nach meinen Erfahrungen sind zumindest Sozial-Richter von ihrer Mentalität aufgrund der vorherrschenden (leider oft sehr einseitigen und “betriebsblinden“) Verwaltungs-Denkweise zumeist “nur“ verlängerte Arme von Sozialbehörden. Weshalb diese zwar grundsätzlich auch für die zum Sozialrecht gehörenden papiergebundenen Anspruchsnachweise zuständig sind, wenn sich dabei nicht gesetzeskonform verhalten wurde, bzw. dieses erst einmal rechtssicher definiert werden müsste. Sich aber sonst “nur“ innerhalb der Gesetzeslage der Sozialversicherungen bewegen und eben leider nicht ein komplett vom Gesetzgeber beschlossenes System in Frage stellen und wieder zur Abschaffung bringen würden.
Aber vielleicht werde ich ja doch einmal positiv überrascht.
Und jedes weitere Verfahren ist natürlich zu begrüßen !!
Einerseits löblich, andererseits wieder mal aussichtslos.
Denn leider ist die TI (Telematik-Infrastruktur) ja noch gar nicht existent.
Daher wird rein sachlich für einen Richter keine Entscheidungsgrundlage gegeben sein.
Es nützt ja nichts, wenn ich weiß, dass jemand morgen um x Uhr die Bank y in z überfallen will.
Derjenige kann erst dann festgenommen und verurteilt werden, wenn die Tat umgesetzt wurde.
Das ist für den Rechtsstaat gut. Für die eGK-Gegner natürlich eine Katastrophe, solange die TI schlicht nicht existiert.
Danke für Deine Einschätzung! Wir haben uns intensiv auseinandergesetzt mit der Frage ob die
TI noch nicht existiert und sind fündig geworden. Bestandteil meiner Klage sind solide Nachweise dass die Grundstrukturen der TI bereits seit 2007 in Form von Teilnetzen, die mit den Testsystemen vernetzt sind existieren. Wir brauchen zudem genau an diesem Punkt eine andere Philosophie, andere Konzepe und Lösungen ansonsten werden wir nicht in die Lage versetzt die Folgen von geplanter Technologie abzuschätzen und zu gestalten. Die Festlegung einer nicht existierenden TI wurde wie alle anderen Thesen von der gematik selbst festgeschrieben und seitdem stereotypisch in den Medien wiederholt. Wir sind gezwungen alles in Frage zu stellen.
Ergänzenswert scheint mir neben den ganzen Aspekten des Datenschutzes und der IT – Telematikstruktur der Hinweis bzw. der Blick in den betreffenden Klagen auf mögliche Verletzungen von bestehenden Artikeln des Grundgesetzes, da diese Klagen letztendlich mehr oder minder alle vor dem Bundesverfassungsgericht landen (werden), wie z.B.
1) Artikel 3 Abs. 1 GG > Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
Wieso müssen die Privatversicherten z.B. ihre Gesundheitsdaten nicht offenbaren und zur Verfügung stellen?
2) Artikel 2 Abs. 1GG > freie Entfaltung der Persönlichkeit und
Abs. 2 GG > Recht auf Leben und körperliche Unversehrheit (!)
Wie ist z.B. letzteres gesichert, wenn KKen sich trotz bestehender Krankenversicherung wei –
gern Bescheinigungen für die Inanspruchnahme von zahn/ärztlichen Leistungen auszustellen?
3) Artikel 1 Abs. 1 GG > Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Ist die Würde eines Privatversicherten eine andere als die eines „nur“ gesetzlich Versicher –
ten?
Diese ersten 20 Artikel des Grundgesetzes entfalten nämlich eine starke Grundrechtsbindung der staatlichen Gewalt gegenüber seinen Bürgern – will sagen, diese Grundrechte schützen den Bürger (eigentlich) gegen die Willkür des Staates.
Dies zu überwaschen ist u .a. die fundamentale Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe
Hallo De,
vielen Dank für Deine Stellungnahme. Das Europäische Recht möchte ich erst im Hauptverfahren zum Thema machen. Die Stellungnahmen beziehen sich ja sämtlich nur auf den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Aber vielen Dank für den Hinweis.
Hallo Wo,
herzlichen Dank für die Ergänzungen – ich werde sie in meinem nächsten Schreiben mit aufnehmen.
Zum Kommentar von Marc:
Wie Rolf schon geschrieben hat, existiert die TI bereits in den bestehenden Primärsystemen. Alle beteiligten Rechner werden quasi zu virtuellen Rechnern und verschmelzen zur TI. Dies ist besonders gefährlich, weil gerade die Primärsysteme besonders anfällig für Angriffe von Außen sind. Werden einzelne Rechner angegriffen, dann gefährdet dies die gesamte TI. Für weitergehende Informationen möchte ich den technischen Teil der Klageschrift empfehlen.
Hallo Monika,
noch ein weiterer ergänzender Gedanke zu den oben erwähnten Grundrechtsverletzungen in besagter/n Klage/n:
Diie Bedeutung der Aufnahme bzw. Erwähnung von (möglichst vielen) Grundrechtsverletzungen ist nämlich deshalb so wichtig, weil sie dem/der KlägerIn den Weg zunächst einmal hin bis zum BVerfG öffnet.
Sollten diesbezüglich dort möglicherweise dennoch die betreffenden Grundrechtsverletzungen seitens des BVerfG nicht als solche gesehen werden, steht einem nämlich dann nach diesseitigem Kenntnisstand der weitere juristische Weg zum EuGH offen …