Anhörung zum E-Health-Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Gröhe am 4. November

Datenschutzrheinmain/ Oktober 29, 2015/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 13Kommentare

IMG_0001_13TeilnehmerInnen der Demonstration Freiheit stirbt mit Sicherheit am 30.05.2015 in Frankfurt

Am 04.11.2015, findet im Bundestag eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit zum Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (kurz als E-Health-Gesetz bezeichnet) statt.

Auf der Homepage des Bundestags sind aus diesem Anlass u. a. Stellungnahmen

  • der BITKOM, des Lobbyverbands der IT-Gesundheitsindustrie und
  • der GKV, dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen veröffentlicht.

Allen GegnerInnen einer zentralisierten Datenhaltung der Gesundheitsdaten von 70 Mio. Angehörigen der gesetzlichen Krankenkassen seine insbesondere diese beiden Stellungnahmen zur kritischen Lektüre empfohlen.

Während die BITKOM ihren Schwerpunkt der Kritik am Gesetzentwurf von Minister Gröhe darauf legt, dass er die geplante zentralisierten Datenhaltung der Gesundheitsdaten nicht ausreichend fördern würde macht die GKV Vorschläge, wie der Druck auf den eGk-kritischen Teil der Versicherten weiter verstärkt werden kann.

So stellt die GKV in Ihrer Stellungnahme auf S. 6 dar: „Die Neuregelung [in § 15 SGB V] eröffnet den gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit, für das Ausstellen einer Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen 5 Euro zu berechnen, sofern die eGK aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann.“ Daran schließt sich die Bewertung der GKV an, dass diese repressiv gedachte Neuregelung geringere Wirkung hätte als das Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.11.2014 (Aktenzeichen: B 1 KR 35/13 R). Dessen Druckpotential gegenüber den Verweigerern einer eGk werde durch die beabsichtigte Neuregelung reduziert. Um dies zu vermeiden, regt die GKV in ihrer Stellungnahme auf S. 8 eine Ergänzung des Gesetzestextes an. Ihr Änderungsvorschlag lautet: Die Bescheinigung nach Satz 4 darf nur ausgestellt werden, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt.“ Als Begründung dafür nennt die GKV: „Der neue Satz 5 stellt klar, dass die Ausstellung einer zur Überbrückung von Übergangszeiten befristeten Ersatzbescheinigung nur dann in Betracht kommt, wenn der Versicherte seinen im Zusammenhang mit der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte bestehen-den Mitwirkungspflichten nachkommt. Bei Versicherten, die nicht von § 291 Absatz 2 Satz 5 SGB V [neu] erfasst sind und die Abgabe eines Lichtbildes verweigern, kommt die Ausstellung einer Ersatzbescheinigung somit erst dann in Betracht, wenn der Versicherte ein Lichtbild eingereicht hat. Die Befristung der Ersatzbescheinigung hat sich an der kassenindividuellen Dauer der Erstellung und Versendung der elektronischen Gesundheitskarte zu orientieren. Hat der Versicherte die Einreichung eines Lichtbildes zunächst erst einmal lediglich in Aussicht gestellt, ist die Vornahme einer kurzen Befristung angezeigt. Nach Ablauf der Frist kann eine weitere Ersatzbescheinigung erst dann ausgestellt werden, wenn ein Lichtbild eingereicht wurde.“

Ungeachtet der Frage, ob und wie die individuelle Verweigerung eines Antrags auf Ausstellung einer eGk noch ein wirksames Instrument in der politischen Auseinandersetzung um die zentralisierten Datenhaltung der Gesundheitsdaten von 70 Mio. Angehörigen der gesetzlichen Krankenkassen sein kann: Die GKV macht sich mit solchen Vorschlägen zum Befürworter eines Obrigkeitsstaats, der besser als die Betroffenen weiß, was gut für sie sei. Das ist nicht akzeptabel!

Zu den technischen Möglichkeiten und Gefahren einer zentralisierten Datenhaltung der Gesundheitsdaten ist eine Stellungnahme zum geplanten eHealth-Gesetz auf der Homepage von Rolf D. Lenkewitz veröffentlicht. Sie sei allen GegnerInnen der telematischen Infrastruktur im Gesundheitswesen empfohlen, die mehr als nur rudimentäre edv-technische Kenntnisse aufweisen.

13 Kommentare

  1. Ergänzung: Sehr lesenswert ist auch die Stellnahme der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, die sich wohltuend kritisch mit dem Gesetzt auseinandersetzt und Klartext redet. Hier wird auf die Repressalien aufmerksam gemacht und den Verlust von Rechten, die mit dem Gesetz abgegeben werden müssen!

    http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a14/anhoerungen/stellungnahmen-inhalt/392888

    In der Stellungnahme des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes wird darauf hingewiesen: Das neue eGK/TI-System ist in keiner Hinsicht -barrierefrei- . Blinde und Sehbehinderte können das System nicht benutzen.

