Digitalstadt Darmstadt: Videoüberwachung für das subjektive Sicherheitsgefühl und für den „Verfassungs“schutz?

CCTV-NeinDanke/ Februar 26, 2020/ alle Beiträge, Digitalstadt Darmstadt, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0 comments

Grüne und CDU haben die Videoüberwachung des Darmstädter Luisenplatzes durchgesetzt. Auf Wunsch des Verfassungsschutzes soll auch bei Demonstrationen aufgezeichnet werden. Das Vorgehen widerspricht den eigenen Grundsätzen der selbst ernannten Digitalstadt – nicht nur weil auf eine Anhörung des städtischen Ethikgremiums verzichtet wurde.“ Mit diesen Sätzen beginnt ein Bericht vom 20.02.2020 auf Netzpolitik.org, in dem über den Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung Darmstadt informiert wird. Eine Mehrheit von Grünen und CDU (sie bilden in Darmstadt eine Koalition) , FDP und AfD winkte eine Magistratsbeschluss vom 22.01.2020 zum Thema „Videoüberwachung auf dem Luisenplatz“ unverändert und unhinterfragt durch.

Der Luisenplatz ist zentral in der Innenstadt von Darmstatd gelegen. Insgesamt 15 Kameras, verteilt auf vier Standorte, sollen auf dem Luisenplatz im Zentrum Darmstadts errichtet werde. Die Standorte für die Kameras sind aus der folgenden Darstellung ersichtlich:

Quelle: Magistratsbeschluss vom 22.01.2020

Der Luisenplatz ist Versammlungsort für Demonstrationen, deren Teilnehmerinnen durch die Überwachung eingeschränkt werden könnten. ‚Wie für potenzielle Demonstrationsteilnehmer*innen klar und deutlich erkennbar wird, dass die Videokameras während Demonstrationen abgeschaltet sind, lässt die Vorlage offen‘, kritisiert der CCC Darmstadt. Außerdem soll auf Anweisung des Landesamts für Verfassungsschutz auch während Demonstrationen aufgezeichnet werden können, wie die Stadt auf Anfrage von netzpolitik.org bestätigte.“so weiter im Bericht vom 20.02.2020 auf Netzpolitik.org.

Dies wollte der Darmstädter Bürgermeister und Ordnungsdezernent Rafael Reißer (CDU) nicht unwidersprochen lassen. Im Darmstädter Echo vom 25.02.2020 wird er zitiert mit der Aussage: „Das ist schon deswegen Unsinn, weil der Verfassungsschutz schon ganz alleine in der Lage ist, seine eigenen Aufnahmen zu machen und auszuwerten.“

Richtig an dieser Stelle ist zweifellos, dass dem Hessischen Landesamt für „Verfassungs“schutz (LfV) mit dem „Verfassungs“schutzgesetz (HVSG) eine Vielzahl von Möglichkeiten für Schnüffelaktionen zur Verfügung gestellt werden, darunter auch das Recht Ton- und Bildaufzeichnungen außerhalb der Schutzbereiche der Art. 10 und 13 des Grundgesetzes mit und ohne Inanspruchnahme technischer Mittel“ zu machen (§ 5 Abs. 2 Ziff. 8 HVSG). Aber warum soll dann der „Verfassungs“schutz nicht auf bereits vorhandene Kameraanlagen (hier der Stadt Darmstadt bzw. des Polizeipräsidiums Südhessen) zugreifen können?

Im benachbarten Rheinland-Pfalz wurde am 29.01.2020 vom Landtag eine Neufassung des Landes“verfassungs“schutzgesetzes (LverfSchG) beschlossen, die dem dortigen Landesamt für „Verfassungs“schutz eine Fülle weiterer Befugnisse einräumt; u. a. diese: Die Verfassungsschutzbehörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben… unentgeltlich auf verfügbare Einrichtungen zur Videobeobachtung des öffentlich zugänglichen Raums zugreifen. Die Betreiber oder die verfügungsberechtigten Personen haben den Bediensteten der Verfassungsschutzbehörde auf Verlangen unverzüglich Zutritt zu den Räumlichkeiten, in der sich die Einrichtung befindet, zu gewähren und die Mitbenutzung der Einrichtung zu dulden.“ (§ 21 Abs. 1 LverfSchG).

Aber die vom Darmstädter Bürgermeister und Ordnungsdezernenten gegenüber dem Darmstädter Echo gemachten Aussagen wurden auch von Personen mit Sachkunde widersprochen. So erklärte der Darmstädter Stadtverordnete Uli Franke (Die Linke) in einer persönlichen Stellungnahme vom 25.02.2020 u. a.: Fakt ist, dass bei der Sitzung des Haupt- und Finanzausschuss am 6.2. unmissverständlich seitens des Magistrats geäußert wurde, dass auf Begehren des Verfassungsschutzes oder von Polizeibehörden eine Versammlung abweichend vom üblichen Vorgehen doch aufgezeichnet werden kann. Auf meine Nachfrage, ob dies dann der Versammlungsleitung mitgeteilt werde, gab es vielsagendes, amüsiertes Gelächter mehrerer Anwesender… Anders als Rafael Reißer unterstellt geht es nicht darum, dass der Verfassungsschutz oder eine andere Behörde grundsätzlich eine Anweisung zur Überwachung von Versammlungen erteilt hätte, sondern dass dies in konkreten Einzelfällen möglich ist. Dies wurde im Haupt- und Finanzausschuss bejaht… Schließlich weise ich darauf hin, dass es ein großer Unterschied ist, ob Verfassungsschutz oder Polizei von den Demonstrierenden wahrnehmbar mit eigenen Kameras aufzeichnen, oder ob unerkannt im Hintergrund die städtischen Kameras dazu genutzt werden. Allein diese Möglichkeit zerstört das Vertrauen der Versammlungsteilnehmer, dass ihre Anwesenheit nicht aufgezeichnet und registriert wird. Der Mangel an Problembewusstsein bei Bürgermeister Reißer lässt dieses Misstrauen noch weiter wachsen.“

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