Daimler-Konzern: Überwachung aller 280.000 Beschäftigten „zur Terrorismusbekämpfung“ auf Druck aus den USA?

Datenschutzrheinmain/ Januar 5, 2015/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz/ 6Kommentare

SPIEGEL ONLINE meldet am 04.01.2015: Der Daimler-Konzern will nach Informationen des SPIEGEL künftig alle drei Monate seine rund 280.000 Mitarbeiter durchleuchten. Laut einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 12. November 2014 darf das Unternehmen ‚zur Terrorismusbekämpfung‘ seit dem 1. Dezember Name, Anschrift und Geburtsdatum sämtlicher Beschäftigter mit den Daten auf entsprechenden Sanktionslisten der Europäischen Union und der USA abgleichen – und die Listen sechs Jahre lang aufbewahren. Der Hintergrund dieser Vereinbarung sei Druck aus den USA und aus der EU. Lt. SPIEGEL ONLINE hat weder die ehemalige Bundesverfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt (jetzt Vorstandsmitglied bei Daimler) noch der Konzernbetriebsratsvorsitzende Jörg Spies mit der jetzt eingeführten Schnüffel-Praxis ein Problem. Letzterer wird von SPIEGEL ONLINE gar zitiert mit der Aussage, die Betriebsvereinbarung sein ein „Leuchtturm zum Schutz der Beschäftigten“. (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/daimler-ueberprueft-mitarbeiter-wegen-angst-vor-terror-a-1011135.html)

Wer solche betrieblichen Interessenvertreter hat braucht Geheimdienste und deren Schnüffelpraxis nicht mehr zu fürchten. Denn die Schnüffelei ist bereits im Betrieb angekommen.

Es wäre wünschenswert, wenn sich tausende von Daimler-Beschäftigten mit Beschwerden an die für den Konzern zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde wenden würden:
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz – Jörg Klingbeil
Königstrasse 10a, 70173 Stuttgart oder Postfach 10 29 32, 70025 Stuttgart
Tel.: 0711/615541-0, FAX: 0711/615541-15
E-Mail: poststelle@lfd.bwl.de

Und es wäre wünschenswert, wenn der Vorstand der IG Metall und des DGB ein klares Wort sprechen und den Arbeitnehmerdatenschutz auch im Daimler-Konzern verteidigen würden.

Denn wenn diesem Beispiel betrieblich vereinbarter Ausschnüffelei der Beschäftigten nicht entschieden widersprochen wird und eine Kündigung der Betriebsvereinbarung oder deren Außer-Kraft-Setzung durch ein Arbeitsgericht oder die Datenschutzaufsicht nicht erreicht werden kann, dann Gute Nacht – Arbeitnehmer-Datenschutz! In USA und in den Konzernzentralen weltweit würde dies als Signal verstanden, deutsches Datenschutzrecht auf betrieblicher Ebene auszuhebeln.

 

6 Kommentare

  1. Eine Erklärung, warum und wie gegen Mitarbeiterinteressen verstoßen wird wäre ebenfalls wünschenswert. Was ist das konkrete Problem? Der Abgleich, der Generalverdacht oder die Quelle der Liste?
    Ich vermisse (Sach-)Argumente.

  2. 1- Auf einer solchen Terrorliste landet man schnell. Ist man dort unberechtigter Weise, ist es fast unmöglich wieder gestrichen zu werden. Jedweder Rechtsschutz geht entweder ins Leere oder er dauert Jahre.
    2- Zunächst ist anzumerken, dass diejenigen Terrorlisten, die auf europäischer Seite gepflegt werden, kraft zwingender europäischer Regelungen von Unternehmen berücksichtigt werden müssen. Insofern hat der (Konzern-) Betriebsrat auf der deutschen Seite keine Mitsprachemöglichkeiten.
    3- Zu Fragen bleibt aber, ob wirklich alle 280.000 Beschäftigten diesem Abgleich unterworfen werden müssen. Genügt es nicht, dass diejenigen Mitarbeiter, die international reisen bzw. unmittelbar in den Außenhandel involviert sind. Betroffen wären dann vielleicht nur 2.800 Beschäftigte.
    4- Deutsche und Europäische Bürger unterliegen nicht US-Amerikanischem Recht. Die besagte Betriebsvereinbarung schließt aber gerade auch US-Terrorlisten mit ein. Eine in vorauseilendem Gehorsam Unterwerfung der US-Regelungen und -Behördenentscheidungen durch diese Betriebsvereinbarung ist nicht nachzuvollziehen.
    5- Zuweilen sind US-Behörden höchst voreilig und fahrlässig darin, jemanden auf diese Liste zu setzen. Der Rechtsschutz deutscher und europäischer Bürger ist insofern *immer* ausgeschlossen. Dennoch soll nach der Betriebsvereinbarung der Beschäftigte sein Gehalt und mittelfristig wohl auch seine Arbeit und Existenzgrundlage verlieren.
    Der Spiegel Artikel lässt offen, ob die Betriebsvereinbarung wenigstens auf deutscher Seite einen Arbeitsrechtsschutz offen lässt und die „Terrorvermutung“ widerlegbar ist – es ist aber zu besorgen, dass hieran nicht gedacht wurde.
    Würde man diese Betriebsvereinbarung wieder „in die Tonne hauen“ könnte das Unternehmen immer noch die europäischen Terrorlisten abgleichen und müsste mit dem Betriebsrat nur den tatsächlich betroffenen Personenkreis unter den Beschäftigten regeln. Jede darüber hinaus gehende Regelung erscheint unverhältnismäßig und rechts- und verfassungswidrig.

