Covid-Tests an Hessischen Schulen

Schuetze/ April 4, 2021/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Datenschutz an Schulen, Datenschutz in Zeiten von Corona, Gesundheitsdatenschutz/ 1 comments

… und das gefährliche Spiel mit dem Datenschutz.

In einem Rundschreiben von Ende März 2021 wandte sich das Hessische Kultus­ministerium (HKM) an die Schulleiter*innen der hessischen Schulen wegen der „Durchführung von Antigen-Selbsttests zum Nachweis des Coronavirus SARS CoV-2 in Schulen“. Es handelt sich um Antigen-Selbsttests durch Laien. Es soll mit der Durchführung dieser Antigen-Selbsttests an allen hessischen Schulen nach dem Ende der Osterferien 2021 begonnen werden. Getestet werden die Schüler*innen und das Lehr­personal. Die Tests werden „unter der Anleitung der anwesenden Lehrkraft“ durch­geführt, so das Schreiben des HKM.
Als Rechtsgrundlage werden die Einwilligung der Betroffenen, Schüler*innen (ggf. durch die Eltern) und die der Beschäftigten der Schule eingeholt. Es wird ein vorformu­lierter Text zur Verfügung gestellt, der die Erklärung, sowie eine Datenschutzinformation enthält.

Das besondere an dieser Vorgehensweise ist das Abweichen von den üblichen medizinischen Verfahren an den Schulen in Hessen und anderswo. Hier sind eigentlich die Hausärzte und in besonderen Fällen die Amtsärzte der Gesund­heitsämter Vorort gefragt. Natürlich ist weithin bekannt, dass die Gesundheitsämter pandemiebedingt überlastet sind. So erscheint es auf den ersten Blick pragmatisch, hiervon abzuweichen.

Dennoch wirft dieses Verfahren zahlreiche Probleme auf, insbesondere für den Datenschutz und die ärztliche Schweigepflicht. So kennt das hessische Schulgesetz kein Verfahren der direkten Erhebung von Gesundheitsdaten durch den Lehrkörper bzw. den Dienstherren in der Schulverwaltung.

Die Probleme sind:

  • Kenntnis des Dienstherrn – Schulleitung, Schulamt – über spezifische gesundheitliche Einschränkungen einer Lehrkraft
  • Kenntnis des Dienstherrn über die Verweigerung an der Teilnahme an Testungen
  • Kenntnis der Lehrer über eine spezifische gesundheitliche Einschränkungen eines Schülers, einer Schülerin
  • Kenntnis der Lehrer über die Verweigerung an der Teilnahme an Testungen der Schüler*innen bzw. deren Eltern

All diese Informationen liegen sonst in den Händen von Ärzten, wo sie auch hingehören, gut geschützt durch die ärztliche Schweigepflicht. In diesem Verfahren fehlt genau dieser Schutz.
Die Schulen werden angewiesen mit dem Wissen über die Testergebnissen „sorgsam“ umzugehen und deren Vertraulichkeit zu wahren. Ein Apell kann aber die straf­rechtliche geschützte ärztliche Schweigepflicht nicht ersetzen. Man überlässt es dem Zufall, wie viel Vertraulichkeit die einzelne Schule tatsächlich in der Lage ist umzusetzen.

Daher setzt das HKM auf die Bereitschaft, freiwillig an den Tests mitzuwirken. Hierauf wird auch deutlich hingewiesen.
Als letzte verbleibende Rechtsgrundlage steht hier die Datenschutz-Einwilligung des/ der Lehrer*in bzw. des/ der Schüler*in zur Verfügung, deren wesentliche Komponente die Freiwilligkeit ist.