  2. Es ist schon frech, was da laut GKV mit der papiergebundenen Ersatzbescheinigung angestellt werden soll. Einerseits. Andererseits hat der Widerstand gegen die eGK über die Ablehung des Lichtbildes für mich etwas fetischistisches. Interessant wird in jedem Fall sein, wie es zeitlich um den „großen Online-Test“ der VSD bestellt ist, da läuft einiges unrund.

  3. Wo steht eigentlich im Gesetzentwurf, dass die Daten der eGK – Inhaber zentral gespeichert werden sollen?
    M.W. nirgends, also bleiben sie dort, wo sie heute schon sind: Bei jeder einzelnen gesetzlichen Krankenkasse.

    1. Das ergibt sich im Wesentlichen aus § 291a SGB V und auch den eingeschränkten technischen Möglichkeiten des Chips auf der eGK.

      Diese „auf der eGK“ gespeicherten Daten sind ja auch dazu gedacht (vermeintlich), z.B. Befundberichte zwischen verschiedenen Ärzten und Krankenhäusern auszutauschen. Dies wäre allein über eine Chipkarte nicht möglich.

    2. Im Gesetzentwurf steht dies nicht, denn das eHealth-Gesetz beschreibt nicht die Konzepte der Speicherung, dies steht als Skizze in den technischen Dokumentionen der gematik. Die Daten sind heute nicht mehr bei den Krankenkassen, sondern in eigenen Rechenzentren und angemieteten Rechenzentren, die alle von den neuen Technologien betroffen sind. Beispiele dafür sind die Virtualisierung, die Cloud und dezentrale Speichersysteme, die zu einem einzigen IT-System verlinkt werden. Die große Täuschung hält an: Es geht weniger um die eGK, sondern es geht um die Datenverarbeitung in der Telematik-Infrastruktur.

    3. Wie und Wo werden die Daten abgespeichert?

      Antwort:

      http://www.ocmts.de/egk/antwort.html

  4. Dieses ganze Vorgehen, das die Krankenkassen und Ärzte jetzt schon bzgl. der eGK betreiben, ist völlig gesetzwidrig.

    1.
    Allein dass die alte Krankenversichertenkarte zumindest auf Wunsch des Versicherten nicht mehr ausgestellt und von den Ärzten nicht mehr akzeptiert wird, ist gesetzwidrig. Die alte KV-Karte ist in § 291 SGB V geregelt, die neue eGK in § 291a SGB V. Wäre die alte KV-Karte nicht mehr gültig, wäre der § 291 SGB V gestrichen oder durch eine andere gesetzliche Regelung z.B. in § 291a SGB V zu einem bestimmten Zeitpunkt für unwirksam erklärt worden. Beides ist nicht der Fall.

    Auch der von den Krankenkassen und Ärzten genannte Stichtag 01.01.2015, ab dem nur noch die eGK als alleiniger Versicherungsnachweis gültig sei, ist lediglich im BMV-Ä (entsprechend vermutlich auch im BMV-Z) zu finden, nicht jedoch in irgendeinem Gesetz.

    Der BMV-Ä wird jedoch nicht vom Gesetzgeber, sondern ausschließlich von den Krankenkassen und den Ärzten bzw. deren Spitzenverbänden, die beide nicht Teil des Gesetzgebers sind, ausgehandelt.

    Die Rechtsgrundlagen des BMV-Ä sind die §§ 82 bis 87e SGB V. In diesen Paragraphen ist abschließend geregelt, was die Krankenkassen und Ärzte resp. deren Spitzenverbände untereinander vertraglich im BMV-Ä regeln dürfen. Der Versicherungsnachweis und die Art und Weise, wie dieser zu erbringen ist, gehört eindeutig nicht dazu. Dies wird ausschließlich und abschließend in den §§ 291 und 291a SGB V geregelt.

    Insofern ist der BMV-Ä keine zulässige Rechtsgrundlage bzgl. der eGK.

    2.
    Die neue mit der eGK vergebene lebenslang gültige und krankenkassenübergreifende Versicherungsnummer verstößt eindeutig gegen § 290 SGB V.

