Selbstauskunft beim Verfassungsschutz anfordern: „Ich habe netzpolitik.org gelesen!“

Datenschutzrheinmain/ Oktober 1, 2015/ alle Beiträge, NSA Skandal, praktische Tipps, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 0 comments

Die Humanistischen Union und AKtE., der Arbeitskreis für die totale Einsicht haben mit Unterstützung von datenschmutz.de eine Kampagne gestartet, bei der sie kritische und datenschutz-affine BürgerInnen dazu auffordern, für sich persönlich Akteneinsicht beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) anzufordern.

Zum Hintergrund: Ein solches Auskunftsersuchen wird dadurch wesentlich erschwert, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz, der BND und einige Landesämter fordern, dass anfragende BürgerInnen für ihre Anfrage eine Begründung verlangen, weshalb der Anfragende glaube, dass eine Akte bestehe. Denn in § 15 Abs 1. Bundesverfassungsschutz-Gesetz (BverfSchG) wird dies gefordert.

Anfrage = Selbstbezichtigung? NEIN Danke!

Diese Praxis der Selbstbezichtigung muss beendet und das Recht auf Aktenauskunft auch bei Geheimdiensten gestärkt werden.

Diesem Zweck dient die Aktion von Humanistischer Union und dem Arbeitskreis für die totale Einsicht. Mit der für die Betroffenen relativ harmlosen Selbstbezichtigung „Ich habe netzpolitik.org gelesen!“ haben sie ein Musterschreiben veröffentlicht, mit dem alle interessierten BürgerInnen ihren Auskunftsanspruch einfordern können. Im Musterschreiben wird dazu formuliert: „Um dem Gesetz genüge zu tun, sollte… die Mitteilung ausreichen, dass ich die Webseite www.netzpolitik.org gelesen habe. Wie in der Presse zu erfahren war, hat Ihr Amt gegen diesen Internetdienst Ermittlungsmaßnahmen ergriffen, und Ihr Präsident hat Strafanzeige gegen die Herausgeber gestellt. In den letzten Jahren wurden in ihrer Behörde erhebliche Vorkehrungen zur massenhaften Überwachung des elektronischen Datenverkehrs getroffen und entsprechende Personalstellen geschaffen. Damit muß ich fürchten, allein schon durch den Besuch dieser Internetseite durch Ihre Behörde erfasst worden zu sein. Bitte geben Sie mir darüber hinaus Auskunft über alle ggf. sonst zu meiner Person bei Ihrer Behörde gespeicherten
Daten…“.

Am Ende des Musterschreibens steht der Satz: „Zum Nachweis meiner Identität füge ich in der Anlage eine Kopie meines Personalausweises bei.“ Dies scheint leider unvermeidlich zu sein, da auch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) in ihrem Vordruck dies auch so benennt.

ausgeschnüffeltQuelle: verfassung-schuetzen.de

Aus aktuellem Anlass ist außerdem festzuhalten: Der Europarat hat in einer Stellungnahme vom 01.10.2015 die Kontrolle der deutschen Geheimdienste durch den Bundestag scharf kritisiert. In seinem jährlichen Bericht (in den Randnummern 44 – 51 ab Seite 16) zeigte sich Menschenrechtskommissar Nils Muizniek „besorgt über das Fehlen von Ressourcen und Fachwissen seitens der Aufsichtsgremien und ihres Sekretariats“.

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