Genau an dieser Freiwilligkeit bestehen aber erhebliche Zweifel:

a- für Lehrer

Eine freiwillige Einwilligung im Beschäftigten-Verhältnis ist schwer möglich. Das Über-/ Unter-ordnungsverhältnis zwischen Dienstherr und Lehrer lässt eine Auf­forderung des Dienstherrn immer wie eine ‚Anweisung‘, d.h. wie eine Pflichtaufgabe, aussehen. Das ist immer kontraproduktiv für die Freiwilligkeit einer Datenschutz-Einwilligung. Auch der formale Hinweis auf die Freiwilligkeit ändert hieran nichts.
Fehlt es an der Freiwilligkeit, bricht die Einwilligung als Rechtsgrundlage weg.
Ohne Rechtsgrundlage darf aber keine Erhebung von personenbezogenen Daten, keine Covid-Tests erfolgen. Das Verfahren ist – ohne Rechtsgrundlage – für die Lehrer rechtswidrig (Verbotsprinzip, Art 6 (1) und Art 9 (2) DS GVO) und ungeeignet.

Hinzu kommt: Das Verfahren benötigt auch die Mitbestimmung der schulischen Personal­räte. Eine Einwilligung kann dieses Zustimmungsverfahren nicht ersetzen. Ohne deren Zustimmung ist auch eine – einmal unterstellt – freiwillige Einwilligung rechtsunwirksam.

b- für Schüler

Auch bei den Schüler*innen muss eine Freiwilligkeit gegeben sein, damit die Einwilligung Bestand hat.
Gegen die Freiwilligkeit könnte sprechen:

  • die Sorge um eine unvorteilhafte Leistungsbewertung und Benotung in der Zukunft oder
  • der gesellschaftliche, soziale Druck, sich an einer solchen Maßnahme zu beteiligen. Immerhin werden Verweigerer gerne als Verschwörungstheoretiker diffamiert und – entgegen der gesetzlichen Wertung – dem sozialen Druck ausgesetzt, ihr Verhalten zu rechtfertigen oder
  • im behördlichen Kontext ist auch der Erwägungsgrund 43 der DS GVO zu beachten, der die Freiwilligkeit einer Datenschutz-Einwilligung gegenüber einer Behörde, hier: Schule, in der Regel verneint.

Es bestehen also erhebliche Zweifel an der Freiwilligkeit der Maßnahme und damit an einer wirksam erteilten Einwilligung. Die Rechtsfolge für die Schüler*innen ist daher die gleiche wie für die Lehrer*innen. Das Verfahren ist – ohne Rechtsgrundlage – rechtswidrig (Verbotsprinzip, Art 6 (1) und Art 9 (2) DS GVO) und ungeeignet.

Das Verfahren wäre anders zu beurteilen, würde alleine das Gesundheitsamt tätig werden. Es hat hierzu auch die erforderlichen Ermächtigungen u.a. im Hessischen Schulgesetz.

Wieder einmal werden aus Erwägungen der Knappheit von Ressourcen (überlastete Gesundheitsämter) zu Datenschutz-fragwürdigen Mitteln und Verfahren gegriffen.

 

Von Roland Schäfer

1 Comment

  1. Sie haben es auf den Punkt gebracht:

    „Die Probleme sind:
    Kenntnis des Dienstherrn – Schulleitung, Schulamt – über spezifische gesundheitliche Einschränkungen einer Lehrkraft
    Kenntnis des Dienstherrn über die Verweigerung an der Teilnahme an Testungen
    Kenntnis der Lehrer über eine spezifische gesundheitliche Einschränkungen eines Schülers, einer Schülerin
    Kenntnis der Lehrer über die Verweigerung an der Teilnahme an Testungen der Schüler*innen bzw. deren Eltern“.

    Denn genau diese Probleme bei der bevorstehenden Teststrategie-Umsetzung an Schulen haben instantan spürbare Auswirkungen auf das soziale Miteinander an den Schulen – das Vorgehen dürfte schon bald als historische Begründung für die Nötigkeit funktionierender Schutzkonzepte persönlicher- und patientenbezogener Daten angeführt werden können. Wer selbst Kinder an weiterführenden Schulen hat, der braucht an dieser Stelle wohl keine weiteren Ausführungen von meiner Seite über die genannten Auswirkungen…

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