Baden-Württemberg: Landesregierung missachtet Datenschutzrechte und informationelle Selbstbestimmung von Flüchtlingen

Datenschutzrheinmain/ Juni 15, 2016/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

Die Humanistische Union (HU) in Baden-Württemberg hat am 14.06.2016 in einer Pressemitteilung auf eine datenschutzrechtlich mehr als zweifelhafte Praxis (nicht nur ?) in Baden-Württemberg hingewiesen: „Im Herbst vergangenen Jahres wurden (auch) in Baden-Württemberg für die Landeserstaufnahmestellen für Flüchtlinge (LEA) sog. Zugangskarten eingeführt. Diese verfügen über einen QR-Code, über den jeder Zutritt und jedes Verlassen der Aufnahmeeinrichtung maschinenlesbar zeitgenau erfasst  wird. Damit wird ein lückenloses Anwesenheitsprofil der Flüchtlinge erstellt…“

Was nach Feststellungen der HU die Verfahrensweise noch anrüchiger macht: Die private Betreiberfirma, die die Landeserstaufnahmestellen für Flüchtlinge und auch die Zugangskontrollen betreibt tut dies, ohne vom Land Baden-Württemberg auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Normen verpflichtet zu sein. Und die zuständigen Stellen der Landesverwaltung haben diese rechtswidrige Verfahrensweise in Abrede gestellt bzw. gedeckt. Nach Recherchen der HU hatte das damals noch bestehende Ministerium für Integration in einer Stellungnahme mitgeteilt: Die Betreiberfirma einschließlich deren Mitarbeiter sei „vertraglich zur Geheimhaltung und zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen verpflichtet“. Dies ist aber bislang offensichtlich nicht der Fall. Denn vor wenigen Tagen teilte das Regierungspräsidium Freiburg der HU mit, dass es sich „mit der Betreiberfirma European Homecare in laufenden Vertragsverhandlungen“ befinde „und daher derzeit noch kein schriftlicher Vertrag vorliegt“. Man habe „seit Beginn des Auftrages auf den streng vertraulichen und maßvollen Umgang mit den Daten hingewirkt“, alles erfolge ausschließlich „im Rahmen der geltenden Vorschriften“.

Die HU Baden Württemberg stellt dazu fest: „Damit sind unsere Befürchtungen bestätigt: Entgegen dem eindeutigen gesetzlichen Wortlaut des § 7 LDSG (Landesdatenschutzgesetz – Auftragsdatenverarbeitung) wird die bundes- und europaweit agierende private Bewachungsfirma European Homecare auf Grund nur irgendwelcher vager mündlicher Abmachungen mit der Verwaltung und Überwachung der Flüchtlingsunterkünfte beauftragt. Die gesetzlich geforderten Verträge über die Verarbeitung der anfallenden hochsensiblen Daten gibt es nicht. Alles läuft mündlich! Ein klarer Gesetzesverstoß. Dem Missbrauch ist Tür und Tor geöffnet. Das erregt insbesondere vor dem Hintergrund gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Mitarbeitern von privaten Sicherheitsfirmen und dort anzutreffenden rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Gesinnungen höchste Besorgnis…“

Der Landesvorsitzende der HU Baden-Württemberg,  Dr. Udo Kauß erklärte: „Es gibt keine Grundrechte 2. Klasse für Flüchtlinge. Wer so mit den Grundrechten von Flüchtlingen umgeht, der übergeht auch die Grundrechte der übrigen Bürger.innen. Wehret den Anfängen: keine Anwesenheitsprofile von Flüchtlingen – keine gläsernen Flüchtlinge – keine gläsernen Bürger.“

Der interessierte Leser stellt sich die Frage: Gibt es in den Erstaufnahmeeinrichten des Landes Hessen für Flüchtlinge oder in den größeren Flüchtlingsunterkünften in hessischen Städten und Gemeinden vergleichbare Zugangskontrollmaßnahmen? Und wenn Ja: Wer hat Zugriff auf die Daten? Eine Fragestellung, der auch der Hessische Datenschutzbeauftragte Professor Dr. Michael Ronellenfitsch nachgehen sollte.

Dass in der Flücktlingspolitik in Baden-Württemberg nicht alles im Grünen Bereich ist, wurde schon im Herbst 2015 deutlich, als Medien berichteten, dass Landeserstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in Baden-Württemberg videoüberwacht werden sollten.

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