Corona, die Bürger*innen-Rechte und der Datenschutz: „CoView19“ – Macht mit!

Datenschutzrheinmain/ März 16, 2020/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Datenschutz in Zeiten von Corona, Gesundheitsdatenschutz, Polizei und Geheimdienste (BRD), Sozialdatenschutz, Verbraucherdatenschutz/ 2Kommentare

Als unabhängige Grundrechtsorganisation haben wir uns diese Maßnahmen angesehen und im Detail analysiert… Die Maßnahmen bringen eine enorme Einschränkung für das Leben der Bevölkerung mit sich. Insbesondere dort wo in die Bewegungsfreiheit der Menschen eingegriffen wird, sehen wir eine besonders große Gefahr… Vor dem Hintergrund dieser Maßgabe ist es absolut essentiell, dass die erlassenen Gesetze und Verordnungen mit einem fixen Ablaufdatum versehen und einem genau spezifizierten Zweck gewidmet sind. Die beschlossenen Maßnahmen erscheinen uns notwendig anlässlich der enormen Gefahr für das Leben großer Teile der Bevölkerung. Die beschlossenen Maßnahmen sind nützlich, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen und das Gesundheitssystem vor einem Kollaps zu bewahren. Auch wenn hierbei in einzelne Grundrechte, wie die Versammlungs- und Berufsfreiheit, eingegriffen wird, erachten wir die getroffenen Maßnahmen in dieser Situation und mit den eingebauten Safeguards als verhältnismäßig…“

Eine unter bürgerrechtlichen Gesichtspunkten vorgenommene vergleichbare Bewertung der Maßnahmen in Deutschland, die auf Grund des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) und weiterer – auch neuer – rechtlicher Regelungen vom Bund, den 16 Bundesländern, aber auch von Landkreisen, Städten und Gemeinden ergriffen wurden, fehlt in Deutschland noch bzw. ist nur rudimentär vorhanden.

Mit CoView19 hat sich vor wenigen Tagen eine Initiative gebildet, die das Ziel hat, auf die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 und die begleitenden Maßnahmen zu reagieren – digital und vor Ort.“ In einer ersten Stellungnahme der Initiative wird erklärt:

Die aktuellen Entwicklungen rund um COVID-19 zeigen die Notwendigkeit eines solidarischen Umgangs miteinander. Wir befinden uns in einer Situation, in der die Gesundheit von vielen gefährdet ist. Wir begrüßen notwendige Maßnahmen. Gemeinsam müssen solidarische Lösungen gefunden werden! Gleichzeitig sind die temporären, enormen Einschränkungen von Grundrechten etwas, das es zu beobachten und kritisch zu begleiten gilt. Denn diese Entwicklung passiert in einer Situation, in der in mehreren Regionen der Welt ohnenhin massive Konflikte vorherrschen, die sich teilweise in einer Verschärfung von Kontrollpolitik niederschlagen. All jene, die Interesse an Kontroll- und Überwachungspolitik haben, haben jetzt weitgehend freie Hand. Maßnahmen, wie Grenzschließungen und Einschränkung von Versammlungsrechten bedeuten nicht nur eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, vielmehr es stellen sich Fragen wie: Wann werden Grenzen, die nun geschlossen werden, wieder geöffnet? Wann können Demonstrationen wieder uneingeschränkt stattfinden? Diese staatlichen Maßnahmen führen dazu, dass wir als Individuen in bestimmtem Maß bevormundet werden. Dabei ist es wichtig, selbstverantwortliche und den Mitmenschen gegenüber achtsame Entscheidungen und Vorsichtmaßnahmen selbst zu erkennen und umzusetzen.

Wie sich in den letzten Tagen gezeigt hat, findet eine massive Diskursverschiebung statt: Die Berichterstattung und Aufmerksamkeit hinsichtlich der Situation an den EU-Außengrenzen, insbesondere die menschenverachtende Situation in Griechenland, nimmt stark ab. Über bewaffnete Konflike wie in Syrien wird kaum noch diskutiert oder berichtet. Warum werden notwendige Ressourcen, die jetzt für die Überwindung des COVID-19 mobilisiert werden, nicht auch für andere Konflikte und Krisen aufgebracht, wie zB für die Klimakrise, für sichere Fluchtwege und den Support für geflüchtete Menschen? Die Angst vor dem Virus schürt auch Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Krisenbewältigung berücksichtigt nicht jene Menschen, die an die Ränder Gesellschaft verdrängt werden. Es wird nicht an jene gedacht, die – über kurz oder lang – von den wirtschaftlichen Folgen am meisten betroffen sind.

