Bundesinnenminister Thomas de Maizière: „Datenschutz ist kein Selbstzweck“

Datenschutzrheinmain/ Februar 18, 2017/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 1Kommentare

Unter diesem Titel hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 16.02.2017 einen Beitrag im Berliner Tagesspiegel veröffentlicht. Er ist damit nach Bundeskanzlerin Merkel und Bundesgesundheitsminister Gröhe das dritte Mitglied des Bundeskabinetts aus den Reihen der CDU, das sich seit Jahresbeginn mit einem Grundsatzbeitrag zum Thema Datenschutz öffentlich positioniert.

Meine Daten gehören mir – mit diesem Slogan, der die Kontroverse um die Volkszählung in den 80er Jahren geprägt hat, versucht sich de Maizière auseinander zu setzen. Mit dürftigem Ergebnis. de Maizière: „Dabei ist – rechtlich betrachtet – klar, dass es kein Eigentum an Daten gibt wie an Sachen. Das hatte das Bundesverfassungsgericht schon 1983 erkannt, als es feststellte, dass der Einzelne kein ‚Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über <seine> Daten‘ hat. Informationen über Aussehen, Kleidungsstil, Auftreten: all das sind Daten, die ich nicht kontrollieren kann. Sie werden ständig kopiert, verändert, weiterverbreitet. Sie sind eben keine Gegenstände, die weggenommen oder zurückgeholt werden können.“ Mit Gemeinplätzen dieser Art geht es weiter im Text:

  • „Unter Privatsphäre versteht jeder etwas anderes“
  • „Gut genutzte Daten können das Leben verbessern“
  • Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung beschreibt, wie man sich allgemein im Straßenverkehr zu verhalten hat. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir diese Regeln auf den Umgang mit Daten übertrügen. Die beiden Gebote lauteten dann: Paragraph 1 Absatz 1: ‚Die Teilnahme am Datenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.‘ und Paragraph 1 Absatz 2: ‚Wer am Datenverkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.‘

Wenn es so einfach wäre mit Regelungen zum Datenschutz: Warum hat dann die EU mit ihrer Datenschutzgrundverordnung 11 Kapitel, 99 Artikel, 173 Erwägungsgründe und mehrere Dutzend Seiten benötigt? Alles Überregulierung! – so kann de Maizières Verweis auf die Straßenverkehrsordnung gedeutet werden.

Da unser aller Bundesinnenminister – so ist seinem Beitrag zu entnehmen – vom Volkszählungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 schon mal gehört hat sei ihm ein Blick in die Urteilsbegründung empfohlen. Die Karlsruher Richter haben aus Art. 1 und Art. 2 Grundgesetz das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung begründet und dazu ausgeführt:

Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. […] Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Hieraus folgt: Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus. Dieser Schutz ist daher von dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG umfasst. Das Grundrecht gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ (im Abschnitt C II 1 a)

Diese Definition hat auch der Bundesinnenminister – der zugleich als „Verfassungsminister“ anzusehen ist – in seinem Handeln zu beachten. Sonst verletzt er seinen Amtseid.

1 Kommentar

  1. Leute, ihr habt ja recht. Ist wahrlich kein Glanzstück der Argumentation, was mir da so ein Dödel aus der Presseabteilung des BMI untergeschoben hat. Der Vergleich des BDSG mit der StVO ist wirklich unterirdisch! Habe den Text vor der Weitergabe an den Tagesspiegel leider nicht richtig gelesen. Sonst wäre der nie unter meinem guten Namen veröffentlicht worde.

    Den Knaben aus der Presseabteilung des BMI wollte ich rausschmeisen, fristlos kündigen wg. dem Bockmist, den er unter Nutzung meines Namens fabriziert hat. Der Personalrat hier im Ministerium hat leider widersprochen. Beiträge dieses Niveaus würden in meinem Ministerium häufiger verfasst. Man könne deshalb nicht jedesmal kündigen.

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