Bundessozialgericht: Krankenkassen dürfen Fotos ihrer Versicherten nicht dauerhaft speichern

Gesunde_daten/ Dezember 19, 2018/ alle Beiträge, Telematik-Infrastruktur/ 8Kommentare

Die Krankenkassen dürfen die Fotos ihrer Versicherten nicht dauerhaft speichern. Wie heute das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied, müssen sie das Foto löschen, sobald sie die Versichertenkarte hergestellt haben (Az.: B 1 KR 31/17)… Bislang speicherten die Krankenkassen das Foto dauerhaft bis zum Ende des Versicherungsverhältnisses, etwa um es für Ersatz- oder nachfolgende Karten zu verwenden. Ein Versicherter der Techniker Krankenkasse (TK) sah dadurch sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt und klagte.” Das meldet Ärzteblatt.de am 18.12.2018.

Vom Bundessozialgericht (BSG) liegt zu diesem Verfahren bisher lediglich eine Pressemitteilung vom 13.12.2018 vor, in der u. a. informiert wird: Die beklagte Krankenkasse lehnte den Antrag des bei ihr versicherten Klägers ab, ihm einen aktuellen Versicherungsnachweis ohne Lichtbild auszustellen: Sie sei berechtigt, diejenigen Sozialdaten zu erheben und zu speichern, die sie für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte benötige. Das Recht zur Speicherung erstrecke sich auch auf das Lichtbild für die elektronische Gesundheitskarte und bestehe bis zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Der Kläger hat mit seiner Klage beim Sozialgericht Konstanz und Landessozialgericht Baden-Württemberg keinen Erfolg gehabt. Vielmehr wurde die Auffassung der Beklagten bestätigt. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger weiter die Verurteilung der beklagten Krankenkasse zur Unterlassung der Speicherung eines zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte künftig eingereichten Lichtbildes über den Zeitraum hinaus, der für die Ausstellung der Karte benötigt wird..”

Mit seiner Entscheidung hat das BSG damit auch ein Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27.06.2018 (Aktenzeichen: S 208 KR 2111/16) bestätigt, in dem dieses Gericht feststellte:

  1. „Sobald eine Krankenkasse die elektronische Gesundheitskarte mit einem Lichtbild des Versicherten ausgestellt hat, hat die Krankenkasse das Lichtbild zu löschen.
  2. Die Speicherung des Lichtbildes bzw. die Kenntnis des äußeren Erscheinungsbildes eines Versicherten ist für die Krankenkasse nur bis zur Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte notwendig.
  3. Die fortwährende Speicherung kann nicht damit begründet werden, dass auf diese Weise im Bedarfsfall die Ausstellung einer Ersatzkarte erfolgen kann.“

Update:

„Der 1. Senat des BSG berichtet über seine Sitzung vom 18.12.2018, in der er über sechs Revisionen auf Grund mündlicher Verhandlung in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu entscheiden hatte…

4. B 1 KR 31/17 R
SG Konstanz, Urt. v. 06.04.2016 – S 7 KR 877/15

LSG Stuttgart, Urt. v. 23.11.2016 – L 5 KR 1768/16

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger war mit seinem Antrag auf Ausstellung eines aktuellen Versicherungsnachweises ohne Lichtbild bei der Beklagten ohne Erfolg…

Das BSG hat die beklagte Krankenkasse verurteilt, die Speicherung eines ihr künftig übersandten Lichtbildes des Klägers nach Übermittlung der hiermit erstellten elektronischen Gesundheitskarte in den Herrschaftsbereich des Klägers zu unterlassen.

Das BSG ist durch das Anerkenntnis der Beklagten nicht an einer Entscheidung durch begründetes Sachurteil gehindert. Denn der Kläger hat kein Anerkenntnisurteil beantragt.

Nach Auffassung des BSG hat der Kläger Anspruch auf die begehrte Unterlassung. Es fehlt eine Ermächtigungsgrundlage, um das Lichtbild länger zu speichern. Das Gesetz erlaubt die Speicherung von Sozialdaten wie dem Lichtbild nur so lange, wie dies für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich ist. Die dauerhafte Speicherung ist für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte nicht erforderlich.“

8 Kommentare

  1. Die Krankenkassen benötigen i.d.R. selbst KEIN Foto; es sei denn, die Krankenkassen erstellen selbst physisch die Krankenversichertenkarte.
    Der Prozess der Kartenerstellung ist aber meist auf Dienstleister ausgelagert.

