Beschwerde der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main bei der Europäischen Kommission: Unabhängige Datenschutzkontrolle im Bundesland Hessen ist nicht gewährleistet
Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat am 25.06.2014 eine Beschwerde an die Europäische Kommission gerichtet. Sie beginnt mit dem Satz: „…es ist zu besorgen, dass die Datenschutzkontrolle des nichtöffentlichen Bereiches in der Bundesrepublik Deutschland nicht ausreichend unabhängig ist und daher die Bundesrepublik Deutschland gegen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Az.: C-518/07) vom 9. März 2010 fortlaufend verstößt.“
Als Beleg für diese Feststellung wird eine aktuelle Stellungnahme des Hessischen Datenschutzbeauftragten benannt.
Dieser hat nach am 26.05.2014 von der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main eine Liste von 369 Standorten mit 820 Videokameras alleine im Stadtgebiet von Frankfurt am Main erhalten, bei denen Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch weit überwiegend private Stellen betrieben wird. Mit Schreiben vom 05.06.2014 hat der Hessische Datenschutzbeauftragte den Eingang der Eingabe bestätigt, zugleich aber einschränkend auf seine mangelnden (insbesondere personellen) Ressourcen hingewiesen, die eine zeitnahe Bearbeitung der Eingabe nicht zulassen würden. Zitat:
- „selbstverständlich werde ich im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Personalkapazität jeden Einzelfall überprüfen…“;
- „Ich werde somit jeden Einzelfall ‚vor Ort‘ überprüfen, was natürlich sehr zeitaufwändig sein wird“;
- „Da […] ich jährlich weit mehr als 200 Fälle zu bearbeiten habe, die Videoüberwachung betreffen, bitte ich um Verständnis, dass ich eine Priorisierung in der Reihenfolge der Abarbeitung vornehmen muss“.
Am guten Willen des Hessischen Datenschutzbeauftragten und seiner Mitarbeiter/innen, hier sorgfältig zu arbeiten und Verstöße hinreichend zu ahnden, zweifelt die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main nicht.
Zweifel sind aber mehr als angebracht, ob dem Hessischen Datenschutzbeauftragten hinreichende Ressourcen zu Verfügung stehen, um seinen gesetzlichen Aufgaben nachkommen zu können. Der Hessische Datenschutzbeauftragte hat ca. 40 Bedienstete. Hiervon sind zwei zuständig für den Bereich Videoüberwachung durch private Stellen. Die gleichen Mitarbeiter sind aber auch noch zuständig für die Bereiche Beschäftigtendatenschutz, neue Verwaltungssteuerung und das ERP System „SAP R3 HR“, das in der gesamten hessischen Verwaltung eingesetzt wird. Hinzu kommt, dass sich durch Eingabe der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main die jährliche Fallzahl von Eingaben zum Thema Videoüberwachung für 2014 nahezu verdreifacht hat.
Warum jetzt eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission?
Und was hat es mit der Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 09.03.2010 auf sich? Die Europäische Kommission hatte die BRD wegen Vertragsverletzung verklagt, weil sie die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Datenschutz-Kontrollstellen (Aufsichtsbehörden für den nicht-öffentlichen Bereich) als nicht erfüllt ansah. Im Einzelnen führte der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung u. a. aus: „Nach alledem ist Art. 28 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen, dass die für die Überwachung der Verarbeitung personenbezogener Daten im nichtöffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein müssen, die es ihnen ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen. Diese Unabhängigkeit schließt nicht nur jegliche Einflussnahme seitens der kontrollierten Stellen aus, sondern auch jede Anordnung und jede sonstige äußere Einflussnahme, sei sie unmittelbar oder mittelbar, durch die in Frage gestellt werden könnte, dass die genannten Kontrollstellen ihre Aufgabe, den Schutz des Rechts auf Privatsphäre und den freien Verkehr personenbezogener Daten ins Gleichgewicht zu bringen, erfüllen.“ Gemäß einer Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 05.07.2005 gehört zur völligen Unabhängigkeit der Datenschutz-Kontrollstellen auch die „Zuweisung ausreichender Mittel an die Kontrollstelle“.
Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main stellt in ihrem Schreiben an die Europäische Kommission fest: „Die… Defizite in der Ausstattung der hessischen Kontrollstelle und deren
Umgang mit diesem Defizit werden dazu führen, dass genau bezeichnete Missstände über Monate und Jahre ohne Konsequenzen bleiben. Dies ist ein Verstoß gegen das genannte Urteil des EuGH… Wir bitten die Europäische Kommission durch Androhung und Vollziehung angemessener Strafmaßnahmen gegen die Bundesrepublik Deutschland die Beseitigung dieser Vollzugsdefizite voranzutreiben“.
- Eine Übersicht über den wesentlichen Inhalt der zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Az.: C-518/07) vom 09.03.2010 (Az.: C-518/07) können Sie hier nachlesen: www.bfdi.bund.de/DE/GesetzeUndRechtsprechung/Rechtsprechung/BDSGDatenschutzAllgemein/Artikel/090310_SindAufsichtsbehoerdenStaatlicherAufsichtUnterworfen.html?nn=408918
- Das Schreiben der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main vom 25.06.2014 an die Europ. Kommission können Sie hier im Wortlaut nachlesen: B-2014.06.25 an-EU-Kommission
- Das zitierte Schreiben des Hessischen Datenschutzbeauftragten vom 05.06.2014 können Sie hier im Wortlaut nachlesen: B-2014.06.05-von-hdsb