    von Roland Schäfer

  3. Ich verstehe es nicht und bin schockiert!
    Ich bin selbst Teil eines Betriebsrates in einem international agierenden Konzern (bei der Muttergesellschaft) und als solcher unter anderem auch zuständig für den Beschäftigtendatenschutz.
    Auch wir wollen bevorzugte Versender sein und sind insofern verpflichtet, bestimmte Personen mit den Listen abzugleichen. Das sind dann aber nur diejenigen, die in direktem Kontakt mit Luftfrachtsendungen in die USA zu tun haben. Ein Bruchteil unserer Beschäftigten! Der Abgleich findet auch nicht regelmäßig und eher selten statt.
    Darüber hinaus gehende Abgleiche finden nicht statt!

    Was ist das für „ein Leuchtturm zum Schutz der Beschäftigten“.? Ein brennendes Mahnmal?
    Der obige Kommentar „Wer solche betrieblichen Interessenvertreter hat braucht Geheimdienste und deren Schnüffelpraxis nicht mehr zu fürchten.“ ist ja so berechtigt!
    Denn was kann passieren? Ein Unternehmen kann mit dem Argument „Daimler macht das auch“ andere Interessensvertretungen an die Wand stellen. Nicht alle Betriebsräte kennen sich in dem Feld aus oder sind stark genug, derlei Ansinnen zu widerstehen.

    Ich werde das meine tun, um solche Praxis anzuprangern und verhüten zu helfen.
    Danke Euch für die Verbreitung der Nachricht!

    Grüße
    M

  4. Hallo, es ist schon etwas verwunderlich, wenn zum Einen ein Artikel von Spiegel online als bare Münze genomme wird und zum anderen offensichtlich seitens DDRM keinerlei Recherche erfolgt. Eine Internetsuche nach „Terrorlistenabgleich“ hätte ein paar Links mit weiterführenden Links zu tage gebracht, aus denen hervorgegangen wäre, dass ein Betriebsrat den rechtlich vorgeschriebenen
    Abgleich der Beschäftigtendaten mit den sogenannten Sanktionslisten gar nicht verhindern kann.

    Vgl.: http://www.bafa.de/ausfuhrkontrolle/de/arbeitshilfen/merkblaetter/merkblatt_ebt.pdf und http://www.ausfuhrkontrolle.info/ausfuhrkontrolle/de/embargos/terrorismus/index.html

    Der Skandal ist nicht die Konzernbetriebsvereinbarung bei Daimler, sondern sind die Regelungen zum Saktionslisten (sprich: Terrorlisten)-Abgleich und der ausufernde Umfang dieser Terrorlisten, auf die mensch viel zu leicht drauf aber selbst bei nachweislich unbegründetem Terrorverdacht kaum wieder herunter kommt. Dagegen sollte sich die Empörung richten.
    Der in der Konzernbetriebsvereinbarung von Daimer geregelte Abgleich stellt leider (weil es leider direkt geltendes EU-Recht ist) keinen Datenschutzverstoss dar.

    1. Hy Werner, nur zur Info,
      mal H.D. Gmelin lesen in der Stuttgarter Zeitung von heute den 24.1.15.
      Es gibt viele EU-Gesetze an die sich die Unternehmen/Regierungen halten sollen, aber nicht tun und deswegen jedes Jahr Strafzahlungen tätigen, sei es beim eingeschränkten deutschen Streikrecht oder den Anti-Korrumptions oder Anti-Kartell-Verordnungen …
      Olavo dos Santos

  5. Wie ist der Stand heute?

    Wie wäre es mit einer Umfrage:

    Der Skandal ist nicht die Konzernbetriebsvereinbarung bei Daimler, sondern sind die Regelungen zum Sanktionslisten.

    So? Für mich schon.

    Zu den Regelungen: Wie werden die gemacht? Wer hat in der EU im Grunde genommen das Sagen?

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