    Eigentlich müsste es deshalb um die dortige Erhebung, Speicherung und Nutzung gehen.
    Hier ist es eigentlich noch klarer, dass nach dem Erstellungsprozess das Lichtbild bei dem Dienstleister nicht mehr ERFORDERLICH ist!

    1. Sehr gut erkannt.

      Und genau dieser Prozess, wer welche Daten wie lange erhält bzw. darauf zugreifen kann, um die eGK zu erstellen, liegt völlig im Dunkeln. Security by obscurity.

      Es ist – zumindest mir – nicht einmal bekannt, um welche Dienstleister es sich handelt, die nicht nur meine Bilddaten, sondern auch die Stammdaten von meiner Krankenkasse erhalten. Wie sieht es mit der Löschung solcher Daten aus? Wie hoch ist die Sicherheit der Daten und der Datenschutz bei den Beteiligten?

      Wenn diese Dienstleister genau so lasch mit den Daten umgehen, wie die Krankenkassen bei der Erhebung der Versichertenfotos („Bestätigen Sie bitte, dass Sie auf dem Foto abgebildet sind, wir glauben Ihnen das natürlich!“), dann wird das noch böse enden.

      Hat jemand schon einen Antrag auf Datenauskunft gemacht, wer bei der Erstellung seiner eGK alles auf die Daten zugreifen kann? Die Info wäre sehr interessant.

  2. Muss ich jetzt meine KK auffordern das Bild zu löschen oder müssen die das selbst tun?

  3. Hi Max,

    das Urteil ist nur für den Kläger bindend – nicht für alle Versicherten der Kasse. Daher wäre es eine gute Idee, dass Du Dein Betroffenenrecht auf Löschung (Art 17 DS GVO) hier geltend machst.
    Eigentlich ist die öffentliche Verwaltung – dazu zählen auch Krankenkassen – an *Recht* und Gesetz gebunden, und ein Urteil eines Bundesgerichtes gehört zum „Recht“. Dennoch gilt: Jede weitere Anfrage und Inanspruchnahme von Betroffenenrechten erhöht den Druck, dem Urteil auch für alle anderen Versicherten Rechnung zu tragen.
    Ach ja, ich kanns selbst nicht machen – diese Kasse hat kein Bild von mir …

    Von Roland Schäfer

  4. Hallo zusammen, ich kämpfe jetzt seit dem 03.02.2016 gegen die Speicherung des Lichtbildes und seit April 2017 um die mir zustehende Datenauskunft. Jetzt 2018 im Dezember der positve Bescheid zur Datenauskunft mit der Bitte um 14 Tage Vorlauf aus organisatorischen Gründen. Die Löschung des Bildes wurde weiterhin verweigert. Das war aber vor deem 18.12.18. Jetzt wird von mir „nachgekartet“, wenn nötig auch gerichtlich.

  5. Guten Tag Zusammen,

    weiß jemand der Kommentatoren oder Organisatoren dieser Homepage etwas über den Verbleib der Homepage von Hr. L (dem Systemadministrator) der gegen die egK geklagt hat?
    Ich finde die Seite nicht mehr im Netz und die dortigen Dokumente waren sehr informativ. Gerade jetzt, da wir weiter auf die elektronische Gesundheitsakte zusteuern.
    Hat jemand Informationen?
    Gruß
    Andreas

    1. Hallo,
      die Homepage wurde von Herrn L. vom Netz genommen.
      Ein Teil der Beiträge/Dateien ist hier „konserviert“:
      https://web.archive.org/web/*/http://www.ocmts.de/

  6. Die Sache ist übrigens mittlerweile obsolet. Wie immer werden illegale Dinge einfach nachträglich legalisiert:
    §291a Abs. 5 SGB V in neu:
    „Die Krankenkassen dürfen das Lichtbild für die Dauer des Versicherungsverhältnisses des Versicherten, jedoch längstens für zehn Jahre, für Ersatz- und Folgeausstellungen der elektronischen Gesundheitskarte speichern. Nach dem Ende des Versicherungsverhältnisses hat die bisherige Krankenkasse das Lichtbild unverzüglich, spätestens aber nach drei Monaten, zu löschen.“

    Also kann man zwar noch versuchen, nachträglich zu widersprechen, aber die Kassen dürfen zunächst erstmal speichern.
    Hat da irgendjemand etwas davon mitbekommen? Ging das etwa vollkommen heimlich durch?

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