    Dort steht in Abs. 1:
    „Die Krankenversichertennummer besteht aus einem unveränderbaren Teil zur Identifikation des Versicherten und einem veränderbaren Teil, der bundeseinheitliche Angaben zur Kassenzugehörigkeit enthält …“

    Und in Abs. 2 folgt:
    „Die Krankenversichertennummer ist von einer von den Krankenkassen und ihren Verbänden räumlich, organisatorisch und personell getrennten Vertrauensstelle zu vergeben. Die Vertrauensstelle gilt als öffentliche Stelle und unterliegt dem Sozialgeheimnis nach § 35 des Ersten Buches. Sie untersteht der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit.“

    Die neue Versichertennummer, die mit der eGK vergeben wird und lebenslang und krankenkassenübergreifend gültig ist, verstößt ganz eindeutig gegen Abs. 1, da in dieser neuen Versichertennummer kein krankenkassenspezifischer Teil mehr enthalten ist.

    Ob und inwieweit dabei gegen Abs. 2 verstoßen wird, entzieht sich leider meiner Kenntnis, da ich nicht weiß, wer diese neue Versichertennummer vergibt. Aufgrund der hinter dem Telematik-System stehenden privatwirtschaftlichen Unternehmen vermute ich aber auch hier den ein oder anderen Gesetzesverstoß.

    Hinzu kommt, dass diese neue Versichertennummer auch den eGK-Verweigerern vergeben wurde. Diese taucht seit geraumer Zeit auf den schriftlichen Ersatzbescheinigungen auf. Somit wurden auch die eGK-Verweigerer schon gegen ihren ausdrücklichen Willen in dieses Telematik-System und die damit verbundene Datenbank gezwungen.

    Faktisch nützt die eGK-Verweigerung also nichts mehr. Sie hat zwischenzeitlich leider nur noch symbolischen Charakter.

    Hier stellen sich Krankenkassen und Ärzte ganz klar über das Gesetz und verhalten sich damit schlicht und ergreifend gesetzwidrig, also illegal.

    3.
    Die von den Krankenkassen geforderten Repressalien sind ebenfalls rechtlich nicht zulässig, da sich der Leistungsanspruch nicht aus dem Vorhandensein irgendeines Versicherungsnachweises, also irgendeiner Karte (weder KV-Karte, noch eGK), ergibt, sondern einzig und allein durch das Vorliegen der Versicherungsvoraussetzungen nach §§ 5 bis 10 SGB V.

    Sobald eine dieser Voraussetzungen vorliegt, also eine gesetzliche Krankenversicherung nach einer dieser Rechtsgrundlagen besteht, besteht ein Leistungsanspruch.

    Natürlich müssen die Ärzte irgendeinen Nachweis für das Bestehen einer Versicherung erhalten, damit sie nicht auf ihren Kosten sitzen bleiben. Hier kann es aber nicht zulässig sein, dass Versicherten der Zugang zu per Gesetz rechtsgültigen Versicherungsnachweisen verweigert wird und die Versicherten sogar noch mit Repressalien belegt werden, wenn sie sich den anderen Versicherungsnachweisen verweigern, auch wenn diese gesetzlich zulässig sind.

    1. Das Thema der Krankenversicherungsnummer im Kontext der
      eGK ist vielschichtig. Die Klärung der Rechtmäßigkeit
      erfordert eine umfangreiche Untersuchung der Sachverhalte
      und der Entwicklung. Hier für alle die es interessiert
      einige sehr wichtige Quellen dazu:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Versicherungsnummer

      https://media.gkvnet.de/public/KVNR_VST_Broschuere.pdf
      (dieses Dokument beschreibt die Generierung der KVNR im Kontext der eGK)

      „Analyse von Krankenversichertendaten zur Identifikation psychischer
      Krankheiten“
      http://www-ai.cs.uni-dortmund.de/PublicPublicationFiles/czerniejewski_2008a.pdf

      Dieser Beitrag zeigt wie Nummern und Daten zusammenlaufen, meine Arbeit mit den Metadaten baut darauf auf, in dem die gematik-Dokumentationen ausgewertet werden.

  5. Wo und Wie werden die Daten gespeichert? siehe http://www.ocmts.de/egk/antwort.html

  6. Auch bei Heise hat sich ein Redakteur kritisch mit der Stellungnahme der GKV beschäftigt. Lesenswert!
    <http://www.heise.de/newsticker/meldung/Krankenkassen-wollen-eGK-Verweigerer-staerker-unter-Druck-setzen-2865807.html>

  7. lasst die industriegesteuerten Polit-Clowns ruhig so weitermachen… So wird aus fortgesetzter Noetigung eine schwere fortgesetzte Noetigung. Vergesst das SGB und bewegt persoenliche Belange mit dem BGB (Vertragserfuellung) und dem GG (da kann man u.a. auch mal Artikel 3 Absatz 1 geltend machen; sind doch nur die Prekarier der Nicht-Privatversicherten per Gesetz gezwungen diese Karte und das nachgelagerte Datenmonster als alternativlos zu akzeptieren).

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