Geplanter Staatstrojaner in Hessen gefährdet IT-Sicherheit weltweit

Datenschutzrheinmain/ November 11, 2017/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung/ 0 comments

Der nachfolgende Beitrag wurde zuerst auf der Homepage des CCC Darmstadt veröffentlicht.
 
Im Bundesland Hessen soll ein Gesetz die geheimdienstliche Ausweitung der Nutzung von Staatstrojanern erlauben. Wir fordern: Kein Staatstrojaner für Hessen!Der von den Fraktionen der CDU und Bündnis90/Die Grünen im Hessischen Landtag vorgelegte „Gesetzesentwurf zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen“ sieht eine Ausweitung der Befugnisse des Verfassungsschutzes vor, insbesondere den Einsatz von Staatstrojanern zur sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung („Quellen-TKÜ“) und zur Online-Durchsuchung. Mit der Informationsseite www.hessentrojaner.de möchten die hessischen Chaos Computer Clubs über die Funktionsweise und Gefahren von Staatstrojanern informieren.„Eine solche Regelung gefährdet die Sicherheit Millionen vernetzter Geräte weltweit. Der Einsatz von Staatstrojaner setzt verwundbare Software in Smartphones oder Laptops voraus“, erklärt Markus Drenger vom CCC Darmstadt. „Verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik zielt darauf ab, dass Sicherheitslücken schnellstmöglich geschlossen werden, damit diese nicht von Kriminellen ausgenutzt werden können. Mit einem Staatstrojaner hat der Staat jedoch ein Interesse daran, offene Hintertüren nicht zu schließen, um diese später selbst nutzen zu können. Wissen über Lücken vor Herstellern geheimzuhalten, um Sicherheitsupdates zu verhindern, schadet der IT-Sicherheit.“Sicherheitslücken, wie sie für Staatstrojaner und andere Schadsoftware notwendig sind, werden aufgrund ihrer enormen Tragweite für teilweise sechs- bis siebenstellige Eurobeträge gehandelt. Da solche Lücken oft in weit verbreiteten Anwendungen klaffen, stellen sie ein enormes Gefährdungspotenzial für eine große Zahl von Geräten dar. „Hiervon sind auch kritische Infrastrukturen wie beispielsweise Krankenhäuser, Windparks oder Atomkraftwerke betroffen“, betont Magnus Frühling vom CCC Frankfurt. „Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sogar finanziell und personell gut ausgestattete Behörden wie die NSA nicht in der Lage sind, die Geheimhaltung dieser Lücken sicherzustellen.“Im Mai diesen Jahres erregte ein von Kriminellen verbreiteter Erpressungs-Trojaner namens „Wannacry“ weltweit Aufsehen, da er neben Privat-PCs auch Automobilkonzerne, Bahnunternehmen und Krankenhäuser lahmlegte. Der geschätzte finanzielle Schaden betrug bis zu vier Milliarden Euro. Die von Wannacry genutzte Lücke in Microsoft Windows war der NSA bereits seit Jahren bekannt. „Anstatt die Sicherheitsmängel dem Hersteller Microsoft zu melden und so ein Sicherheitsupdate zu ermöglichen, hat der Geheimdienst diese aber zur Nutzung durch Staatstrojaner geheimgehalten“, schildert Marco Holz vom CCC Darmstadt das Problem. „Außerdem können auch repressive Regime im Ausland die von Steuergeldern in Deutschland finanzierten Hacking-Tools zum Ausspähen von Journalisten, Oppositionspolitikern und unterdrückten Minderheiten nutzen. Der Zweitverwertungsmarkt für Sicherheitslücken und Trojaner ist groß. Die Technologie-Zulieferer solcher Regierungen sitzen oft in Europa.“ Für Unternehmen stellen offene Sicherheitslücken auch unter dem Aspekt der Wirtschaftsspionage eine Gefahr dar. Vor den Gefahren durch Sicherheitslücken für deren IT-Sicherheit warnte auch das hessische Wirtschaftsministerium bei der Vorstellung des hessischen IT-Sicherheitsleitfadens, der gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) in Darmstadt erarbeitet wurde.Wir fordern die Abgeordneten im Hessischen Landtag vor diesem Hintergrund auf, dem Gesetzentwurf in der derzeitigen Form nicht zuzustimmen.

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main schließt sich dieser Stellungnahme an.

Eine weitere kritische Bewertung des Gesetzentwurfs von CDU und Grünen ist hier nachlesbar.

 

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