Bundesverfassungsgericht: Macht die Polizei Aufnahmen von DemonstrationsteilnehmerInnen, dürfen diese „zurückfotografieren“ und „zurückfilmen“

Datenschutzrheinmain/ Oktober 8, 2015/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Mit Pressemitteilung vom 08.10.2015 hat das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt, dass es der Verfassungsbeschwerde eines Mannes stattgegeben hat, der sich im Januar 2011 auf einer angemeldeten Versammlung befand, bei der die Polizei Ton- und Bildaufnahmen der Versammlungsteilnehmer anfertigte. In den aufgehobenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Göttingen und des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg war die Personenkontrolle eines Mitglieds der Göttinger Bürgerrechtsorganisation „Bürger beobachten Polizei und Justiz“ durch Beamte einer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit zunächst für rechtmäßig erklärt worden. Er wurde während der Demonstration durch Einsatzkräfte der Polizei aufgefordert, sich auszuweisen. Die eingesetzten Beamten behaupteten, seine Begleiterin filme sie während ihres Einsatzes.

Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass sowohl die Kontrolle selbst als auch die Gerichtsentscheidungen unverhältnismäßige Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellten.

Nach Auffassung des BVerfG ist die Polizei, wenn sie Filmaufnahmen von einer Versammlung anfertigt, nicht ohne Weiteres berechtigt, die Identität von Versammlungsteilnehmern festzustellen, die die Polizeikräfte ihrerseits filmen. Die Identitätsfeststellung sei nur bei konkreter Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut zulässig. Im vorliegenden Fall wären daher tragfähige Anhaltspunkte dafür erforderlich gewesen, dass die Filmaufnahmen der Versammlungsteilnehmer später veröffentlicht werden sollten und nicht anderen Zwecken, etwa der Beweissicherung, dienten.

Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteile wurden vom Bundesverfassungsgericht als rechtsfehlerhaft zurückgewiesen. Die Verwaltungsgerichte unterstellten in ihren Entscheidungen, dass die eingesetzten Polizisten davon hätten ausgehen dürfen, dass die Aufnahmen im Internet veröffentlicht werden sollten. Verkannt worden sei, dass der Anlass für die Aufnahmen darin lag, dass die Polizei selbst Bild- und Tonaufnahmen der Teilnehmer einer öffentlichen Versammlung anfertigte. Fertigten Versammlungsteilnehmer in einer solchen Situation ihrerseits Ton- und Bildaufnahmen von den eingesetzten Polizisten an, könne nicht ohne nähere Begründung von einer konkreten Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut ausgegangen werden. Vielmehr sei zu prüfen, ob es sich bei der Anfertigung der Aufnahmen lediglich um eine bloße Reaktion auf die von der Polizei gefertigten Bild- und Tonaufzeichnungen, etwa zur Beweissicherung mit Blick auf etwaige Rechtsstreitigkeiten, handelte.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Aktenzeichen 1 BvR 2501/13) ist hier im Wortlaut nachlesbar.

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