Der Wahlkampf zur Europawahl, der Schutz von Kandidat*innen und Wahlhelfer*innen und die Polizei in Hessen – ein Erfahrungsbericht

Datenschutzrheinmain/ Mai 27, 2024/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung/ 0Kommentare

Auf der Homepage er Stadtverordnetenfraktion „Offenbach für alle (Ofa)“ wurde dazu am 22.05.2024 ein Beitrag veröffentlicht. Mit Zustimmung der Ofa-Fraktion veröffentlichen wir nachstehend einen Auszug daraus:

Letzte Woche waren alle Fraktionsvorsitzenden aus Stadt und Kreis Offenbach zu einer Informationsveranstaltung der Polizei eingeladen. Anlass waren die tätlichen Übergriffe auf Wahlkämpfer, die kürzlich durch die Presse gegangen sind. Die Polizei macht es sich zur Aufgabe, die Wahlkämpfe zu beschützen. Sie gab uns auch einige sinnvolle Verhaltensempfehlungen mit, z.B.: Wir sollten beim Plakatieren nicht allein unterwegs sein, besser auch nur tagsüber und nicht nachts. Das sind die gleichen Verhaltensregeln, die auch Frauen üblicherweise zu hören bekommen, die bekanntlich oft Opfer von Übergriffen werden. Das ist die Aufgabe der Polizei, und das finden wir richtig. Wir wurden dann aufgefordert, bei allen Vorkommnissen Anzeige zu erstatten. Auch das finden wir richtig. Die Polizei erläuterte uns weiterhin, warum sie möglichst viele Anzeigen bekommen möchte, selbst wenn viele davon nicht zu einer Strafverfolgung führen würden. Aber sie möchte präventiv arbeiten und Profile von Verdächtigen erstellen, um Radikalisierungen vorhersehen zu können. Eine Radikalisierung habe ja immer eine lange Geschichte. Der Vortragende erklärte weiter, dass man auch alle sozialen Netzwerke scanne, um verdächtige Entwicklungen vorherzusehen. Man habe dafür auch eine tolle Software von Palantir. Und für diese Software brauche man halt viele Daten. Leider sei jemand gegen das Anlegen von Persönlichkeitsprofilen vor das Bundesverfassungsgericht gezogen und jetzt könne die Polizei die Software noch nicht so nutzen, wie sie es gerne hätte. Daran werde aber gearbeitet…“

Und das ist – kurz gefasst – dazu die Vorgeschichte:

  • Das Präsidium für Logistik und Verwaltung der Polizei in Hessen hat im Februar eine Spionage-Software von der Firma Palantir Technologies GmbH eingekauft. Hessen war in Deutschland Vorreiter beim Einsatz von Software der US-Firma Palantir in der Tätigkeit der Polizei. Unter dem Begriff hessenDATA verbirgt sich die bei Palantir eingekaufte Software. Algorithmwatch bewertet hessenDATA wie folgt: “Das System arbeitet personenbezogen. Es setzt auf die ‘Gotham’-Software der US-Firma Palantir auf. Soweit bekannt, führt das System Daten aus sozialen Medien mit Einträgen in verschiedenen polizeilichen Datenbanken sowie Verbindungsdaten aus der Telefonüberwachung zusammen, um mögliche Straftäter zu ermitteln. Es wurde 2017 angeschafft und soll zur Identifizierung (‘Profiling’) von möglichen Terroristen dienen. Die hessische Landesregierung plant eine Ausweitung des Einsatzes auf die Bereiche Kindesentführung und -missbrauch… Dem Vernehmen nach wird das System durch Mitarbeiter*innen des Betreiberunternehmens Palantir betreut, die dadurch möglicherweise Zugriff auf personenbezogene Daten haben”.
  • Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) hat gemeinsam mit der Humanistischen Union (HU), der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) eine Verfassungsbeschwerde gegen das Hessische Gesetz über die Sicherheit und Ordnung (HSOG) eingelegt. Die Beschwerde richtete sich gegen eine Gesetzesnovelle vom 2018, welche die Überwachungsbefugnisse u.a. der Polizei massiv ausgeweitet hat. In Hessen dürfen die Behörden sogenannte Staatstrojaner einsetzen. Mit der Software Hessendata wurden personenbezogene Daten zentral und automatisiert ausgewertet. Diese automatisierte Datenauswertung war im Dezember 2022 Gegenstand einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Februar 2023 gab das Bundesverfassungsgericht der Beschwerde in weiten Teilen statt und erklärte die Befugnis zur automatisierten Datenauswertung für verfassungswidrig.
  • Auch der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Prof. Alexander Roßnagel, war als Sachverständiger zur mündlichen Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde gegen das hessische Polizeigesetz (HSOG) eingeladen. Seine Kritik an Palantir bzw HessenDATA hat Prof. Roßnagel in einer Pressemitteilung vom 21.12.2022 öffentlich bekannt gemacht.

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