Wir selbst kommen aus dem Kunst-, Kultur-, Sozial- und Wissenschaftsbereich… Wir wollen ein breites breites Bündnis schaffen – für Akteur_innen aus Wissenschaft, Kunst, Kultur, Sozialarbeit, Gesundheitswesen, Bildung oder anderen Bereichen, für Menschen, die sich einfach so beteiligen wollen, für Aktivist_innen, Jurist_innen, Junge, Alte, für alle, die mitmachen und zu diesen Themenbereichen aktiv sein wollen, um gemeinsam    

  • die aktuelle(n) Stiuation(en) zu beobachten und zu dokumentieren
  • die Verschiebungen und Verschlechterung von Situationen/ Gesetzeslagen / Diskursen und (gesellschaftlichem) Umgang zu kommentieren;
  • dafür einzustehen, dass alle, insbesondere jene, die von den politischen Verantwortungsträger_innen nicht mitgedacht werden, Unterstützung finden und Absicherung bekommen;
  • die kollektive Selbstverantwortung zu stärken;
  • sicherzustellen, dass alle Verschiebungen nach dem Ende der Krise wieder zeitnahe rückabgewickelt werden…“

Wer sich bei CoView19 einbringen möchte, kann sich per Mail melden: coview [at] riseup.net.

2 Kommentare

  1. Sehr gut! Das drückt aus was ich auch denke.
    Kein Wort zur Einschräkung der Religionsfreiheit zeigt auch etwas.

  2. In der ZEIT hat Hasnain Kazim, der in Wien lebt, was richtiges und wichtiges zu den Einschränkungen von Freiheitsrechten in Krisenzeiten geschrieben:

    „Die Gefahr, die jedoch besteht, ist, dass ein Gewöhnungseffekt auftreten könnte: dass Menschen in Krisensituationen künftig schneller als bisher Einschränkungen von Freiheitsrechten hinnehmen. Dass die Sehnsucht nach dem sprichwörtlichen starken Mann, der endlich durchgreift, stärker wird. Und dass darüber der kritische Blick auf Regierungshandeln verloren geht.
    Vergessen wir das Risiko nicht

    Österreichs Kanzler Kurz hat keinen Zeitpunkt für das Ende der Maßnahmen genannt. Sie gelten auf unabsehbare Zeit, und in einer Krise wie dieser, wie wir sie noch nicht erlebt haben, kann man das als durchaus vernünftig ansehen – niemand kann sagen, wie lange das Virus uns beschäftigen wird. Das Zurückschrauben sozialer Kontakte wird in diesen Tagen als Akt der Rücksichtnahme auf die Risikogruppen, als Zeichen der Solidarität aufgefasst, und das ist nachvollziehbar. Doch verlieren wir das mit diesen unbefristeten Maßnahmen einhergehende Risiko der schleichenden Gewöhnung nicht aus den Augen.

    Eine Regierung, die solche Einschnitte in das Leben und die Freiheit der Menschen auslöst, wird sich in den kommenden Tagen immer wieder neu begründen und erklären müssen. Und eine Öffentlichkeit, die solchen Einschnitten ausgesetzt ist, darf nicht müde werden, kritisch auf das Handeln der Regierung zu schauen. Und sie darf sich auch nicht davon abbringen lassen, wenn die Regierenden diese Kritik mit dem Ruf nach „Zusammenhalt in der Krise“ delegitimieren wollen. Die Einschränkung der Freiheit darf nicht zu einem normalen politischen Instrument werden. Komme, was wolle.“

    https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-03/ausgangssperren-oesterreich-infektionsschutz-coronavirus/komplettansicht

    Deshalb: Aufpassen, dass Freiheits- und Bürgerrechte nicht unter die Räder kommen!

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