Als wäre nichts gewesen: Landtag NRW stimmt einstimmig für Videoüberwachung

Datenschutzrheinmain/ Juli 14, 2018/ alle Beiträge, Videoüberwachung/ 0Kommentare

§ 15a des Polizeigesetzes NRW (PolG NRW) ist die Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung durch die Polizei in Nordrhein-Westfalen (von der CDU/FDP-Landesregierung verschämt Videobeobachtunggenannt). Abs. 5 des § 15a PolG NRW lautet: “§ 15a tritt am 31. Juli 2018 außer Kraft. Die Auswirkungen dieser Vorschrift und die praktische Anwendung werden durch die Landesregierung unter Mitwirkung einer oder eines unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen geprüft. Die Landesregierung berichtet dem Landtag über das Ergebnis der Evaluierung.”

Dass die Videoüberwachung als polizeiliche Standardmaßnahme erhalten und ausgeweitet werden soll, sieht der Entwurf der CDU/FDP-Landesregierung für ein Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen (Drucksache 17/2351) vor. Im parlamentarischen Beratungsverfahren gab es dagegen Widerspruch, auch aus den Reihen der Regierungskoalition. Und außerparlamentarisch regt sich massiver Widerstand gegen #PolGNRW, wie zuletzt die Massendemonstration am 07.07.2018 in Düsseldorf zeigte.

Die Regierungsfraktionen in NRW hatten fast übersehen, dass durch die Verzögerung im Gesetzgebungsverfahren polizeiliche Videoüberwachung ab 01.08.2017 nicht mehr zulässig gewesen wäre. In aller Eile brachten Sie am 05.07.2018 einen Gesetzentwurf zur Änderung der Befristungsregelung in § 15a Abs. 5 Satz 1 PolG NRW in den Landtag ein (Drucksache 17/3064). In 3. Lesung wurde der Gesetzentwurf am 13.07.2018 einstimmig – d. h. auch mit den Stimmen der Oppositionsparteien Grüne und SPD – verabschiedet.

Da stellen sich dann doch einige Fragen:

  • Ist den Abgeordneten des Landtags NRW – insbesondere denen aus den Reihen von Grünen und SPD, die an der Demonstration am 07.07.2018 teilnahmen oder dort gar Widerstand gegen #PolG NRW artikulierten – der Forschungsbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e. V. mit dem Titel “Ergebnisse der Evaluation der polizeilichen Videobeobachtung in Nordrhein-Westfalen gemäß § 15a PolG NRW“ nicht bekannt?
  • Ist den Abgeordneten des Landtags NRW – insbesondere denen aus den Reihen von Grünen und SPD – die von ihnen selbst in § 15 Abs. 5 PolG NRW aufgenommene Verpflichtung zur Evaluation der Wirkung polizeilicher Videoüberwachung nicht wichtig genug, um bei der Landesregierung nach dem Ergebnis dieser Evaluation zu fragen?
  • der interessieren sich die Abgeordneten des Landtags NRW – insbesondere aus den Reihen von Grünen und SPD – nicht für die Ergebnisse des Forschungsbericht?

Das Westfalen-Blatt fasste die Ergebnisse des Forschungsberichts am 22.06.2018 wie folgt zusammen: “Die mehr als 100 Seiten starke Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Kameras wirken kaum oder gar nicht, in Dortmund nahm die Straßenkriminalität im videoüberwachten Bereich sogar zu. ‘Die Videobeobachtung hat nur in einer Stadt zu einer nennenswerten Reduktion des Kriminalitätsaufkommens beigetragen. Der beobachtete Effekt fiel darüber hinaus sehr schwach aus. In zwei weiteren Städten ergaben sich allenfalls Tendenzen in diese Richtung, und in einer Stadt zeigte sich sogar ein Effekt in die gegenteilige Richtung’, lautet das Fazit der Untersuchung wörtlich. Polizeiliche Videobeobachtung von Straßen und Plätzen gibt es in Düsseldorf (zehn Kameras), Mönchengladbach (7), Aachen (7), Essen (16), Dortmund (14), Duisburg (19) und Köln (25)…”

Warum haben die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD dies alles nicht beachtetet und – ohne dass dafür Gründe genannt wurden – dem Gesetzentwurf von CDU und FDP zur Verlängerung des Rechts der Polizei auf Videoüberwachung bis 31.12.2018 einstimmig zugestimmt?

Die Gegnerinnen des #PolGNRW, insbesondere die mehr als 18.000 Demonstrant*innen am 07.07.2018, haben ein Recht auf eine Antwort auf diese mehr als nur fragwürdige politische Rochade.


Update 16.07.2018

Quelle: 15.06.2018

Die von Frau Schäffer (Parlamentarische Geschäftsführerin, Sprecherin der Grünen im Landtag NRW für Innenpolitik) genannten Fragen an und Antworten von NRW-Innenminister Reul sind hier nachlesbar.

 

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